Montag, 4. November 2013

Predigt, vom Hl. Bonifatius - Ermahnung über die vierzigtägige Fastenzeit

Zwölfte Rede 

Ermahnung über die vierzigtägige Fastenzeit 

1. Wir sind, geliebteste Brüder! dazu bestellt, euch den Weg eueres Heils zu zeigen, in so weit die göttliche Gnade sich würdigt, uns Einsicht zu verleihen. Wir ersuchen euch deßhalb, ihr wollet euch bemühen, die Gebote des Herrn mit aufmerksamem Sinne und frommer Ergebenheit fleißig zu jeder Stunde zu erfüllen, damit ihr in der göttlichen Liebe befestigt und durch keinerlei Versuchung von ihr getrennt werdet, sondern, indem ihr stets, was gut ist, thut, an Hoffnung durch die Kraft des heiligen Geistes überreich seid (Vgl. Röm. l5, l3.), und damit ihr durch dessen Gnade den Glauben, welchen ihr empfangen habt, und die Taufe zu bewahren vermöget vor dem Angesichte des höchsten Gottes und unseres Erlösers Jesus Christus, weil wir geschaffen sind zum Lobe des heiligen Namens Dessen, der uns geliebt und uns gewaschen hat von unsern Sünden mit seinem Blute (Offenb. l, 5.), und weil er den Tod für uns erduldet, um durch seinen Tod dem die Macht zu nehmen, der des Todes Gewalt hatte, nämlich dem Teufel (Hebr. 2, 14.), und, indem er das menschliche Geschlecht seiner Macht entriß, den Gläubigen das Himmelreich öffnete, wo die Getreuen das ewige Leben genießen, indem sie die größte Frucht des ewigen Lebens besitzen. Die größte Frucht ist der alleinige Gott der Spender des ewigen Lebens; laßt uns deßhalb unsern alleinigen Gott und Herrn anbeten und ihm allein dienen, damit er sich würdige, uns mit der herrlichsten Frucht zu belohnen. Fliehen wir Alles, was der Gewalt des Teufels unterliegt, damit wir, gestärkt durch die göttliche Kraft, den Sieg davon tragen gegen die alten Ränke desselben.

