Donnerstag, 14. November 2013

1.Advent - Predigt vom Hl. Thomas von Aquin

Zweite Rede 


Der Tag aber hat sich genahet. Röm. 13, 12.

 Der Tag aber ist vierfach, nämlich der Tag der Erbarmung, der Tag der Gnade, der Tag des Gerichtes und der Tag der Herrlichkeit. Der erste Tag ist wunderbar, der zweite ist gnadenvoll, der dritte furchtbar, der vierte wünschenswerth. Der Tag der Erbarmung, d.h. der Geburtstag des Herrn ist wunderbar, weil Gott Mensch, der Mensch Gott, und die Jungfrau Mutter wird. Darum heißt es (Philipp. 2.) von Christus: "Welcher weil er in Gottes Gestalt war, es für keinen Raub hielt, Gott gleich zu sein, sondern sich selbst erniedrigte, Knechtsgestalt annahm, den Menschen ähnlich und wie ein Mensch erfunden wurde." Sodann steht geschrieben (Röm. 6.): "Von welcher Christus ist nach dein Fleische, welcher über Alles hochgepriesen ist, Gott in Ewigkeit. Amen." Von beiden sagt der heilige Augustin: "Heute wurde Gott Mensch, damit der Mensch Gott würde." Vom dritten sagt der Prophet Isaias (7. Kap.): "Sieh eine Jungfrau wird empfangen und einen Sohn gebären."


Der Tag der Gnade ist gnadenvoll, weil die Gnade Gottes reichlich ausgegossen, die Gewalt des Satans gebrochen und die Kraft der Sünde vertilgt wird, und daraus erhellt, daß der Mensch leicht und ohne Hinderniß Gott dienen kann. Vom ersten heißt es (Tit. 2.): "Es erschien die Gnade Gottes, unsers Erlösers;" vom zweiten (Hebr. 2.): "Damit er durch den Tod den vernichtete, welcher die Gewalt des Todes hat, d.h. den Teufel." Vom dritten steht geschrieben (Röm. 6.): "Unser alter Mensch ist gekreuzigt, damit der Leib der Sünde vernichtet würde."

Der Tag des Gerichtes ist für die Bösen fürchterlich, weil sie strenge vom gerechten Richter gerichtet, weil sie von jeder Kreatur angeklagt und mit der ewigen Verdamniß bestraft werden. Darum steht in Betreff des ersten geschrieben (Sprichw. 6.): "Der Eifer und der Zorn des Mannes verschont an dem Tage der Rache nicht;" in Betreff des zweiten (Weih. 5.): "Er wird die Kreatur zur Rache an den Feinden waffnen;" in Betreff des dritten (Judith. 16.): "Er wird sie heimsuchen und mit Feuer und Würmern ihr Fleisch bestrafen." und wiederum (Matth. 25.): "Und er wird zu denen sprechen, welche zu seiner linken stehen: Weichet von mir, Verfluchte in das ewige Feuer."

Der Tag der Herrlichkeit ist wünschenswerth, weil der Himmel erneuert, der Merrich glückselg und jede Kreatur mit Ausnahme der Gottlosen erneuert werden wird. In Betreff des ersten steht geschrieben (Eph. 1.): "Indem er vorherbestimmte, Alles wieder herzustellen, was im Himmel und was auf der Erde ist, in ihm, d.h. in Christus," und bei dem Psalmisten (109.): "Es richtet über die Völker und wird den Verfall anfüllen." In Betreff des zweiten heißt es (Phil. 3.): "Wir erwarten den Erlöser, unsern Herrn Jesus Christus, welcher umgestaltet den Leib unserer Niedrigkeit nach dem Leibe seiner Herrlichkeit." In Betreff des dritten (Offenb. 21.) "Und es sprach dies, der auf dem Throne saß: Sieh, ich mache Alles neu." Darum sehnen sich nach diesem Tag die Engel und Menschen, und alle Kreaturen, wozu uns der führen möge, welcher lebt in alle Ewigkeit. Amen.

Dritte Rede


 Lasst uns die Waffen des Lichtes anziehen. Röm. 13, 12.

Unser Herr Jesus Christus nahm seine Waffen und kam in die Welt, um für uns gegen die Mächte der Luft zu
kämpfen. Er umgab sich mit der Gerechtigkeit, wie mit dem Panzer (Isai. 59.) und weil es sich nicht geziemt, daß wenn der König bewaffnet ist, die Soldaten unbewaffnet sind, so ermahnt uns der Apostel, daß wir uns bewaffnen sollen. "Laßt uns anziehen," spricht er, "die Waffen des Lichtes." Der Apostel will aber damit dreierlei sagen, erstlich, daß wir anziehen, sodann, was wir anziehen sollen und endlich gibt er den Grund an; denn er sagt: "Laß uns anziehen die Waffen des Lichtes."

