Donnerstag, 5. Dezember 2013

Erster Sonntag nach Epiphanie - Predigt vom Hl. Thomas von Aquin

Zweite Rede 
Fortsetzung 

Damit ihr erprobet, was der gute. wohlgefällige und vollkommene Wille Gottes ist. Röm. 12, 2. 

Darin besteht die ganze Güte des Menschen, daß er sich dem göttlichen Willen gleichförmig macht. Und hier wird ein dreifacher Wille Gottes unterschieden; der gute, der wohlgefällige und der vollkommene. Man kann es auf verschiedene. aber vorzüglich auf dreifache Weise verstehen. Sittlich gut war der Wille Gottes bei der Schöpfung, wohlgefällig bei der Erlösung, vollkommen bei der Verherrlichung; gut, indem er die Güter der Natur, wohlgefällig, indem er die Güter der Gnade, vollkommen, indem er die Güter der Herrlichkeit verleiht. Von der ersten Art spricht die heilige Schrift (Offenb. 4.): "Würdig bist du, o Herr, die Herrlichkeit und die Ehre und die Kraft zu empfangen; denn du hast Alles geschaffen, und durch deinen Willen war es und wurde geschaffen." Denn es war im göttlichen Verstande früher, ehe es geschaffen wurde. Von der zweiten Weise spricht der Psalmist (29.): "Herr, in deinem Willen verleihest du meiner Zierde Kraft." Denn durch die Erlösung stellte er den göttlichen Glanz in uns wieder her, und kräftigte ihn in der Kraft des heiligen Geistes. Von der dritten Art des göttlichen Willens spricht das Evangelium (Joh. 12.): "Ich will, o Vater, daß wo ich bin, auch mein Diener ist, nämlich in der Glorie;" und der Psalmist (72.): "Durch deinen Willen leitetest du mich und mit Herrlichkeit empfingest du mich."

Auf die zweite Weise versteht man es so. Der Wille Gottes ist gut in unserer Reinigkeit von jedem Schmutze; wohlgefällig in dem Erweise der Erbarmung; vollkommen in dem Eifer der Liebe. Von der ersten Art heißt es (1 Thess. 4.): "Dieß ist der Wille Gottes, euere Heiligung," d.h. euere Reinigkeit. Von der zweiten heißt es (Matth. 9.); "Erbarmung will ich und nicht Opfer;" von der dritten (Luc. 12.): "Ich kam, Feuer auf die Erde zu senden, und was will ich, als daß es angezündet werde?" Unter dem Feuer versteht man die Liebe.
Auf die dritte Weise versteht man es so: Sein Wille ist gut in den Verheiratheten, wohlgefällig in den Enthaltsamen, vollkommen in den Vorgesetzen, welche nach Vollkommenheit streben. Denn der Wille Gottes bei den Verheiratheten ist, die Werke der Barmherzigkeit zu verrichten; in den Enthaltsamen, das Gut der Enthaltsamkeit zu üben; in den Vorgesetzten, für die Brüder das Leben zu lassen. Von dem ersten Willen kann man diese Worte des Psalmisten (42.) verstehen: "Lehre mich deinen Willen zu thun;" von dem zweiten die des Apostels (1. Thess. 4.): "Dieß ist der Wille Gottes, daß Jeder von euch seinen Leib in Heiligkeit und Ehrbarkeit zu besitzen verstehe," nämlich ferne von der Unreinigkeit, was vorzüglich durch die Enthaltsamkeit geschieht. Von dem dritten die Worte des Psalmes (102.): "Seine Diener, die seinen Willen vollziehen." Der Lohn jenes Willens ist das ewige Leben, und gemäß dem Psalmisten (29.): "Das Leben in seinem Willen,"  wozu uns Gott fiihren wolle.

Dritte Rede 

Ich und dein Vater suchten dich kummervoll. Luc. 2, 48.

