Letzter Sonntag im Oktober
Papst Pius XI.:
Das
Heilige Jahr hat uns manche Gelegenheit geboten, das Königtum Christi
zu feiern. Doch jetzt glauben wir ganz im Sinne unseres Apostolischen
Amtes zu handeln, wenn wir den Bitten vieler Kardinäle, Bischöfe und
Gläubigen entsprechen, die einzeln oder gemeinsam uns vorgetragen
wurden, und zum Abschluß dieses Jahres ein eigenes Fest unseres Herrn
Jesus Christus, des Königs, in die Liturgie der Kirche einführen. Es ist
schon lange und allgemein üblich, daß Christus wegen seiner
hocherhabenen Würde, durch die er alle Geschöpfe überragt, im
übertragenen Sinne König genannt wird. So sagen wir von ihm, er
beherrscht den Geist der Menschen nicht so sehr wegen seines scharfen
Verstandes und seines umfassenden Wissens, sondern vielmehr, weil er die
Wahrheit ist und weil alle Sterblichen von ihm die Wahrheit übernehmen
und gehorsam annehmen müssen. Ebenso sagen wir, er beherrscht den
Willen der Menschen, weil nicht nur bei ihm der unverdorbene menschliche
Wille vollkommen mit seinem heiligen, göttlichen Willen übereinstimmt,
und ihm unterworfen ist, sondern weil er auch unseren freien Willen
durch Anregung und Antrieb zu edlem tun begeistert. Endlich wird
Christus König der Herzen genannt wegen seiner Liebe, die alle
Erkenntnis übersteigt, wegen seiner Sanftmut und Güte, die einen jeden
anzieht. Denn keiner wurde bisher von allen Völkern so geliebt wie
Christus Jesus, und keiner wird in Zukunft so geliebt werden. Um jedoch
genauer auf unseren Gegenstand einzugehen, so ist einem jeden klar, daß
wir den Titel und die Gewalt eines Königs in wirklichem Sinne dem
Menschen Christus zuerkennen müssen; denn nur als Mensch kann von ihm
gesagt werden, er habe Macht und Ruhm und Herrschergewalt vom Vater
erhalten; denn als Wort Gottes ist er mit dem Vater eins in der
Wesenheit und muß alles mit ihm gemeinsam haben, also auch die höchste
und uneingeschränkte Herrschergewalt über alle Geschöpfe.
Worauf diese Würde und Gewalt Christi sich gründet, das gibt Cyrill
von Alexandrien treffend mit folgenden Worten an: Er besitzt, um es kurz
zu sagen, die Herrschaft über die ganze Schöpfung, nicht weil er sie
mit Gewalt an sich gerissen hat oder weil sie ihm von einem anderen
übertragen wurde, sondern auf Grund seiner Wesenheit und seiner Natur,
d.h. seine Herrschermacht ist begründet in jener wundersamen Vereinigung
die wir die hypostatische nennen (d.h. Vereinigung der göttlichen und
menschlichen Natur in einer Person). Infolgedessen muß Christus als Gott
nicht nur von Engeln und Menschen angebetet werden, sondern Engel und
Menschen müssen sich auch vor ihm, dem Menschen, als ihrem Herrscher
beugen und sich ihm unterwerfen; denn schon durch die hypostatische
Vereinigung hat er Gewalt über die ganze Schöpfung. Um nun die Tragweite
und die Natur dieses Königtums kurz zu schildern, so braucht kaum
darauf hingewiesen werden, daß es in einer dreifachen Gewalt besteht.