 Was das erste anlangt, so müssen wir uns aus fünf Gründen anziehen; erstens damit wir nicht beständigen Frost ertragen müssen; zweitens, damit wir nicht unsere Blöße zur Schau stellen; drittens damit wir nicht von der ewigen Hochzeit ausgeschlossen werden; viertens, daß wir vor den Hieben des Satans geschützt werden; fünftens, daß wir von den Heerschaaren des Herrn erkannt werden. Diese Gründe sind in jenem Worte enthalten; von dem ersten und zweiten Grunde sagt die Offenbarung Johannis (15.): "Selig, wer seine Kleider bewahrt, damit er nicht nackt wandle," - dieß ist der erste Grund - "und seine Schande und Häßlichkeit sehen" - und dieß ist der zweite Grund. - In Bezug auf den dritten heißt es (Matth. 22.): "Freund, wie bist du hieher gekommen, und hast kein hochzeitliches Kleid an?" In Bezug auf den vierten Grund sagt der Apostel (Eph. 6.): "Ergreifet die Waffenrüstung Gottes, daß ihr am schlimmen Tage widerstehen, und in Allem vollkommen sein könnet. Stehet also fest, umgürtet an euern Lenden mit der Wahrheit, und die Brust bedeckend mit dem Panzer der Gerechtigkeit, und gegürtet an den Füßen zum Dienste des Evangeliums des Friedens; ergreifet in Allem den Schild des Glaubens, und den Helm des Heiles, und das Schwert des Geistes, welches das Wort Gottes ist." In Betreff des fünften Grundes lesen wir (Col. 3.): "Ziehet an, Auserwählte Gottes, Heilige und Geliebte, herzliches Erbarmen, Güte, Demuth, Sanftmuth, Geduld."

In Betreff des zweiten Punktes ist zu wissen, daß die heilige Schrift uns Mehreres lehrt, was wir anziehen sollen. Nämlich zuerst das Kleid der Unschuld; denn es heißt (Offenb. 3.): "Weiße Kleider ziehen wir an, d.h. die Unschuld." Zweitens herzliches Erbarmen, wie der Apostel sagt (Col. 3.): "Ziehet an herzliches Erbarmen, Güte." Drittens die Aehnlichkeit mit Christus (Röm. 13.): "Ziehet an den Herrn Jesus Christus." Viertens den neuen Wandel, wie es im Briefe an die Ephesier (4. Kap.) heißt: "Ziehet den neuen Menschen an, d.h. den neuen Wandel." Fünftens das rauhe Bußkleid zur Bändigung des Fleisches, wie der Psalmist (34.) spricht: "Ich zog das härene Kleid an." Sechstens müssen wir anziehen dünne Kleider in Demuth, wie es heißt (Ezech. 16.): "Ziehet dünne Kleider an," und (1. Kön. 18.): "Ich bin arm und mit dünnen Kleidern bedeckt." Siebentens sollen wir anziehen den Bußsack zum gewöhnlichen Gebrauche; zu Isaias (50. Kap.) sagt der Herr: "Ich kleide die Himmel in Dunkel und decke mit dem Trauerkleide sie zu." Achtens glänzende Waffen, wie es hier heißt: "Laßt uns anziehen die Waffen des Lichtes." In Bezug auf diese Waffen wissen wir, daß wir, wie die Schrift sagt den Panzer der Liebe, den Schild des Glaubens, den Helm der Hoffnung und den Harnisch der Gerechtigkeit anziehen sollen. Mit dem Glauben müssen wir uns waffnen zum Schutze der vernünftigen, mit der Hoffnung zum Schutze der bewegenden, mit der Liebe zum Schutze der sehnenden mit der Gerechtigkeit zum Schutze der ganzen Seele. Von den drei ersten Waffen redet der Apostel (Ephes. 6.): "Ziehet an den Panzer der Gerechtigkeit," und bei den Machabäern (1. Mach. 3.): "Er kleidete sich mit dem Panzer wie ein Riese und zog sich kriegerische Waffen an," und im Buche der Weisheit (5. Kap.): "Er zog statt des Panzers die Gerechtigkeit an." Er zeigt also hier, was wir anziehen sollen.

 Was den dritten Punkt betrifft, das unter dem Worte Licht begriffen wird, so ist dieses Licht Christus. Wer würde nicht gerne die Waffen seines Herrn anziehen? Um so viel mehr sollen wir die Waffen des hinsichtlichen und ewigen Königs anziehen. Christus aber heißt das Licht wegen der Wirkungen des Lichtes, wovon die erste die Erleuchtung, die zweite die Befruchtung, die dritte die Erhaltung (denn das Licht erhält), die vierte die Zierde, die fünfte die Ordnung ist. Von diesen zweien sagt Dionysius (Dionysius Areopagita, dessen Schriften der Mysik und Scholastik des Mittelalters zur Grundlage dienten.) Das Licht ordnet und schmückt den ungeordneten Leib. Die rechte Wirkung ist die Ausstrahlung. Denn das Licht ergießt sich in Strahlen. Dieß alles that an uns Christus. Ziehen wir also an die Waffen des Lichtes, daß wir triumphirend endlich in Ewigkeit von unserm Könige gekrönt werden.