In diesem Evangelium gilt Vieles buchstäblich, wie es sich von selbst versteht; aber mit jenen Worten werden wir ermahnt, Gott zu suchen, wozu wir häufig in der heiligen Schrift ermahnt werden. Es ist aber in Bezug auf diesfe Worte dreierlei zu bemerken; zuerst die Suchenden, zweitens die Art des Suchens, und drittens das Gesuchte. Das erste enthalten die Worte: Ich und der Vater; das zweite: Mit Schmerzen; und das dritte diese: Wir suchten dich.
Die Suchenden waren Maria und Joseph, unter welchen man die zwei Geschlechter von denen Gott gesucht wird versteht; er wird gesucht von den Betrachtenden in der Betrachtung, und von den Ausübenden in der Thätigkeit. Maria heißt erleuchtet, und bedeutet die Betrachtenden, welche in der Betrachtung göttliche Erleuchtungen empfangen. Joseph heißt Vermehrung, und bedeutet die Thuenden, welche die Werke der Barmherzigkeit vermehren müssen. Von diesen wird Gott gesucht. Von beiden spricht die Schrift (Ps. 104.): "Es freue sich das Herz derer, welche den Herrn suchen. Suchet den Herrn und seid standhaft." Das erste bezieht sich auf die Betrachtenden, welche in beständiger Freude sind; das zweite auf die Ausübenden, welche zuweilen großer Stärke und Standhaftigkeit bedürfen.
Oder man versteht unter Maria, welche der Meeresstern heißt, den Glauben, und unter Joseph die Vermehrung der Liebe. Der Glaube sucht Gott, als unsern Vater, die Liebe als unser höchstes Gut. Von beiden spricht das hohe Lied (5.): "Meine Seele zerschmolz, als der Geliebte redete. Ich suchte und fand nicht;" d.h. so viel er redet, so weit suchte ich ihn, denn der Glaube kommt vom Gehöre. Insoweit Liebe vorhanden ist, sucht die Liebe, welche den Liebenden mit dem Geliebten verbindet, wie der heilige Augustin sagt. Aber sucht man hier vollkommen durch die Liebe, so findet man nachher.
In Bezug auf die Art und Weise des Suchens ist zu bemerken, daß man auf siebenfache Weise suchen muß, wie man aus der heiligen Schrift beweisen kann. Zuerst mit der Reinheit des Herzens, daß wir von jeder Mackel der Sünde frei sind. Es heißt (1. Esdr. 6.): "Alle, welche sich von der Befleckung der Heiden der Erde absonderten, und Gott suchten." Zweitens mit der Lauterkeit der Absicht. Es heißt (Weish. 1.): "Suchet ihn in der Einfalt des Herzens." Drittens muß man Gott suchen aus ganzem Herzen, daß wir an ihn allein denken, viertens mit ganzem Willen, daß wir ihn allein wollen. Von beiden heißt es (1. Paralip. 15.): "In ihrem ganzen Herzen suchten sie den Herrn und fanden ihn." Fünftens ist er mit Eile zu suchen, ehe die Zeit vergeht, in welcher er gefunden werden kann. (Isaias 55.) sagt: "Suchet den Herrn so lange man ihn finden kann." Sechstens muß man ihn suchen mit Ausdauer ohne Aufhören, denn der Psalmist (104.) sagt: "Suchet immer sein Angesicht." Siebentens muß man ihn suchen mit dem Schmerze üiber die Sünden. Die Schrift sagt (Mich. 4.): "Habe Reue und Betrübniß, Tochter Sion, wie eine Gebärende, weil dich der Herr von der Hand deiner Feinde befreien wird," und wiederum (Luc. 2.): "Ich und dein Vater suchten dich mit Schmerzen."
In Bezug auf das dritte muß man bemerken, daß wir Gott suchen müssen; daher sagt er: Wir suchten dich. Man muß ihn aber aus vier Gründen suchen. Erstens weil er gerecht, zweitens weil er sanftmüthig, drittens weil er gut und viertens weil er das Leben ist. Er ist gerecht, daß er sich den Suchenden entgegengibt. Denn darin besteht seine Gerechtigkeit, weil Niemand sucht wie er suchen muß was er nicht findet. Er ist sanftmüthig, weil er die ihn Suchenden gütig aufnimmt. Von diesen beiden heißt es bei dem
Propheten (Soph. 2.): "Suchet Gott," und hierauf, "suchet den Gerechten, suchet den Sanftmüthigen." Er ist gut, daß er die ihn Suchenden verherrlicht und belohnt. Denn in den Klageliedern (3.) heißt es: "Gott ist der Herr denen, die auf ihn hoffen, der ihn suchenden Seele." Er ist das Leben, weil er die ihn Suchenden ewig leben macht." Der Psalmist (68.) sagt: "Suchet den Herrn, und euere Seele wird leben." Dazu möge uns Gott führen u.s.w.

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