12. September
Lesung 4-9 Predigt des hl. Bernhard
Es heißt: Und der Name der Jungfrau war Maria. Wir wollen auch über
diesen Namen kurz etwas sagen. In der Übersetzung bedeutet er Stern des
Meeres und er paßt sehr gut auf die jungfräuliche Mutter; denn diese
wird ganz richtig mit einem Stern verglichen. Wie ein Stern, ohne selbst
Einbußen zu erleiden, seine Strahlen aussendet, so hat die Jungfrau
ohne Verletzung ihren Sohn geboren. Der Strahl mildert nicht die
Helligkeit des Sternes; so hat auch der Sohn die Unversehrtheit der
Jungfrau nicht gemindert. Sie ist also jener edle Stern, der aus Jakob
hervorging, dessen Strahl die ganze Welt erleuchtet, dessen Glanz in der
Höhe schimmert und bis in die Unterwelt dringt; jener Stern, der über
die Erde hin leuchtet und mehr die Herzen als die Körper erwärmt, der
die Tugend begünstigt, die Laster tilgt. Ja, sie ist der herrlich
glänzende Stern, notwendig über dieses große, weite Meer erhoben,
glänzend durch Verdienste, leuchtend durch Beispiele. Wer du auch immer seiest: Wenn du merkst, daß du im Strom dieser Welt
mehr durch Stürme und Unwetter hin und her getrieben wirst als auf
festem Boden wandelst, dann wende deine Augen nicht ab von diesem hellen
Sterne, wenn du nicht von den Stürmen verschlungen werden willst. Wenn
die Winde der Versuchungen sich erheben und du auf die Klippen der
Trübsal stößest, blick auf zu dem Sterne, rufe zu Maria! Wenn Zorn,
Habsucht oder Fleischeslust dein Herzensschifflein bedrängt, blick auf
zu Maria! Wenn du ob der Größe deiner Sünden bestürzt, durch ein
schlechtes Gewissen verwirrt und von Schrecken vor dem Gerichte erfaßt
wirst, wenn du im Abgrund der Traurigkeit, im Schlund der Verzweiflung
zu versinken drohst, denk an Maria! In Gefahr, in Not und Zweifel denk an Maria, rufe zu Maria! Nie
schwinde sie von deinen Lippen, nie schwinde sie aus deinem Herzen! Und
damit du ihre hilfreiche Fürbitte erlangst, weiche nicht ab von dem
Vorbild ihres Wandels. Wenn du ihr folgst, irrst du nicht vom Wege ab;
wenn du zu ihr flehst, brauchst du nicht zu verzweifeln; wenn du an sie
denkst, gehst du nicht in die Irre; wenn sie dich hält, kommst du nicht
zu Fall; wenn sie dich beschützt, brauchst du nichts zu fürchten; wenn
sie dich führt, wirst du nicht müde; wenn sie dir gewogen ist, kommst du
ans Ziel; so wirst du an dir selber erfahren, wie es mit Recht heißt:
Und der Name der Jungfrau war Maria.- Nachdem dieser ehrwürdige Name
schon längst in manchen Teilen des christlichen Erdkreises in besonderer
Weise verehrt wurde, verordnete Papst Innozenz XI. anläßlich des
herrlichen Sieges, der unter dem Schutze der Jungfrau Maria bei Wien
über den grausamen Türkenkönig, den Todfeind der Christenheit, errungen
wurde, daß zum ewigen Gedächtnis an diesen großen Gnadenerweis diese
Festfeier jedes Jahr in der ganzen Kirche begangen werden solle.
Lk. 1:26 - 38
Auslegung des hl. Petrus Chrysogolus:
Geliebteste Brüder! Ihr habt heute gehört, wie ein Engel mit einem
Weibe über die Wiederherstellung der Menschheit spricht. Ihr habt
vernommen, wie der Mensch auf demselben Wege, auf dem er in den Tod
gesunken war, wieder zum Leben zurückkehren soll. Ja, ein Engel
verhandelt mit Maria über das Heil, so wie auch ein Engel mit Eva
verhandelt hatte über das Verderben. Ihr habt gehört, wie der Engel aus
dem Stoffe unseres Fleisches mit unbeschreiblicher Kunst der Majestät
Gottes einen Tempel baut. Ihr habt vernommen, daß auf eine
unbegreifliche, geheimnisvolle Weise Gott auf die Erde, der Mensch in
den Himmel kommen soll. Ihr habt gehört, wie auf eine unerhörte Art in
einem Leibe Gott und Mensch vereinigt werden soll. Ihr habt vernommen,
wie durch das Wort des Engels die gebrechliche Natur unseres Fleisches
die Kraft bekommt, die ganze Majestät der Gottheit zu tragen. Damit die gebrechliche Natur unseres Leibes in Maria nicht erliege
vor einer solchen Wucht des göttlichen Wirkens und damit in der
Jungfrau, die die Segensfrucht des ganzen Menschengeschlechtes tragen
sollte, das zarte Reis nicht breche, darum schickte der Engel zunächst
ein Wort voraus, um die Furcht zu bannen; er sprach: Fürchte dich nicht,
Maria! Schon vor der eigentlichen Unterredung wird die hohe Würde der
Jungfrau kundgetan durch ihren Namen; denn auf Hebräisch heißt sie
Maria, in unserer Sprache Herrin. Der Engel nennt sie Herrin, damit von
der Mutter des Herrn alle knechtische Frucht weiche; denn die Würde
ihres Kindes bewirkte und veranlaßte es, daß sie als Herrin geboren und
so genannt wurde. Fürchte dich nicht, Maria, denn du hast Gnade
gefunden. Ja, wer Gnade gefunden hat, kennt keine Furcht. Du hast Gnade
gefunden. Selig, die allein unter den Menschen und vor allen anderen hören
durfte: Du hast Gnade gefunden. Und wie viel Gnade? So viel wie vorher
gesagt wurde: Volle Gnade. Ja wahrlich, volle Gnade, die in einem Strome
ihr ganzes Wesen überflutete und durchflutete. Du hast Gnade gefunden
bei Gott. Als der Engel dies sagte, staunte er selbst, daß entweder das
Weib allein oder alle Menschen durch das Weib das Leben verdienten. Der
Engel wundert sich, daß der große Gott in den engen Raum des
jungfräulichen Schoßes eingehen will, er, für den die ganze Schöpfung zu
eng ist. Deshalb zögert auch der Engel und redet zur Jungfrau von ihrem
Verdienst, spricht von ihrer Gnade, wagt kaum, seinen Auftrag
auszurichten, ja, um das Verständnis zu fördern, bringt er ihn nur nach
langem Zögern vor.
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