Erste Rede
Wenn Jemand ein Gut dieser Welt besitzt und seinen Bruder Noth leiden sieht, und sein Herz vor ihm verschließt, wie kann die Liebe Gottes in ihm sein? 1. Joh. 3, 17.
Mit diesen Worten ermahnt uns der heilige Apostel Johannes, Almosen zu geben, und zwar aus drei Gründen. Denn vorzüglich drei Güter erlangt der, welcher Almoden gibt, zuerst ein zeitliches, zweitens ein geistiges, drittens ein ewiges Gut.
In Bezug auf den ersten Punkt ist zu bemerken, daß der Mensch ein dreifaches zeitliches Gut durch das Almosen gewinnt. Zuerst die Vermehrung des Reichthumes Ehre den Herrn, d.h. suche sein Lob, nicht das deinige, nicht das der Welt; von deiner Habe (nämlich die du rechtmäßig besitzest, nicht von Raub, nicht von einer fremden) und von den Erstlingen deiner Früchte gib den Armen, und es wird deine Scheune zur Genüge, nämlich in der künftigen Sättigung, erfüllt. Sie werden nicht mehr hungern und nicht mehr dursten, und vom Weine werden die Keltern überfließen. Jene, welche fiir den Himmel sammeln, finden dort wahren Reichthum; ihre Scheune wird voll werden, weil sie gesättigt werden, wenn sich seine Herrlichkeit offenbart; seine Kelter werden vom Weine überfließen, weil die innere Süßigkeit des Ewigen die Herzen der Gläubigen zum Lobe ihres Schöpfers entzündet. Wer also zeitliche Güter den Armen gibt, wird in Bezug auf die himmlischen Schätze reicher werden. Zweitens Vertheidigung vor den Feinden. Der Prediger (17.) sagt: Das Almosen des Mannes ist wie ein Siegel, das er bei fich führt, weil der Lohn der Gerechtigkeit ewig dauert und die Gunst der Menschen und das ewige Leben wie den Augapfel bewahrt; - über den Schild des Mächtigen und die Lanze wird es gegen den Feind kämpfen. Dieß will sagen: Mehr vermag das Almosen gegen das Wurfgeschoß des Feindes, als die zeitlichen Waffen. Drittens die Verleugnung des gegenwärtigen Lebens, da der Apostel (1. Tim. 4.) sagt: Die Frömmigkeit nützt zu Allem, indem sie die Verheißung des gegenwärtigen und des künftigen Lebens hat.
In Bezug auf den zweiten Punkt ist zu bemerken, daß der Mensch durch das Almosen ein dreifaches geistiges Gut erlangt. Zuerst die Nachlassung der Sünden. Im Propheten Daniel (4.) heißt es: Zahle deine Sünden durch Almosen ein. Die Sprichwörter (16.) sagen: Durch Mitleiden und Wahrheit wird das Unrecht, nämlich jede Sünde losgekauft. Dieß will sagen, durch die Erbarmung wird das Unrecht der Sünder getilgt, indem man Almosen gibt und den Anderer verzeiht; durch Wahrheit d.h. durch Gerechtigkeit, wenn man sich selbst wegen der Sünden anklagt und Buße thut. Zweitens die Erhörung des Gebetes. Daher sagt der Prediger (29.): Verschließe das Almosen in den Schooß der Armen, und es wird für dich beten. Dieß will sagen: Das Almosen wird im Herzen verborgen durch gute Ermahnungen und guten
Rath. Drittens die Erhaltung der Gnade. Der Prediger (17.) sagt darum: Das Almosen des Mannes ist wie ein Siegel, das er bei sich trägt, und es bewahrt die Gnade des Menschen wie den Augapfel.
