Mittwoch, 13. November 2013

Fünfundzwanzigster Sonntag nach Pfingsten - Predigt vom Hl. Thomas von Aquin

Zweite Rede 

Als jene Menschen sahen, daß Jesus ein Wunder gewirkt hatte, sagten sie: dieser ist wahrhaftig der Prophet, der in die Welt kommen soll. Joh. 6, 14.

 Diese Worte enthalten dreierlei, zuerst die Macht Christi, weil er ein Wunder gewirkt hatte. Das Wunder aber, das er gewirkt hatte, war eine That von unendlicher Macht. Dionysius sagt: Das Wunder ist eine Offenbarung der Macht Gottes zum Besten. Zweitens die große Weisheit Christi. "Dieser ist wirklich ein Prophet." Das Amt eines Propheten, die Weissagung ist ein Act der unendlichen Weisheit. "Er wird einen Propheten von deinem Volke und deinen Brüdern, wie mich, auferwecken; den sollst du hören" (Deut. 18.). Drittens, die große Gerechtigkeit. "Welcher in die Welt kommen soll." Denn Christus wird in die Welt kommen, um sie in Gerechtigkeit zu richten, wie es im Psalme (9.) heißt: "Er wird den Erdkreis in Gerechtigkeit richten."

 In Bezug auf den ersten Punkt, so gibt es vier Wunderzeichen Christi. Das erste Zeichen war die Menschwerdung Christi, welche ein Zeichen der unendlichen Güte war. Jesaias (7.) sagt: "Darum wird euch Gott ein Zeichen geben. Sieh, die Jungfrau wird empfangen und einen Sohn gebären." Das zweite sind die Wunderwerke welche die unendliche Macht Gottes bezeugen. Johannes (20.) sagt: "Jesus wirkte zwar auch noch viele andere Wunder vor seinen Jüngern, die in diesem Buche nicht geschrieben sind. Diese aber sind geschrieben, daß ihr glaubet, daß Jesus ist Christus, der Sohn Gottes, daß ihr glaubend in seinem Namen das Leben habet." Das dritte Zeichen ist das Leiden. "Es fragten einige von den Schriftgelehrten und Pharisäern: Meister wir wollen von dir ein Zeichen sehen. Er antwortete ihnen: Das verkehrte und ehebrecherische Geschlecht verlangt ein Zeichen, und es wird ihm kein Zeichen gegeben werden, als das Zeichen des Propheten Jonas. Denn wie Jonas im Bauche des Wallfisches drei Tage und drei Nächte war, so wird auch der Menschensohn im Schooße der Erde drei Tage und drei Nächte sein." Das vierte ist seine Ankunft zum Gerichte. Isaias (18.) sagt: "Ihr Bewohner der Erde, die ihr auf der Erde weilet werdet sehen und ein großes Krachen höre."
In Bezug auf den zweiten Punkt ist zu bemerken, daß sich die Weisheit Christi in vier Punkten offenbart. Zuerst in seiner Lehre, d.h. in der Wahrheit. Es heißt (Matth. 22.): "Meister, wir wissen daß du wahrhaft bist und den Weg Gottes in Wahrheit lehrest." Zweitens in der Tiefe. In den Sprüchen (18.) steht geschrieben: "Tiefe Wasser sind die Worte aus des Mannes Munde und ein überströmender Fluß ist die Quelle der Weisheit." Im mystischen Sinne bezieht sich das tiefe Wasser auf das alte Testament, der züberfließende Strom auf das neue, und die Geheimnisse beider Testamente schließen Christus und seine Apostel auf. Die Werke der Weisen waschen die Seele und bewässern sie, damit sie nicht durch den Sündenschmutz entstellt bleiben oder vertrocknen. Und weil einiges geheimnißvoll verborgen ist, Anderes offen daliegt so heißt hier mit Recht das Wasser tief und der Strom überfließend. Drittens in der Einheit  wie Christus (Joh. 6.) sagt: "Die Worte die ich zu euch gesprochen habe, sind Geist und Leben." Viertens in der Ewigkeit. "Himmel und Erde werden vergehen, aber meine Worte werden nicht vergehen," spricht Christus (Luc. 27.).

In Bezug auf den dritten Punkt ist zu bemerken, daß Christus aus vier Gründen in die Welt kommt. Zuerst urn die Bösen zu verdammen. Jacobus sagt: "Sieh es kommt der Herr mit seinen Tausenden von Heiligen, Gericht zu halten über Alles und alle Gottlosen zu überführen." Zweitens um die Guten zu belohnen, wie die Offenbarung (22.) sagt: "Sieh ich komme schnell, und mein Lohn ist bei mir, Jedem nach seinen Werken zu vergelten." Drittens um die Welt durch das Feuer zu zerstören und zu erneuern, und Gott wird offenbar kommen - sagt der Psalmist (49.) -  unser Gott und nicht schweigen; Feuer wird in seinem Angesichte brennen." Viertens um allein in Ewigkeit zu regieren: denn jede Herrschaft wird aufhören, Christi Reich wird allein in Ewigkeit dauern. Der Prophet Daniel (7.) sagt: "Und ich sfchaute im Nachtgesicht, und sieh, es kam Einer in den Wolken des Himmels wie ein Menschensohn, und kam bis zu dem Altbetagten, und ward vor sein Angesicht gebracht. Und er gab ihm Gewalt und Ehre und das Reich, daß alle Völker, Geschlechter und Zungen ihm dienen. Seine Gewalt ist ewige Gewalt, die nicht genommen, und sein Reich ein Reich das nicht zerstört wird.

