Donnerstag, 11. Mai 2017

20. Sonntag nach Pfingsten - Hl. Papst Gregor aus dem Brevier

Lesung 7-9
Joh. 4, 46-53
Auslegung des hl. Papstes Gregor

Liebe Brüder! Die Lesung des heiligen Evangeliums, die ihr eben vernommen habt, bedarf keiner Auslegung. Damit es aber nicht den Anschein habe, als wollten wir sie stillschweigend übergehen, darum wollen wir lieber eine Ermahnung als eine Erklärung daran knüpfen. Nur die eine Frage finde ich allenfalls einer Erörterung wert, warum dieser königliche Beamte, der mit der Bitte um Heilung seines Sohnes gekommen war, hören musste: Wenn ihr nicht Zeichen und Wunder seht, so glaubt ihr nicht. Da er um die Heilung seines Sohnes bat, hatte er doch sicherlich Glauben, denn er würde ihn gewiss nicht um Heilung bitten, wenn er ihn nicht für den Heiland halten würde. Warum wurde ihm also gesagt: Wenn ihr nicht Zeichen und Wunder seht, so glaubt ihr nicht. Er glaubte doch schon, bevor er Wunderzeichen sah. Allein überlegt einmal, um was er bat, und ihr werdet deutlich erkennen, daß sein Glaube noch schwankend war. Denn er bat darum, daß der Heiland hinabkomme und seinen Sohn heile. Er verlangte also nach der leiblichen Gegenwart des Herrn, der doch geistigerweise überall zugegen ist. Sein Glaube war also noch unvollkommen; denn er meinte, der Herr könne nur, wenn er auch dem Leibe nach gegenwärtig sei, eine Heilung wirken. Wäre sein Glaube vollkommen gewesen, so hätte er ohne Zweifel wissen müssen, daß es keinen Ort gibt, wo Gott nicht gegenwärtig ist. Er war also zu einem großen Teil noch ungläubig, da er die Wunderkraft nicht der Majestät des Herrn, sondern seiner leiblichen Gegenwart zuschrieb. Er bat um die Heilung seines Sohnes, und doch war sein Glaube noch schwankend; er glaubte zwar, der Herr, zu dem er geeilt war, habe die Macht, Heilung zu wirken, meinte aber, er sei nicht bei seinem sterbenden Sohne. Aber der Herr, den er bat, hinzukommen, zeigte ihm, daß er schon dort war, wohin er eingeladen wurde; durch ein einziges Wort gab er ihm die Gesundheit wieder, so wie er durch seinen bloßen Willen alles erschaffen hatte.
(aus dem Deutschen Brevier übersetzt von Dr. Johann Schenk 1937)

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