Dienstag, 7. Februar 2017

3. Fastensonntag - hl. Ambrosius aus dem Brevier

Lesung 4-6

Aus dem Buch des hl. Bischofs Ambrosius über den hl. Joseph

Das Leben der Heiligen ist für die anderen ein Vorbild. Dazu haben wir ja eine Reihe von Schriften bekommen, von denen wir auch schon ausführlicher gehandelt haben, daß wir sie lesen und dabei Abraham, Isaak, Jakob und die anderen Gerechten dabei kennenlernen und sie nachahmen und so selbst den Pfad der Heiligkeit wandeln, der in ihren Tugenden sich uns erschließt. Da ich die genannten schon öfters behandelt habe, so wollen wir heute die Lebensgeschichte des heiligen Josephs vornehmen. Dieser Mann besaß zwar viele Tugenden, doch ganz besonders leuchtete in ihm die Zierde der Keuschheit. Nachdem ihr also bei Abraham eine rückhaltlose, vertrauensvolle hingabe, bei Isaak eine lautere, aufrichtige Gesinnung, bei Jakob eine einzigartige Geduld im Leiden gesehen habt, ist es gut, wenn ihr jetzt euer Augenmerk von diesen mehr allgemeinen Tugenden auf die einzelnen Tugenden im besonderen hinwendet. So soll uns denn der hl. Joseph als Spiegel der Keuschheit vor Augen stehen. Aus seinem Verhalten, aus seinem Handeln leuchtet Schamhaftigkeit, und als Begleiterin der Keuschheit glänzt eine reizende Liebenswürdigkeit. Deshalb wurde er von seinen Eltern auch mehr als seine Brüder geliebt. Doch das gab Veranlassung zum Neid. Das dürfen wir hier nicht unerwähnt lassen; denn daraus erklärt sich seine ganze spätere Geschichte. Zugleich können wir daraus ersehen, daß ein vollkommener Mann sich nicht leiten läßt von der Begierde, den zugefügten Schmerz zu rächen und Böses mit Bösem zu vergelten. Darum sagt auch David: Ich habe meinen Feinden ihr Böses nicht vergolten. Wie hätte Joseph verdient, den übrigen vorgezogen zu werden, wenn er die, die ihm wehgetan auch wieder schlecht behandelt oder nur die geliebt hätte, die ihn liebten? So handeln ja die meisten Menschen. Aber das verdient Bewunderung, wenn du deinen Feind liebst, so wie es der Heiland lehrt. Mit Recht müssen wir also den bewundern, der das schon vor der Verkündung des Evangeliums tat, der Nachsicht übte, wenn er gekränkt wurde, der verzieh, als er beleidigt wurde, der das angetane Unrecht nicht vergalt, da er verkauft wurde, sondern Mißhandlungen mit Gnaden heimzahlte. Im Evangelium haben wir das alles auch gelernt, aber halten können wir es nicht. Lernen wir also den Neid der Heiligen und ahmen wir ihre Versöhnlichkeit nach! Bedenken wir, daß sie von Natur aus nicht besser, sondern nur pflichtbewusster waren; daß sie die Laster auch gekannt, aber an ihrer Heilung gearbeitet haben. Und wenn der Neid selbst heilige Seelen antreiben konnte, wieviel mehr müssen wir da auf der Hut sein, daß er nicht uns Sünder befalle!
(aus dem Deutschen Brevier übersetzt von Dr. Johann Schenk 1937)

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