5. September
Lesung 4-6
Laurentius stammte aus der adeligen Familie Justiniani zu Venedig. Schon
als Knabe zeigte er großen Ernst. Unter frommen Übungen verbrachte er
seine Jugendjahre. Vom Allweisen Gott zu einer reinen, geistigen
Verbindung berufen, trug er sich mit dem Gedanken, das Ordensleben sich
zu erwählen. Um sich also im Stillen auf seinen neuen Beruf
vorzubereiten, schlief er, von anderen körperlichen Abtötungen ganz
abgesehen, auf bloßen Holzstücken. Als er so zwischen den Freuden dieser
Welt und der Heirat, die ihm seine Mutter vorschlug, und dem strengen
Klosterleben auf der anderen Seite saß und beides gegeneinander abwog,
da warf er seinen Blick auf Christus, wie er am Kreuze hing, und sprach:
Herr, Du bist meine Hoffnung, hier hast du den sichersten Zufluchtsort
für mich begründet; dann eilte er zur Kongregation der Chorherren vom
heiligen Georg von Alga. Hier ersann er noch neue Peinigungen und begann
einen noch heftigeren Kampf gegen sich selbst wie gegen den grimmigsten
Feind; er gönnte sich keinerlei Erholung und betrat nie den
Klostergarten und auch nie mehr sein elterliches Haus, außer als er
seiner sterbenden Mutter trockenen Auges die letzten Liebesdienste
erwies. Mit gleichem Eifer übte er sich im Gehorsam, in der Sanftmut und
besonders in der Demut; er wählte sich freiwillig die niedersten
Arbeiten im Kloster aus, sammelte an den belebtesten Plätzen der Stadt
nicht so sehr Almosen als vielmehr Spott und Hohn, ertrug gelassen und
schweigend die zugefügten Schmähungen und Verleumdungen. Seine Stütze
war das ununterbrochene Gebet; häufig wurde er dabei den Sinnen entrückt
und zu Gott hingezogen; sein Herz brannte vor solcher Liebesglut, daß
er sogar die wankenden Mitbrüder zur Beharrlichkeit und zur Liebe Jesu
Christi begeistern konnte. Von Eugen IV. wurde er zum
Bischof seiner Vaterstadt ernannt; heftig hatte er sich gegen diese
Würde gewehrt, bekleidete sie dann aber mit um so größerem Ruhme. Seine
gewohnte Lebensweise änderte er aber nicht im geringsten; die Armut, die
er stets geübt hatte, behielt er, was die Tafel, die Einrichtung seines
Hauses und seine Lagerstätten angeht, stets bei. Klein war die Zahl
seiner Diener, da er, wie man sagte, eine noch andere große Familie
hatte; damit meinte er die Armen Christi. Jederzeit stand er allen zur
Verfügung, zu welcher Stunde man auch kommen wollte. Mit väterlicher
Liebe half er allen und scheute nicht, sich selbst Schulden zu machen,
um andere in ihrer Not nicht im Stiche zu lassen. Als man ihn fragte,
auf wen er dabei vertraue, antwortete er: Auf meinen Herrn; der kann
leicht für mich die Schulden bezahlen. Und in der Tat bewies auch die
göttliche Vorsehung immer wieder, daß sie sein Vertrauen nicht
enttäuschte, und brachte ihm oft unerwartet Hilfe. Er errichtete mehrere
Frauenklöster und führte sie unter seiner wachsamen Leitung zu einem
Leben der Vollkommenheit. Er gab sich die größte Mühe, die Frauen von
aller irdischen Pracht und eitlem Kleiderputz abzubringen, die
kirchliche Zucht und Sittlichkeit zu heben. So war er gewiß würdig, von
dem bereits erwähnten Papst Eugen in Gegenwart der Kardinäle der Ruhm
und die Zierde der Bischöfe genannt zu werden und von dessen Nachfolger
Nikolaus V., als dieser die Patriarchenwürde von Grado nach Venedig
übertrug, zum ersten Patriarchen von Venedig ernannt zu werden. Er besaß auch die Gabe der Tränen; täglich brachte er dem
allmächtigen Gott das Versöhnungsopfer dar. Als er dies in der
Weihnachtsnacht tat, durfte er Jesus Christus in der Gestalt eines
himmlisch- schönen Kindes schauen. So groß war der Schutz, der von ihm
auf seine Herde ausging, daß einmal vom Himmel geoffenbart wurde, durch
die Fürsprache und Verdienste des Bischofs sei die Republik gerettet
worden. Er besaß auch die Gabe der Weissagung und sagte viele Dinge
voraus, die Menschenwissen weit übersteigen. Krankheiten und böse
Geister bannte er oftmals durch sein Gebet. Obwohl er fast keine höhere
Bildung besaß, schrieb er doch einige Bücher, die himmlische Weisheit
und Frömmigkeit atmen. Als er schließlich todkrank war und seine Diener
ihm, dem schwerkranken Greis, ein bequemes Bett errichten wollten,
lehnte er eine solche Weichlichkeit ab, die doch zu dem harten Kreuz
unseres Herrn bei seinem Tode gar nicht passe, und ließ sich auf seine
gewohnte Lagerstätte niederlegen. Als er sein Ende nahen fühlte, erhob
er seine Augen zum Himmel und sprach: Ich komme zu Dir, guter Jesus;
dann entschlief er am 8. Januar selig im Herrn. Daß sein Tod kostbar
war, bezeugen die Gesänge der Engel, die mehrere Karthäusermönche
vernahmen, ebenso sei heiliger Leichnam, der über zwei Monate
unbeerdigt, aber ganz unversehrt und ohne Zeichen von Verwesung blieb
und einen lieblichen Wohlgeruch ausströmte- auch das Gesicht blieb rot-
und neue Wunder, die nach seinem Tod geschahen. Deshalb nahm ihn Papst
Alexander VIII. in das Verzeichnis der Heiligen auf. Innozenz XII. aber
bestimmte für die Feier seines Festes den 5. September; an diesem Tag
war der Heilige auf den bischöflichen Stuhl erhoben worden.
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