17. September
Lesung 4-6
hl. Bischofs Bonaventura:
Franziskus,
der wahrhaft treue Knecht und Diener Christi, begann zwei Jahre, bevor
er seinen Geist dem Himmel zurückgab, an einem hochgelegenen, einsamen
Orte, dem Alvernerberg, zu Ehren des Erzengels Michael ein
vierzigtägiges Fasten. Da wurde er ungewöhnlich reich mit der Süßigkeit
der himmlischen Beschauung übergossen und von einer glühenden Sehnsucht
nach dem Himmel erfaßt und fühlte in stärkerem Maße die Wirkungen der
himmlischen Gnaden. Da er nun durch die seraphischen Gluten seiner
Sehnsucht zu Gott empor gehoben wurde und sein Herz in zartem Mitgefühl
immer mehr jenem ähnlich wurde, der aus übergroßer Liebe Sich ans Kreuz
schlagen ließ, da sah er eines morgens um das Fest seiner Kreuzerhöhung,
während er am Abhang des Berges betete, die Gestalt eines Seraphim mit
sechs leuchtenden, feurigen Flügeln aus der Höhe des Himmels
herniedersteigen. In schnellem Flug kam er durch die Luft in die Nähe
des Gottesmannes; er trug nicht nur Flügel, sondern schien auch ans
Kreuz geheftet zu sein; seine Hände und Füße waren ausgespannt und an
ein Kreuz genagelt, die Flügel dagegen in staunenswerter weise zu beiden
Seiten angeordnet; zwei streckte er über sein Haupt empor, zwei spannte
er zum Fluge aus und mit den zwei anderen umschlang und umhüllte er
seinen ganzen Leib. Als Franziskus dies sah, erschrak er gar sehr;
Freude, mit schmerz gemischt befiel sein Herz. Bei diesem lieblichen
Anblick, der ihm so wunderbar und zugleich so vertraut vorkam, erfaßte
ihn eine überschwengliche Freude; als er aber die grausame Kreuzigung
sah, durchbohrte das Schwert schmerzvollen Mitleids seine Seele. Franziskus merkte wohl- der, der ihm äußerlich ähnlich erschien,
belehrte ihn nämlich auch im Innern-, daß die Schwäche und das Leiden
eigentlich ganz unvereinbar sei mit der Unsterblichkeit eines Seraphs,
daß aber diese Erscheinung deshalb seinen Augen sich darbot, damit er,
der Freund Christi, erkenne, er solle nicht durch ein leibliches
Martyrium, sondern durch ein loderndes Feuer in seinem Innern zu einem
getreuen Abbild Jesu Christi, des Gekreuzigten werden. Nach einer
geheimnisvollen, vertrauten Zwiesprache verschwand also die Erscheinung
wieder; sie ließ jedoch sein Herz innerlich in seraphischer Liebesglut
auflodern und auch seinen Leib bezeichnete sie äußerlich mit einem
getreuen Abbild des Gekreuzigten, wie wenn auf die schmelzende Tätigkeit
des Feuers der Aufdruck eines Siegels gefolgt wäre. Denn sogleich
wurden an seinen Händen und Füßen die Male der Nägel sichtbar, und zwar
zeigte sich das Kopfende der Nägel auf der Innenfläche der Hände und auf
der Oberseite der Füße, die Spitze auf der anderen Seite. Auch seine
rechte Seite war mit einer roten Narbe überzogen, als ob sie von einer
Lanze durchbohrt worden wäre; daraus floß häufig heiliges Blut und
färbte seinen Rock und seine Unterkleider. Nachdem nun Franziskus, der neue Mensch, durch dieses neue,
staunenswerte Wunder ausgezeichnet und mit diesem außergewöhnlichen
Vorzug, der früheren Jahrhunderten nicht gewährt wurde, ausgestattet
war, als er nämlich mit den heiligen Wundmalen geschmückt war, stieg er
vom Berg herunter und trug an sich das Bild des Gekreuzigten; es war
nicht auf Tafeln von Stein oder Holz von Menschenhand gezeichnet,
sondern vom Finger des lebendigen Gottes seinen Gliedern eingeprägt
worden. Dieser seraphische Mann wußte aber sehr wohl, daß es gut sei,
das Geheimnis des Gottkönigs zu verbergen, und so suchte er, sich dieses
verborgenen königlichen Geschenkes wohl bewußt, die heiligen Male nach
Kräften geheim zu halten. Weil jedoch Gott gerne zu seinem Ruhme die
Großtaten, die er wirkt, offenbart, darum ließ der Herr selbst, der die
Wundmale im Verborgenen eingeprägt hatte, durch sie in aller
Öffentlichkeit einige Wunder geschehen; so sollte die verborgene,
staunenswerte Kraft der Wundmale durch herrliche Zeichen offenbar
werden.- Papst Benedikt XI. wollte diese wunderbare Tatsache, die so
sicher bezeugt und in päpstlichen Urkunden mit besonderem Lob und mit
Vorliebe hervorgehoben wurde, durch ein jährliches Fest gefeiert wissen;
dieses dehnte später Papst Paul V. auf die ganze Kirche aus, um die
Herzen der Gläubigen zur Liebe Christi, des Gekreuzigten, zu begeistern.
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