Fünftes Hauptstück.
Von der Christlichen Gerechtigkeit
Von den sieben Hauptsünden
I. Welche Sünden sind vorzüglich zu merken?II. Wie viel giebt es solche Hauptsünden?
Sieben, die also aufgezählt werden: Hoffahrt, Geiz, Unkeuschheit, Neid, Fraß und Füllereyen, Zorn, Trägheit. Wie man aber diese Sünden allezeit äußerst hassen und fliehen soll, eben so soll man sich der sieben Tugenden, welche diesen Sünden entgegen gesetzt sind mit größtem Eifer und reiner Liebe befleißen, wenn wir uns anders um das Leben der Seele bewerben.
Der Hoffart ist die Demuth(a) entgegen gesetzt, dem Geize die Freigebigkeit (b), der Unkeuschheit die Keuschheit (c), wider den Neid streiet die Liebe (d), der Füllerey ist der Abbruch (e) entgegengesetzt, dem Zorn die Geduld (f), end lich der Trägheit widersteht die Andacht (g), oder ein gottseliger Fleiß und eine emsige Gottseligkeit.
III. Was ist die Hoffart und was erzeuget sie?
Die Hoffart ist eine unordentliche Begierde andere zu übertreffen, sey sie dann innerlich im Gemüthe verborgen, oder zeige sie sich auch äußerlich.
Diese ist die Mutter, die Fürstin (b) und Königin aller Sünden, welche vorzüglich diese unglücklichen Früchte hervorbringt: (a) Ungehorsam, Ruhmredigkeit, Gleißnerey, Streit, Hartnäckigkeit, Zwietracht, Vorwitz.
Damit man sich aber vor diesem größten Laster hüte, so ermahnet Tobias auf diese Weise: (d) Hoffart laß weder in deinem Sinne, noch in deinem Worte herrschen; denn in ihr (e) hat alles Verderben seine Anfang genommen.
Daher auch jene apostolische Lehre: (f) Gott widersteht den Hoffärtigen, den Demüthigen aber giebt er Gnade. Ja, wenn wir dem Jesus Sirach glauben, so (g) ist Hoffart Gott und den Menschen verhaßt. Gott hat die stolzen Völker bis auf die Wurzel ausgerottet, und statt ihrer demüthige gepflanzt. Was erhebst du dich also stolz, Erde und Asche?
IV. Was ist der Geiz und was erzeugt er?
Der Geiz (a) ist eine unordentliche Begierde zu haben. Den ganz recht wird derjenige für einen Geizigen gehalten, welcher fremdes Gut nicht nur an sich reißt, sondern auch begehrt, oder sein eigenes gierig behält.
Die Töchter (b) dieser schlimmste Mutter sind Verrätherey, Betrug, Uebervortheilung, Meineid, Unruhe, Gewaltthätigkeit, Unbarmherzigkeit oder Unmenschlichkeit, und Härte des Herzens. Dieses Laster verdammt der Apostel, da er es einen Götzendienst (c) genannt hat, und überdieß so schreibt: (d) Die da reich werden wollen, fallen in Versuchung und in den Strickdes Teufels, und in viele, sowohl unnütze, als schändliche Begierden, welche die Menschen in das Verderben und in die Verdammniß bringen. Denn der Geiz ist eine Wurzel alles Uebels.
Und an einem andern Orte lesen wir geschrieben: (e) Nichts ist schändlicher, als ein Geiziger. Ferne: Nichts ist sündhafter als das Geld lieben. Denn ein solcher hat auch seine Seele feil. Und Christus selbst bezeugt es: (f) Ihr könnet nicht Gott dienen und dem Mammon. Und wiederum: Sorget nicht für den morgigen Tag.
Solches giebt St. Paulus noch deutlicher, indem er so ermahnt: (g) Euer Wandel sey ohne Geiz. Seyd mit dem zufrieden was da ist. Denn Er selbst hat gesagt: Ich will dich nicht verlassen, noch von dir weichen, so, daß wir Mit gutem Vertrauen sagen können: der Herr ist mein Helfer. (h) Wenn wir Nahrung haben und womit wir uns bedecken, so lasset uns damit zufrieden seyn.