Ohne diese kann man ja kaum von einem Königtum reden. Mehr als beweisen
das auch die Zeugnisse der Heiligen Schrift über die allgemeine
Herrschermacht unseres Erlösers. Nach katholischer Lehre muß man also
daran festhalten, daß Jesus Christus den Menschen als Erlöser gegeben
wurde, auf den sie vertrauen sollen, ebenso aber auch als Gesetzgeber,
dem sie Gehorsam schuldig sind. Die Evangelien berichten weniger, daß er
Gesetze erließ, sie schildern vielmehr, wie er Gesetze erließ. Wer
diese Gebote befolgt, von diesen sagt der göttliche Meister einmal, daß
sie damit ihre Liebe zu ihm beweisen, und ein andermal, daß sie in
seiner Liebe bleiben werden. Daß ihm auch die Richtergewalt vom Vater
übertragen wurde, das erklärte Jesus selbst, als die Juden ihm
Verletzung der Sabbatruhe durch die wunderbare Heilung des Lahmen zum
Vorwurf machten; da sagte er: Der Vater richtet niemand, sondern hat
alles Gericht dem Sohne übertragen. Und da dies vom Richteramt nicht
getrennt werden kann, so ist darin auch eingeschlossen, daß er kraft
seiner Macht den Menschen schon bei Lebzeiten Lohn oder Strafe zuteilen
kann. Außerdem muß man Christus auch die sogenannte vollziehende Gewalt
zuerkennen; denn seiner Herrschaft müssen alle gehorchen und den
Widerspenstigen wird sogar die Verhängung schwerer Strafen angedroht,
denen niemand entgehen kann. Dieses Königtum ist in erster Linie ein geistiges und erstreckt sich
auf geistige Dinge. Das zeigen klar die Worte der Heiligen Schrift, die
wir oben angeführt haben, das bestätigt auch Christus der Herr durch
seine Handlungsweise. Als die Juden und auch selbst die Apostel
fälschlich meinten, der Messias werde sein Volk zur Freiheit führen und
das Reich Israel wiederaufrichten, da nahm er ihnen selbst diesen
falschen Glauben und diese Hoffnung und machte sie zunichte. Als die
Volksmenge, die ihn voll Bewunderung umdrängte, ihn zum König ausrufen
wollte, da lehnte er Titel und Ehre ab, floh und verbarg sich. Vor dem
römischen Landpfleger erklärte er, sein Reich sei nicht von dieser Welt.
Von diesem Reich wird im Evangelium gesagt, die Menschen sollen sich
durch Buße zum Eintritt in dasselbe vorbereiten, sie können nur durch
den Glauben und durch die Taufe in dasselbe eintreten. Letztere ist zwar
eine äußere Handlung, versinnbildet und bewirkt jedoch die innere
Wiedergeburt. Dieses Reich steht nur zum Reich des Satans und zur Macht
der Finsternis im Gegensatz; es verlangt von seinen Anhängern, daß sie
nicht nur von Reichtum und irdischen Gütern sich losreißen, daß sie
gütig sind und nach Gerechtigkeit hungern und dürsten, sondern auch, daß
sie sich selbst verleugnen und ihr Kreuz auf sich nehmen. Da Christus
als Erlöser durch sein Blut die Kirche sich erworben, da er als Priester
sich als Opferlamm für die Sünden dargebracht hat und sich ständig
darbringt, wer sieht da nicht, daß sein Königtum das Wesen dieser beiden
Ämter übernimmt und daran Anteil hat? Im übrigen wäre es ein
schändlicher Irrtum, dem Menschen Christus die Herrschergewalt über die
gesamte staatsbürgerliche Ordnung abzusprechen, wo er doch vom Vater
uneingeschränkte Macht über die ganze Schöpfung erhalten hat. Und so
alles seinem Urteil unterworfen ist. Kraft unserer apostolischen Gewalt
setzen wir also das Fest unseres Herrn Jesus Christus, des Königs, ein.
Es soll in der ganzen Welt jedes Jahr am letzten Sonntag im Oktober,
d.h. am Sonntag vor dem Feste Allerheiligen, gefeiert werden. Ebenso
verordnen wir, daß jedes Jahr an diesem Tage die Weihe der Menschheit an
das heiligste Herz Jesu erneuert werden soll.
(aus dem Deutschen Brevier übersetzt von Dr. Johann Schenk 1937)
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