Katharina, eine Jungfrau aus Siena, wurde von frommen Eltern geboren.
Sie erbat sich das Kleid des heiligen Dominikus, wie es die
Bußschwestern tragen. Gewaltig war ihre Abtötung und staunenswert ihre
Lebensstrenge. Einmal fastete sie vom Aschermittwoch bis Christi
Himmelfahrt und nährte sich nur von der heiligen Kommunion. Mit den
Dämonen hatte sie häufig zu kämpfen und wurde von ihnen viel belästigt.
Ebenso wurde sie viel von heftigem Fieber und anderen schmerzlichen
Krankheiten heimgesucht. Katharinas Name aber war gefeiert und wurde nur
mit Ehrfurcht genannt. Von allen Seiten strömten Kranke und Besessene
zu ihr. In Christi Namen gebot sie den Krankheiten und dem Fieber und zwang die Teufel, aus den Besessenen auszufahren. Als sie zu Pisa weilte, geriet sie einmal am Sonntag nach Empfang der
heiligen Himmelsspeise in Verzückung und sah, wie der gekreuzigte
Heiland, von großem Lichtglanz umflossen, ihr nahte; von den Narben
seiner Wunden aus gingen fünf Strahlen herab auf fünf Stellen ihres
Körpers. Sie merkte, um was es sich handelte, und bat sogleich den
Herrn, die Wundmale möchten doch nicht sichtbar werden. Sofort
vertauschten auch die Strahlen ihre blutrote Farbe mit leuchtendem Weiß
und wie reine Lichtstrahlen drangen sie in ihre Hände, in die Füße und
ins Herz. Der Schmerz, den sie dabei empfand, war so groß, daß sie
meinte, wenn Gott ihn nicht gemildert hätte, hätte sie bald sterben
müssen. Zu dieser Gnade gab ihr der gütige Herr also noch eine zweite,
daß sie an den Wundmalen die Schmerzen empfand, ohne daß sich nach außen
die blutigen Spuren zeigten. Die Dienerin Gottes teilte dies ihrem
Beichtvater Raymund mit. Der fromme Eifer der Gläubigen brachte darum,
um es auch sichtbar darzustellen, auf den Bildern der heiligen Katharina
die zu den fünf oben erwähnten Stellen dringenden Strahlen an. Ihre Weisheit hatte sie nicht erworben, sondern war ihr von Gott
eingegeben. Den Gelehrten gab sie auf die schwierigsten Fragen über die
göttlichen Dinge Antwort. Niemend kam zu ihr, der nicht gebessert
wegging. Viele Gehässigkeiten erstickte sie und tödliche Feindschaften
legte sie bei. Um Florenz, das mit der Kirche entzweit und mit dem
Interdikt belegt war, den Frieden zu bringen, reiste sie nach Avignon
zum Papst Gregor XI. Ihm sagte sie auch, sie habe von Gott erfahren, daß
er vorhabe, nach Rom zurückzukehren; sein Vorhaben konnte auch nur Gott
bekannt sein. Auf ihren Rat hin entschloß sich der Papst auch wirklich,
auf seinen Sitz nach Rom zurückzukehren, und er führte den Entschluß auch
aus. Bei dem genannten Gregor und seinem Nachfolger Urban VI. stand sie
in hoher Gunst; in ihrem Auftrag machte sie verschiedene Reisen. Sie
war mit der Gabe der Weissagung ausgestattet und durch viele Wunder
verherrlicht. Nach zahllosen Beweisen ihrer Tugend ging sie, etwa 33
Jahre alt, zum ewigen Bräutigam ein. Papst Pius II. nahm sie in die Zahl
der heiligen Jungfrauen auf.
aus dem Deutschen Brevier übersetzt von Dr. Johann Schenk 1937
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