V. Was ist Unkeuschheit nnd welche Flüchte erzeugt sie?
Die Unkeuschheit (a) ist eine unordentliche Begoerde der unreinen und geilen Wollust. Sie (b) erzeugt aber Blindheit des Geistes, Unbedachtsamkeit, Unbeständigkeit, Unbesonnenheit, Eigenliebe, Haß Gottes, allzu Verlangen nach diesem Leben, Schrecken Todes, und des zukünftigen Gerichtes, Verzweiflung an der ewigen Seligkeit.
Wider die Sünde, welche die (c) Weisen zu Narren, und die Menschen beynahe zum Vieh macht, spricht St. Paulus so: (d) Fliehet die Hurerey, denn alle Sünde der Mensch thut, ist ausser dem Leibe; wer aber Hurerey treibt, der sündiget an seinem Leibe. Darum schreibt er auch an einen andern Orte auf diese Weise: (e) Hurerey und alle Unreinigkeit, oder Geiz soll unter euch nicht genannt werden, wie es sich auf Heilige gebührt, noch auch schändliche Reden, dummes Geschwätz oder unanständige Possen, sondern vielmehr Danksagung.
Und man muß sich wahrlich wundern, Christen nicht mit (f) großerSchamröthe üherzogen werden, welche vor Gott und seinen Engeln mit schändlicher Wollust sich beflecken, da sie in der Taufe ihre Leiber und Glieder dem heiligen Geiste und Christus dem Herrn als reine (g) Tempel geheiliget haben.
Daher spricht der heil Paulus wiederum: (h) Wisset ihr nicht, daß eure Glieder ein Tempel sind des heiligen Geistes, der in euch ist, den ihr von Gott habet, und daß ihr nicht euer eigen seyd? Dann wiederum: (i) Wisset ihr nicht, daß eure Leiber Glieder Christi sind? Sollte ich die Glieder Christi nehmen und Hurenglieder daraus machen? Und endlich schließt er so: (k) Ihr seyd theuer erkauft, verehret und traget Gott in eurem Leibe: (l) denn die Hurer und Ehebrecher wird Gott verdammen.
VI. Was ist der Neid, und was zeugt er?
Der Neid ist (a) eine Traurigkeit über das Gute eines Andern, und ein gehässiger Verdruß wegen eines Andern Glückseligkeit, hinsichtlich der Höhern, weil man diesen nicht gleich gemacht ist, und hinsichtlich der Niedern, aus Besorgniß, diese möchten ihnen noch gleich gemacht werden, und hinsichtlich derer, die gleichen Standes sind, weil diese ihnen gleich gemacht sind, wie St. Augustin (b) sagt. Der Neid aber erzeugt (c) Haß, Ohrenblasen, Ehrabschneidung, Freude über das Unglück Anderer, Betrübniß über das Glück derselben.
Man liest für gewiß, daß Kain seinen leiblichen Bruder Abel (d) und Saul den verordneten König und seinen Tochtermann (e) David beneidet habe. Dieses abscheuliche Laster (f), außerdem daß esohne alle Liebe und Menschlichkeit ist, macht die Menschen sogar den Teufeln ähnlich. Denn (g) durch Neid des Teufels, ist der Tod in die Welt eingegangen, und die auf seiner Seite sind, folgen ihm nach. Wohl ermahnt daher der Apostel: (h) Wir sollen nicht nach eitler Ehre begierig seyn, noch einander zum Zorne reizen, noch einander beneiden.
VII. Was ist Fraß und Füllerey und was erzeugt sie?
Fraß (a) und Füllerey ist eine unordentliche Begierde nach Speise und Trank. Sie (b) erzeugt unschickliche (c) Freude, Geschwätzigkeit, Leichtfertigkeit, (d) Unstätigkeit, Blödigkeit der Sinne und des Verstandes.
Was ist auch schändlicher, als daß der Mensch von den wilden Thieren, die mit einer gewissen natürlichen Mäßigkeit zufrieden sind, übertroffen werde, indem er gleichsam ein Leibeigner des Bauches, der Trunkenheit und Füllerey ist, indem er seine Güter verschwende, die Gesundheit schwächt, Krankheiten sich zu zieht, und endlich selbst das Leben sich abkürzt und mit Gewalt raubt? - Denn wahr ist jener Spruch: (e) Wegen des Trunkes sind viele gestorben; wer aber mäßig ist, wird sein Leben verlängern. Ferner: (f) Von vielem Essen wird man krank.