2. Wir müssen, geliebteste Brüder! stets die Barmherzigkeit unseres Herrn und Erlösers Jesus Christus mit aller Demuth preisen und uns mit frommem Vorsatze seinem Befehle unterwerfen, besonders aber mit gutem Willen und aufrichtiger Liebe in diesen heiligen Tagen, welche jetzt beginnen, unsere Seele und unsern Leib durch Fasten, Beten und Almosengeben der göttlichen Majestät empfehlen, weil unser Herr Jesus Christus, als er zu den Menschen kam, vierzig Tage und vierzig Nächte fastete und durchaus keine Speise zu sich nahm. Auch wir wollen uns, so viel wir können, bemühen, in der jährlichen Fastenzeit unser Fleisch durch Enthaltsamkeit abzutödten, weil es uns Noth thut, daß wir uns der unerlaubten Gedanken, Worte und Werke enthalten, indem wir nach den himmlischen und geistlichen Vorschriften leben. Durch das mosaische Gesetz ist dem ganzen Volke vorgeschrieben, den Zehnten und die Erstlinge Gott dem Herrn darzubringen (Vgl. Exod. 22, 29.); eben so müssen wir den Anfang unseres Willens und die Vollendung unserer Werke der Gnade Gottes darbringen und an unserm Leibe den Zehnten der Tage des Jahres jetzt in dieser heiligsten Zeit entrichten, weil dieß die Tage sind, welche dazu bestimmt wurden, um an ihnen Gott den Zehnten unseres Fleisches zu geben. Von dem gegenwärtigen Tage nämlich, geliebteste Brüder! sind, wie ihr wißt, bis zu den Ostern zweiundvierzig Tage (Zu der Zeit des Bonifatius wurden nämlich die vier Tage vor dem ersten Sonntage in der Fasten noch nicht als Fasttage betrachtet), an sechsunddreißig derselben fasten wir, an sechs aber, nämlich an den Sonntagen, genießen wir in Fröhlichkeit unsere Nahrung; da aber das Jahr dreihundertundsechzig Tage zählt (Damit soll keineswegs gesagt werden, daß das Jahr nur 360 Tage zähle, sondern es werden hier nur die 36 x lO Tage genommen, von welchen der Zehnte gegeben werden kann, der Rest von 5 Tagen wird nicht gezählt), so läßt sich die ganze Zeit des Jahres durch die Zahl von sechsunddreißig Tagen in zehn Theile theilen An diesen Tagen müssen wir nach der Kirche kommen und mit reinem Herzen und keuschem Körper im Angesichte der göttlichen Majestät demüthig den Ertrag unserer Werke darbringen, indem wir zu dem allmächtigen Gotte flehen, daß er sich würdige uns zu verzeihen, daß wir das ganze Jahr hindurch nachläßiger als es unsere Pflicht war gelebt haben. Beeilen wir uns also, geliebteste Brüder! indem wir dieß klug und getreulich überlegen, unsere Zuflucht zu den Heilmitteln der Buße zu nehmen und uns durch Keuschheit und durch die Werke der Gerechtigkeit und Barmherzigkeit bei Gott die ewigen Belohnungen zu erwerben. Wir sollen um so fleißiger diese Tage mit guten Handlungen hinbringen, weil die Fasten, wenn sie aus Liebe zu Gott und nicht aus eitler Ruhmsucht gehalten werden, bei Gott große Nachsicht gegen unsere Sünden erwirken.
3. Das Fasten ist nur dann vollkommen und vernünftig wenn unser Körper fastet, die Seele betet und das Gebet durch das Fasten leichter zum Himmel dringt, denn alsdann wird der Mensch geistig und kommt mit den Engeln in Verbindung, weil wir auf diese Weise die Laster niederkämpfen, das Fleisch demüthigen und die Versuchungen des Teufels überwinden. Wollet euere Seele nicht vernachläßigen, sondern laßt eben so wie ihr euerm Fleische, damit es nicht schwach wird, täglich Speise bietet, gute Werke die tägliche Nahrung eueres Sinnes sein Der Körper wird durch die Speise erhalten, der Geist durch das fromme Werk genährt; verweigert, was ihr dem sterblichen Fleische gewährt, der ewig lebenden Seele nicht. Das Leben des Körpers ist die Seele, das Leben der Seele ist Gott und wie der Körper todt ist ohne die Seele, so ist die Seele todt ohne Gott. Halten wir daher unsern Heiland Jesus Christus durch gute Werke im Herzen, damit er sich würdige, unsere Seele und unsern Körper zu erhalten. Es geziemt Jedem, Gott, unsern Herrn, aus ganzem Herzen, aus ganzem Gemüthe und mit aller Kraft zu lieben und den Nächsten wie sich selbst (Vgl. Matth. 22, 37. - 39.), und Keiner thue dem Andern, was er nicht will daß ihm geschehe (Vgl. Tob. 4, 16.). Seht deßhalb zu, Geliebteste! daß ihr euere Herzen reiniget und euere Körper kasteiet, damit ihr für würdig gehalten werdet, den heiligen Geist zu empfangen, dessen nicht sterbliche, sondern ewige geistige Wohnung ihr seid, wenn ihr recht glaubt und gut handelt.
4. Wachet, Brüder! in jedem guten Werke, behaltet im Gedächtnisse, was ihr bei der Verkündigung eueres Heils gehört habt, und thut, was geboten ist. Habt Christus im Herzen und das Zeichen des heiligen Kreuzes an der Stirne. Wir haben viele unsichtbare Feinde, welche unsern Wandel zu stören sich bemühen und die Schlingen ihrer Nachstellung auf unsere Wege legen, um uns, wenn wir uns in schädliche Lüste verstricken lassen, den Gang des Lebens abzuschneiden. Gegen diese bewaffnet euch mit dem Zeichen des Kreuzes Christi, denn die bösen Geister unsere Feinde, fliehen und fürchten dieses, weil sie durch dieses Zeichen verdammt, wir aber durch dasselbe befreit worden sind. Lassen wir dieses jedem Werke vorausgehen; dieses schütze uns, während wir schlafen, und waffne uns, während wir wachen, damit uns der nachstellende Feind, während wir schlafen oder wachen, nicht in irgend einer Beziehung schaden könne, denn auch unser König, das heißt, Jesus Christus, wird uns, wenn er uns bei jeder Betrübniß oder Furcht zu seinem Banner unsere Zuflucht nehmen sieht, sogleich mit der Rechten seiner Macht zum Lobe und zur Ehre seines heiligen Namens aus jeder Widerwärtigkeit erretten und uns beschützen, denn gelobt und verehrt muß werden der wahre Gott, welcher die auf ihn Hoffenden schirmt; zu ihm, geliebteste Brüder! laßt uns flehen, daß er uns hier beschützen und zum ewigen Leben führen wolle.
(Aus Sämmtliche Schriften des Heiligen Bonifacius des Apostel der Deutschen. Zweiter Band 1859)