Montag, 13. Februar 2017

Palmsonntag - Papst Leo aus dem Brevier

4.-6. Lesung
Predigt des hl. Papstes Leo

Geliebteste! Die von uns ersehnte und der ganzen Welt willkommene Festfeier des Leidens unseres Herrn ist da. Bei solcher geistigen Freude und Wonne dürfen wir nicht schweigen. Zwar ist es schwer, über dasselbe Festgeheimnis öfter würdig und angemessen zu sprechen. Allein dem Priester ist es nicht gestattet, angesicht dieses erhabenen Geheimnis göttlichen Erbarmens dem gläubigen Volke die gebührende Predigt vorzuenthalten. Der Gegenstand selbst gibt ja, gerade weil er mit Worten nie entsprechen dargestellt werden kann, Stoff genug zum Reden.Es kann einem auch nicht an Worten mangeln, wo man nie genug sagen kann. Mag also die menschliche Schwachheit ohnmächtig sein gegenüber der Herrlichkeit Gottes, mag sie immer wieder fühlen, daß sie unfähig ist, die Erbarmungen des Herrn zu schildern, mögen unsere Sinne ermatten, mag unser Verstand versagen, mag unsere Rede stocken: es ist gut, wenn wir merken, daß alles, was wir über die gewaltige Größe des Herrn denken können, auch wenn es richtig ist, viel zu wenig ist. Der Prophet sagt: Suchet den Herrn und werdet stark; suchet sein Angesicht alle Zeit! Daher darf nie einer die Verwegenheit haben zu glauben, er habe alles gefunden, was er sucht, damit er nicht aufhört, sich immer mehr ihm zu nahen, indem er nicht weiter voranschreiten will. Was aber unter allen Werken Gottes, die der Mensch mit Mühe betrachtet und bewundert, erfreut und übersteigt sogleich so sehr unseren Geist als das Leiden unseres Erlösers? Um das Menschengeschlecht von den Fesseln der todbringenden Sünde zu erlösen, hat er dem wütenden Teufel seine Macht und Majestät verborgen und ihm unsere schwache, niedrige Natut entgegengesetzt. Denn hätte der grimmige, stolze Feind den Plan der göttlichen Erbarmung erkannt, dann hätte er sich eher bemüht, die Gemüter der Juden zur Sanftmut zu stimmen, als sie zum schlimmen Hasse aufzureizen. Er wollte doch nicht die Herrschaft über alle ihm verfallenen verlieren, da er dem einen die Freiheit raubte, der ihm nichts schuldig war. So ward also Satan durch seine eigene Bosheit betrogen; er brachte dem Sohn Gottes den Tod, der allen Menschenkindern zum Rettungsmittel werden sollte. Er vergoß das Blut des Gerechten, das der Lösepreis und das Opferblut für die Erlösung der Welt werden sollte. Der Herr nahm auf sich, was er nach dem Ratschlusse seines Willen sich gewählt hatte. Er ließ die Hände der Gottlosen gegen sich wüten; während sie selbst ein schweres Verbrechen begingen, dienten sie dem Erlöser. Seine Güte, selbst gegen seine Mörder, war so groß, daß er am Kreuze seinen Vater nicht um Rache für sich bat, sonder um Verzeihung für jene.
(aus dem Deutschen Brevier übersetzt von Dr. Johann Schenk 1937

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