Montag, 4. November 2013

Predigt vom Hl. Bonifatius - Von den beiden von Gott bestimmten Reichen

Elfte Rede 

Von den beiden von Gott bestimmten Reichen


 Gott hat zwei Reiche bestimmt, nämlich das der gegenwärtigen und das der zukünftigen Welt, und für beide eine Zeit anberaumt, und angeordnet, den Tag seines Gerichtes, welchen er selbst bestimmt hat, zu erwarten, an welchem eine Sichtung aller Dinge und Seelen vorgenommen werden soll, damit die Gottlosen für ihre Sünden dem ewigen Feuer übergeben werden, Diejenigen aber, welche nach dem Willen ihres Schöpfers und Gottes gelebt haben, für ihre guten Werke, nachdem sie den Segen empfangen, im klarsten Lichte strahlend in das ewige Leben eingehen und die ewigen Wohlthaten unaussprechlicher Güter empfangen. Jetzt, Brüder, sind bereits die Tage der heiligen und geistigen Reinigung der Seele da, an welchen einige Anstrengung des Körpers stattfindet, aber der Seele Gewinn erwächst, wie denn auch der Apostel sagt: Jetzt ist die
gnadenreiche Zeit, siehe, jetzt ist der Tag des Heils (II. Korinth. 6, 2.). Streben wir also, uns für Gott allein frei zu machen, verlassen wir die vorübergehenden Schätze der Welt und hängen wir Gott, dem gütigen Vater, an, indem der Psalmist mahnt und sagt: Macht euch frei und schauet, denn ich bin der Herr (Vgl. Ps. 45, 7.). Sich für den Herrn frei machen heißt also, seinem Lobe obliegen, die Last der Sünden durch die Buße abwerfen und sich zu Gott, dem Schöpfer, bekehren. Wollet die schlechten Christen nicht nachahmen, denn es giebt deren, was noch schlimmer ist, welche nach der Taufe viele Laster und Sünden begehen und das Heilmittel der Buße nicht suchen, sondern durch alle Felder der Laster mit verhängten Zügeln der Sünden über die Abhänge der Ueppigkeit der Hölle zustürzen und ohne jede Reue oder Besserung des Lebens zu dem Altare zu gehen und an dem Abendmale Theil zu nehmen wagen; ihr aber, die ihr getauft seid, hütet euch, solche Leute nachzuahmen, damit ihr nicht, wenn ihr sie etwa nachahmen wollt, mit ihnen durch die ewige Strafe verloren geht. Bewahrt in euch das Gnadenmittel der Taufe, flieht die Trunkenheit gleich dem Abgrunde der Hölle, fürchtet den Stolz, den Neid und die Eitelkeit gleich dem Schwerte des Teufels. Wollet nicht verläumden, denn es steht geschrieben: Wer seinen Bruder verläumdet, wird aus dem Lande der Lebendigen vertilgt werden (Vgl. 1. Jac. 4, l1.); wollet nicht lästern, weil, wie geschrieben steht, auch die Lästerer das Reich Gottes nicht besitzen werden (I. Korinth. 6, 10.); wollet kein falsches Zeugniß geben, weil geschrieben steht: Ein falscher Zeuge bleibt nicht ungestraft (Spr. Sal. 19, 9.); wollet nicht lügen, denn es steht geschrieben: Ein Mund, der lüget, tödtet die Seele (Weish. 1, l l.); wollet keinen Haß gegen einander hegen, denn es steht geschrieben: Wer seinen Bruder haßt, ist ein Menschenmörder (I. Joh. 3, l5.), weil Jeder welcher diese Bosheit hegt, das Gnadenmittel der Taufe verliert. Wollet in keinem Sinne einen Diebstahl begehen; wollet keinen Betrug verüben und meidet falsche Wagen und doppeltes Gewicht gleich tödtlichem Gifte. Kommt häufig zur Kirche und erweist euern Priestern Ehrfurcht und Liebe. Gebt von euerm Besitzthume den Zehnten und spendet nach euern Kräften Almosen. Nehmt keine Geschenke gegen Unschuldige an, sondern achtet, so oft ihr Rechtshändel anhört, auf Gott und erlaßt ein gerechtes Urtheil, damit ihr nicht etwa, indem ihr auf ungerechte Weise Geld erwerben wollt, der ewigen Strafe anheimfallt. Wer auf das Heil seiner Seele eifrig bedacht ist, fliehe so viel er vermag, Alles, wodurch sie Schaden leidet. Wer nämlich nur an dieses Leben denkt, gleicht den unvernünftigen Thieren, denn was verlangen die Thiere anderes, als zu essen, zu trinken und zu schlafen. Eben so verhält es sich mit dem, der mehr auf sein Fleisch als auf seine Seele bedacht ist, und der mehr den Fraß und die Ueppigkeit liebt, als die Keuschheit und die Gerechtigkeit. Ihr müßt wissen Geliebteste! daß wir deßhalb Christen geworden sind, um stets auf das künftige Leben und die ewige Seligkeit bedacht zu sein und mehr für unsere Seele als für unsern Körper zu arbeiten, weil sich unser Fleisch nur wenige Jahre in der Welt befindet, unsere Seele aber, wenn wir recht handeln, ohne Ende im Himmel herrschen wird. Unter ziehen wir uns also der Buße, Brüder! damit wir verdienen bei Gott Verzeihung für unsere Sünden zu finden. Thun wir ihm Abbitte, weil wir ihn erzürnt haben; demüthigen wir uns, damit er uns erhöhe, weinen wir, damit er uns mit Freude erfülle, trauern wir, damit er uns tröste, werfen wir von uns die böse Gewohnheit und ziehen wir gleich einem Kleide die Tugend des Geistes an, besonders wir, die wir uns eines englischen Wandels würdig gemacht haben (Durch die Beichte und den Empfang des Abendmals, welchem wohl die gegenwärtige Rede als Ermahnung folgte.), damit wir verdienen zur Gemeinschaft der Engel, wo das Böse nicht mehr zu unsern Ohren dringt, zu gelangen und jene glückselige und erwünschte Stimme zu hören, welche uns zuruft: Wohlan, du guter und getreuer Knecht, geh´ ein in die Freude deines Herrn (Matth. 25, 21. -) .Dieß gebe unser Herr Jesus Christus, welcher lebt und regiert von Ewigkeit zu Ewigkeit. Amen.
(Aus Sämmtliche Schriften des Heiligen Bonifacius des Apostel der Deutschen. Zweiter Band 1859)