Mittwoch, 7. Mai 2014

3. Sonntag nach Ostern (zweite Rede) - Predigt vom hl. Thomas von Aquin

Zweite Rede


 Die Welt wird sich freuen, ihr aber werdet trauern; aber euere Traurigkeit wird in Freude verwandelt werden. Joh. 16, 20.

 Diese Worte sagen dreierlei; zuerst die Thorheit der Weltlichgesinnten in den Worten: Die Welt wird sich freuen. Der Prediger (2.) sagt: Das Lachen hielt ich für Irrthum, und sagte freudig, warum lässest du dich umsonst täuschen?
Zweitens die Weisheit der Heiligen, wenn es heißt: Ihr aber werdet trauern. Der Prediger (7.) sagt wiederum: Das Herz des Weisen ist da wo die Traurigkeit ist, das Herz der Thoren wo die Freude ist. Drittens die künftige Freude der Heiligen, indem es heißt: Euere Traurigkeit wird sich in Freude verwandeln. Und Christus sagt (Luc. 6.): Selig, die ihr trauert; denn ihr werdet euch freuen.
 In Bezug auf den ersten Punkt ist zu bemerken, daß aus drei Gründen die Freude der Weltlichgesinnten thöricht ist. Zuerst in Hinsicht auf die Zeit, weil jetzt nicht die Zeit der Freude, sondern des Weinens ist. 
Zuerst setzt er die Zeit des Weinens, sodann erst die Zeit des Lachens, nur zu zeigen, daß die Zeit des Weinens die gegenwärtige, die des Lachens die künftige ist. Darum sagt Jemand: Jetzt ist die Zeit des Weinens, jetzt ist die Zeit, die Sünden zu beweinen. Zweitens in Bezug auf den Ort; weil diese Welt der Ort der Traurigkeit und nicht der Freude ist. Der Psalmist (83.) sagt: Selig der Mann der seine Hilfe von dir hat; Aufgänge bereitet er in seinem Herzen im Thränenthale zum Orte, den er sich vorgesetzt. Und im Buche der Richter (2.): Der Engel des Herrn stieg von Galgala zu dem Orte der Weinenden empor. Drittens, weil sie sich über das Böse freuen. In den Sprichwörtern (2.) heißt es: Sie freuen sich, wenn sie Böses gethan haben, und frohlocken über die schlimmsten Dinge. Es erhellet alfo hinlänglich, daß die Freude der Weltlichgesinnten thöricht ist, da sie sich freuen zur Zeit der Traurigkeit im Orte des Elendes über die Verübung des Bösen. Der heilige Augustin sagt: Was ist die Freude der Welt? Ich will es kurz sagen, wollüstig und gottlos zu sein, in den Schauspielen zu possen, Schändliches zu thun und sich zu berauschen.

 In Bezug auf den zweiten Punkt ist zu bemerken, daß es weise ist zu trauern, und zwar aus drei Gründen. Zuerst weil durch die Traurigkeit die Bosheit des Menschen getilgt wird. Der Prediger (7.) sagt: Durch die Traurigkeit des Herzens wird die Seele des Sünders gebessert. Zweitens, weil der Mensch durch die zeitliche Traurigkeit den ewigen Strafen entgeht. Der heilige Gregorius sagt: Die Heiligen halten das gegenwärtige Leben für einen Gewinn, weil sie wohl wissen, daß sie dadurch dem ewigen unglückseligen Leben entgehen. Der Prophet Nabum (1.) sagt: Ich schlug dich und werde dich nicht mehr schlagen. Drittens weil sie durch eine geringe Traurigkeit die ewigen Freuden erlangen. Der Apostel (2. Cor. 4.) sagt: Unsere gegenwärtige Trübsal, die augenblicklich und leicht ist, bewirkt eine überschwängliche, ewige Alles überwiegende Herrlichkeit in uns, da wir nicht heischen auf das Sichtbare, sondern auf das Unsichtbare; denn das Sichtbare ist zeitlich, das Unsichtbare ist ewig.
 In Bezug auf den dritten Punkt ist zu bemerken, daß die kommende Freude der Heiligen in drei Dingen besteht. Zuerst in der Tröstung der göttlichen Gegenwart, wie es heißt: Ich werde euch aber wiederum sehen. Augustin sagt in der Stadt Gottes: Das Erste wird Gott selbst sein, der Alles in Allem, nämlich uns Heil, Ehre, Ruhm, Friede und Freude und alles Gute sein wird. Und in der Schrift (Gen. 15.) steht geschrieben: Ich bin dein sehr großer Lohn. Zweitens in der höchsten Freude des Herzens, wie es heißt: Und euer Herz wird sich freuen. Und der Prophet Isaias (35.) sagt: Freude und Fröhlichkeit werden sie erlangen. Drittens in der Erlangung der Ewigkeit, denn es heißt: Euere Freude wird euch Niemand rauben. Und Isaias (51.) sagte: So sollen auch nun, die der Herr erlöst, zurückkehren und nach Sion kommen mit Lobgesang, ewige Freude auf ihren Häuptern. Zu dieser ewigen Freude möge uns Jesus Christus führen. Amen.

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