Daher befiehlt Christus: (g) Hütet euch, daß eure Herzen nicht etwa beschweret werden mit Fraß und Trunkenheit.
Uebrigens mahnt uns St. Paulus von der Trunkenheit ab, indem er spricht: (h) Saufet euch nicht mit Wein voll, in welchem Geilheit ist. (i) Die Trunkenbolde werden das Reich Gottes nicht besitzen; wie denn auch der Prophet die Säufer ernstlich bedrohet, indem er spricht; (k) Wehe euch, die lhr Helden im Weinsaufen, und tapfere Männer im Mischen berauschender Getränke seyd!
VIII. Was ist der Zorn und welche Früchte zeugt er?
Der Zorn ist eine unmäßige Begierde, an dem sich zu rächen, von welchem man sich beleidiget glaubt. Von ihm (a) kommen die abscheulichen Früchte: Zank, Erhitzung, Schmähung, Geschrey, Widerwille und Gotteslästerung.
Dieses (b) ist das schädliche Gift des Herzens, das all Kraft des Urtheiles und der Klugheit und die Gesundheit des Gemüthes, oft auch des Leibes schwächt.
Deßwegen ermahnte der Prediger: (c) Sey nicht schnell zum Zorne; denn der Zorn ruhet in dem Schooße des Narren. Und der Völkerlehrer geboth: (d) Alle Bitterkeit, und Zorn, und Grimm, und Geschrey, und Lästerung, sey ferne von euch sammt aller Bosheit. Seyd aber unter einander freundlich., barmherzig und vergebet einander. gleichwie in Christus euch vergeben hat.
Uebrigens ist der Ausspruch Christi wider die Zornigen, Zank- und Schmähsüchtigen schon bekannt und sehr zu fürchten: (e) Ein Jeder der wider seinen Bruder zürnet, der wird des Gerichtes schuldig, wer aber zu seinem Bruder sagt: Nacha! der wird des Rathes schuldig; wer aber sagt: Narr! der wird des höllischen Feuers schuldig.
IX. Was ist die Trägheit und was erzeugt sie?
Die Trägheit ist Schwäche eines nachläßigen Gemüthes Gutes zu wirken, vorzüglich aber ist sie Ueberdruß an geistlichen Dingen. (a) Sie erzeugt Bosheit, Unmuth, Kleinmuthikeit, Verzweiflung, Faulheit in Haltung der notwendigen Gebothe,und Ausschweifung des Gemüthes in ungebührliche Sachen.
Dieser Sünde sind die (b) müßigen faulen und die die Schrift (c) laue Menschen nennt, und endlich alle diejenigen unterworfen, welche diese Zeit der Gnade und den Tag des Heiles mit eiteln Dingen und Streben hinbringen. Das Ende aber dieser Sünde ist jenes, welches Christus im Evangelium lehrt: (d) Jeder Baum der nicht eine gute Frucht bringt wird abgehauen und in das Feuer geworfen. Dann an einem andern Orte: (e) Den unnützen Knecht werfet in die äußerste Finsterniß. Auch schwieg Er nicht über das, was Er unterdessen von uns gethan wissen wollte, damit wir nicht erschlaffen; Er spricht:(f) Sehet zu, wachet und bethet, denn ihr wisset nicht, wann es Zeit ist. (g) Ringet, daß ihr durch die enge Pforte eingehet, denn viele sage ich euch, werden suchen einzugehen, und werden es nicht können.
Solches haben wir in Kürze abgehandelt, damit dieienigen welche mit dem Wege der Gerechtigkeit zu wenig bekannt sind, die vorzüglichen Gebrechen des menschlichen Geschlechtes und die abscheuliche Pest, die wir gezeigt haben, nicht nur erkennen und wahrnehmen, sondern auch nach der VBorschrift des göttlichen Gesetzes von sich und andern zu vertreiben, und gänzlich abzuhalten sich bemühen. (h) Selig aber der Mann, welcher nicht abweicht in den Rath der Gottlosen, und nicht steht auf dem Wege der Sünder, und nicht sitzet auf dem Stuhle der giftigen Spötter, wie der königliche Psalmist singt, um den ersten Theil der Gerechtigkeit und Glückseligkeit mit seinem ersten Gesange zu erweisen.
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