Sonntag, 12. Februar 2017

Sonntag Sexagesima - Hl. Papst Gregor aus dem Brevier

Lesung 7-9

Luk. 8, 4-15
Auslegung des hl. Papstes Gregor

Geliebteste Brüder, die Lesung des heiligen Evangeliums, die ihr soeben vernommen habt, bedarf keiner Auslegung mehr, sondern verlangt nur eine Ermahnung. Denn das, was die ewige Wahrheit mit eigenen Worten erklärt hat, weiter zu entwickeln, das darf ein schwacher Mensch sich nicht unterstehen. Doch findet sich in dieser Erklärung des Herrn etwas, was wir ernstlich erwähnen müssen. Wenn ich euch sagen würde, der Same bedeutet das Wort, der Acker die Welt, die Vögel, den Teufel, die Dornen den Reichtum, so würdet ihr vielleicht Bedenken tragen, mir Glauben zu schenken. Deswegen eben würdigte sich der Herr, selbst das zu erklären, was er sagte, damit ihr es lernet, die wahre Bedeutung der Dinge auch in dem zu suchen, was er nicht selbst auslegen wollte. Durch die Auslegung dessen, was er gesagt hatte, gibt er also zu erkennen, daß er gleichnisweise gesprochen hatte. Zugleich gibt er auch uns eine gewissen Sicherheit, wenn wir euch den bildlichen Sinn seiner Worte nach unseren schwachen Kräften erklären. Wer würde mir je glauben, wenn ich unter den Dornen den Reichtum verstehen wollte, zumal, da jene stechen, dieser aber Freude macht? Und dennoch ist er ein Dorn, weil er durch marternde Sorgen das Herz peinigt und es sogar zur Sünde verleitet und dadurch tödlich verwundet. Darum hat ihn auch der Herr an dieser Stelle, wie ein anderer Evangelist bezeugt, nicht Reichtum schlechthin, sondern trügerischen Reichtum genannt. Trügerisch ist er, weil wir ihn nicht lange besitzen können; trügerisch, weil er die Sehnsucht unseres Herzens nicht zu stillen vermag. Die wahren Güter sind einzig die, welche uns an Tugenden reich machen. Wollt ihr also, geliebteste Brüder, wirklich reich werden, dann liebt die wahren Reichtümer. Sucht ihr den Gipfel wahrer Ehre, dann trachtet nach dem Himmelreich; strebt ihr nach echtem Ruhme und wahren Würden, dann sorgt, daß ihr bald dem himmlischen Hofstaat der Engel einverleibt werdet. Die Worte des Herrn, die ihr mit dem Ohr vernehmt, bewahret im Herzen! Denn des Geistes Speise ist das Wort Gottes. Wenn das vernommene Wort nicht im Gedächnis behalten wird, dann ist es genau so, wie wenn die aufgenommene Speise von einem kranken Magen wieder zurückgegeben wird. Wer aber keine Speise mehr behalten kann, dessen Leben darf man wirklich aufgeben.
aus dem Deutschen Brevier übersetzt von Dr. Johann Schenk 1937

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