Dritte Rede

Und als er gedankt hatte, ließ er es den Umherliegenden austheilen. Joh. 6, 11.

Nach dem Beispiele Christi müssen wir für drei Wohlthaten Dank sagen. Zuerst für die leiblichen Wohlthaten, zweitens für die geistigen und  dritten für die ewigen. Für die leiblichen sollen wir auf dreifache Weife danken; zuerst weil er uns erschuf. Der Apostel (Eph. 5.) sagt: "Ich danke immer für Alles im Namen unseres Herrn Jesu Christi Gott und dem Vater." Gott heißt unser Vater durch die Schöpfung. Zweitens, weil er die Schöpfung erhält, indem er das Böse davon entfernt. Die Weisheit (18.) sagt: "Die vorher Schaden litten dankten, daß sie jetzt nicht mehr beschädigt wurden, und baten um die Gnade, daß der Unterschied noch ferner bleiben möchte. Darum erhielten sie eine brennende Feuersäule zum Führer auf dem unbekannten Wege." Drittens, weil er mit der leiblichen Speise nährt und stärkt. Der Apostel (1. Tim. 4.) sagt: "Der Geist aber sagt deutlich, daß in den letzten Zeiten Einige vom Glauben abfallen uud irreführenden Geistern und Teufelslehren Gehör geben werden, die mit Scheinheiligkeit Lügen reden, gebrandmarkt in ihrem eigenen Gewissen, die verbieten zu heirathen, und Speisen, zu genießen, welche Gott geschaffen hat, daß sie mit Danksagung genoffen werden von den Gläubigen und von denen, welche die Wahrheit erkannt haben. Denn Alles was Gott geschaffen hat ist gut, und nicht zn verwerfen, was mit Danksagung genossen wird; denn es wird geheiligt durch das Wort Gottes und das Gebet."

 Für die geistigen Wohlthaten müssen wir Gott gleichfalls aus drei Gründen danken. Zuerft weil er uns durch seine Gnade heiligt. Der Apostel (Col. 1.) sagt: "Wir danken Gott, dem Vater, der uns würdig machte, an dem Erbe der Heiligen im Lichte Antheil zu nehmen, der uns von der Gewalt der Finsterniß befreite und in das Reich des Sohnes seiner Liebe versetzte, in dem wir Erlösung von unsern Sünden haben." Zweitens, weil er uns durch sein Wort belehrt. "Wir danken Gott ohne Unterlaß - sagt der Apostel (1. Theff. 2.) - daß ihr, da ihr das Wort Gottes vernahmet, es nicht als Menschenwort, sondern wie es in der That ist, als das Wort Gottes aufgenommen habt, der in euch, die ihr glaubtet, wirkt." Drittens, weil er die Seele durch das heilige Abendmahl stärkt. Das Evangelium sagt (Luc. 22.): "Er nahm das Brod, dankte, brach es und gab es ihnen, und sagte: Nehmet und esset es, denn dieß ist mein Leib." Weil Christus uns seinen Leib gab, müssen wir diese unaussprechliche Speise mit Danksagung empfangen.

 Auch für die ewigen Wohlthaten müssen wir auf dreifache Weise danken. Zuerst für die Erlösung der Gerechten von dem ewigen Tode. Der Apostel sagt (Col. 1.): "Wir danken Gott, dem Vater, - der uns von der Macht der Finsterniß befreite." Zweitens für die gerechte Verdammung der Verworfenen. Drittens für die so hohe und so würdige Verherrlichung der Heiligen. Davon spricht die Offenbarung (4.): Es fielen die vierundzwanzig Aeltesten nieder vor dem, der auf dem Throne saß, und beteten an den, der da lebt in alle Ewigkeit, und legten ihre Kronen nieder vor dem Throne und sprachen: Würdig bist du, Herr, unser Gott, zu empfangen Preis und Ehre und Kraft; denn du hast alle Dinge geschaffen und durch deinen Willen wurden sie und sind sie geschaffen." Und wiederum (11.): "Sie beteten Gott an und sprachen: Wir danken dir, Herr, allmächtiger Gott, der du bist und der du warst, und der du kommen wirst, daß du deine große Kraft angenommen hast und herrschest. Und die Völker erzürnten, und es kam dein Zorn und die Zeit für die Todten, gerichtet zu werden, und den Lohn zu geben deinen Knechten, den Propheten und den Heiligen." Amen. 

(Aus dem Buch Des heiligen Thomas von Aquin, des englischen Lehrers, Predigten auf das ganze Kirchenjahr)