Matth. 18, 15-22
Auslegung des hl. Bischofs Augustinus
Warum gibst du deinem Bruder einen Verweis? Weil es dich schmerzt, daß er gegen dich gesündigt hat? Das sei fern von dir. Wenn du es nur aus Liebe zu dir tust, ist es nichts wert; tust du es aber aus Liebe zu ihm, dann handelst du sehr gut. Übrigens kannst du aus den Worten selbst heraushören, aus Liebe zu wem du es tun sollst, ob aus Liebe zu dir oder zu ihm. Wenn er auf dich hört, heißt es, hast du deinen Bruder gewonnen. Du sollst es also seinetwegen tun, um ihn zu gewinnen. Wenn du so handelst gewinnst du ihn; hättest du es nicht getan, so wäre er zugrunde gegangen. Woher kommt es nun, daß die meisen Menschen diese Sünde gering achten und sagen: Was hab ich denn schweres begangen? Ich habe nur gegen einen Mitmenschen gefehlt. Halte es ja nicht für eine Kleinigkeit, wenn du gegen einen Menschen gefehlt hast! Willst du verstehen, daß du dir den Tod verdient hast dadurch, daß du gegen einen Menschen gefehlt hast? Wenn dich jener, gegen den du gesündigt hast, unter vier Augen zurechtweist, und du gibst ihm Gehör, dann hat er dich gewonnen. Was heißt das: Er hat dich gewonnen? Doch nur: Du wärest zugrunde gegangen, wenn er dich nicht gewonnen hätte. Denn wenn du nicht verloren gewesen wärest, wie hätte er dich dann gewinnen können? Keiner achte es also gering, wenn er wider seinen Bruder gesündigt hat. Denn der Apostel schreibt einmal: Wenn ihr so gegen eure Brüder sündigt und ihr schwaches Gewissen verletzt, sündigt ihr auch gegen Christus; denn wir alle sind Glieder Christi geworden. Wenn du dich also an den Gliedern Christi versündigst, versündigst du dich auch an Christus selbst. Niemand soll also sagen: Ich habe mich nicht wider Gott versündigt, sondern nur wider meinen Bruder; wider einen Menschen habe ich gesündigt; das ist ein leichtes Vergehen oder überhaupt keines. Du sagst deshalb vielleicht: Es ist etwas leichtes, weil es rasch wieder gutgemacht ist. Du hast dich wider deinen Bruder versündigt; leiste ihm Genugtuung und du bist geheilt. Schnell hast du eine totbringende Tat begangen, aber du hast auch schnell das Heilmittel gefunden. Wer von uns, meine Brüder, kann auf das Himmelreich hoffen, wenn es im Evangelium heißt: Wer zu seinem Bruder sagt: Du Narr, der ist des höllischen Feuers schuldig? Ein schreckliches Wort! Aber sieh dort auch das Heilmittel: Wenn du deine Gabe zum Altae bringst und dich erinnerst daß dein Bruder etwas wider dich hat, so lass deine Gabe dort vor dem Altare. Gott wird nicht zornig weil du ein Opfer aufschiebst; Gott verlangt mehr nach dir, als nach deiner Gabe.
(aus dem Deutschen Brevier übersetzt von Dr. Johann Schenk 1937)
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