In Bezug auf den dritten Punkt ist zugleich zu bemerke,n daß der Mensch ein dreifaches ewiges Gut durch das Almosen gewinnt. Zuerst die Befreiung von dem ewigen Tode, wie Tobias (4.) sagt: Das Almosen befreit von jeder Sünde und vom Tode. Zweitens den Besitz des ewigen Lebens. So sagt der Apostel (1. Tim. 4.): Die Frömmigkeit ist zu Allem nützlich und hat die Verheißung des gegenwärtigen und künftigen Lebens. Drittens die Vermehrung der ewigen Belohnung. Darum spricht der Apostel (2. Cor. 9.): Wer sparsam säet wird auch sparsam ernten, und wer im Segen (reichlich) säet, im Segen auch ernten, nämlich das ewige Leben, wozu uns der Herr führen wolle. Amen
Zweite Rede
Ein Mann hielt ein großes Mahl Luc. 14, 16.
Unter diesem Mahle versteht man, wie die Heiligen sagen, die ewige Giückseligkeit. Dieses Mahl heißt aber aus drei Gründen groß; zuerst wegen der vielen Gäste, die es feiern; zweitens wegen der vielen Gerüchte die dort aufgesetzt werden; drittens wegen der Ewigkeit dieses Mahles.
Im ersten Falle heißt das Mahl auf dreifache Weise groß; zuerst in Bezug auf die, welche es geben. Diese sind der Vater, der Sohn und der heilige Geist; weil aber alle drei unermeßlich sind, so ist auch das Mahl unermeßlich. Darum sagt Isaias (25.): Der Herr dere Heerfchaaren bereitet allen Völkern auf diesem Berge ein Mahl von fetten Speisen, ein Mahl von Wein, von markigem Fett, von geläutertem Wein. Im Buche Esther (1.) heißt es: Im dritten Jahre seiner Regierung hielt der König Assuerus allen seinen Dienern und Vornehmen eine Mahlzeit. Zweitens in Rücksicht auf die Dienenden, welche tausend mal tausend sind. Daniel (7.) sagt: Tausendmal tausend dienten ihm. Drittens in Bezug auf die Gäste deren Zahl zehntausendmal hunderttausend ist, wie es bei Daniel (8.) heißt: Und zehntausendmal hunderttausend standen vor ihm.
Im zweiten Falle heißt jenes Mahl groß, weil dort tausendmal tausend Gerüchte sein werden. Die Gerüchte im ewigen Leben sind die Freuden; und weil dort tausendmal tausend Freuden sind, werden auch tausendmal tausend Gerüchte dort sein. Wir können aber hier drei große Gerüchte anführen. Das erste wird sein die Freude über die Abwesenheit aller Uebel; das zweite die Freude über die Anwesenheit von allen Gütern. Von beiden heißt es (Deuter. 8.): Dort wirst du ohne einen Mangel die Fülle aller Güter genießen. Isaias (35.) sagt: Freude und Wonne werden sie erlangen, und Schmerz und Seufzen wird fliehen. Das dritte die beständige Freude über das göttliche Lob. Daher sagt der Psalmist (83.): Selig, die in deinem Hause wohnen, o Herr, in alle Ewigkeit werden sie dich loben .Von den drei Freuden spricht der heilige Augustin in der Stadt Gottes: O wie groß wird dort die Glückseligkeit sein, wo kein Uebel vorhanden, kein Gut verborgen ist und man der innern Lobpreisung sich hingibt und Gott Alles in Allem sein wird.
Im dritten Falle heißt jenes Mahl in dreifacher Hinsicht groß. Zuerst weil es sich niemals endigt. Christus sagt zu seinen Jüngern (Joh. 16.) Euere Freude wird euch Niemand rauben. Denn speisen heißt sich freuen. Zweitens, weil man nie zu speisen aufhört. Die Offenbarung (4.) sagt: Sie haben keine Ruhe und rufen Tag und Nacht: Heilig, heilig, heilig ist Gott, der Herr, der Allmächtige, der da war, und der da ist, und der da kommen wird. Lobpreisen ist hier so viel als speisen. Drittens heißt es ganz, weil es zumal ganz genossen wird. Boethius nennt die Ewigkeit einen zumal vollkommenen Besitz des ewigen Lebens. Selig sagt die Offenbarung (19.) die da zum Hochzeitmahle des Lammes gerufen sind. Dazu möge uns Jesus Christus führen. Amen.
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