 Vierte Rede.


 Sieh dein König kommt demüthig. Matth. 21, 5. (Der Text ist aus dem Evangelium auf den Palmsonntag) 

Dieß ist eine Vorhersagung von der Ankunft unsers Herrn Jesu Christi. In Bezug auf diese Ankunft sieh auf drei Punkte; der erste ist die Würde des Alnkommenden; der zweite der Nutzen seiner Ankunft; der dritte die Art seiner Ankunft.

 Der erste Punkt ist in den Worten ausgedrückt: Dein König, nämlich der sanftmüthige, der gerechte, der weise, der furchtbare, der allmächtige, der ewige König. Der König ist sanftmüthig im Verschonen, gerecht im Gerichte, gut in der Vergeltung, weise in der Leitung und Regierung, allmächtig in der Beschützung der Guten, furchtbar in der Bestrafung der Bösen, ewig, indem er ewig regiert und eine ewige Herrschaft ertheilt. Von der ersten Eigenschaft sagt Isaias (32. Kap.): "Und sein Thron wird in Barmherzigkeit bereitet;" von der zweiten derselbe Prophet (6. Kap.): "Sieh in Gerechtigkeit wird der König herrschen," und wiederum (16. Kap.): "Es wird David auf dem erhabenen Throne in Wahrheit sitzen." Von der dritten sagt der Psalmist (72.): "Wie gut ist der Gott Israels, denen welche geraden Herzens sind." Dionysius sagt: "Es ist Sache des Besten das Befte herbeizuführen; denn sein Vorzug besteht darin, daß es das Beste herbeiführt." Von der vierten Eigenschaft spricht der Prophet Jeremias (23. Kap.): "Ich werde auferwecken David, den gerechten Sprößling, und es wird der König regieren, und er wird weise sein." Von der fünften (Esth. 13.): "Herr Gott, allmächtiger König, in deiner Macht liegt Alles." Von der sechsten (Weish. 11.): "Jene aber hast du gleichsam als ein harter König fragend verurtheilt;" und von der siebenten Eigenschaft heißt es (Jerem. 10.): "Der Herr aber, Gott ist es selbst, Gott der Lebendige und der ewige König," und bei Lucas (1. Kap.): "Und seines Reiches ist kein Ende." Darum ist es am besten, sich einem solchen Könige zu unterwerfen. Von diesen sieben steht geschrieben (2. Mach. 1.): "Herr Gott, Schöpfer von Allem, furchtbarer und barmherziger, allein guter, gerechter, allmächtiger und ewiger König." Im Schöpfer spiegelt sich die Weisheit, in dem Erbarmenden die Sanftmuth, in dem Guten die Güte, im Gerechten die Gerechtigkeit, im Furchtbaren die Strenge, im Mächtigen die Macht, im Ewigen die Ewigkeit. Dieß ist der König, welcher zu dir kommt, d.h. zu deinem Nutzen.

Der Nutzen sfeiner Ankunft liegt in dem Worte: Zu dir oder für dich. Es war aber für uns der Nutzen seiner Ankunft ein siebenfacher; der erste ist die Erleuchtung der Welt, der zweite die Unterdrückung der Hölle; der dritte die Eröffnung des Himmels; der vierte die Ueberwindung des Satans; der fünfte die Vernichtung der Sünde; der sechste die Versöhnung des Menschen mit Gott; der siebente die Beglückung des Menschen. Vom ersten heißt es (Joh. 8.): "Ich bin das Licht der Welt," und wiederum (1. Kap.): "Es war das wahre Licht das jeden Menschen erleuchtet, der in diese Welt kommt." Von dem zweiten (Osea 13.): "Ich werde dein Biß sein, o Hölle!" und wiederum (Zach. 9.): "Du aber hast im Blute des Testamentes deine Gefangenen von dem Teiche herausgeführt, in dern kein Wasser war." Von dem dritten heißt es (Eph. 1.): "In dem er vorherbestimmte, Alles wiederherzustellen, sei es, was im Himmel, sei es was auf der Erde ist." Von dem vierten (Hebr. 2.): "Damit er den unterdrückte, welcher die Herrschaft über den Tod hatte, d. h. den Satan, und Jene befreite, welche durch die Furcht des Todes ihr ganzes Leben der Sklaverei unterworfen waren." Von dem fünften (Röm. 6.): "Unser alter Mensch ist gekreuzigt, damit der Leib der Sünde zerftört würde und wir nicht mehr der Sünde dienten." Von dem sechsten (Röm. 5.): "Wenn wir, da wir noch Feinde waren, mit Gott durch den Tod seines Sohnes versöhnt sind, so werden wir um so viel mehr versöhnt durch ihn erlöst werden." Von dem siebenten (Joh. 31.): "So hat Gott die Welt geliebt, daß er seinen eingebornen Sohn dahingab, damit Jeder welcher an ihn glaubt nicht zu Grunde gehe, sondern das ewige Leben habe." Wegen dieser Wohlthaten, welche die heiligen Altväter in seiner Ankunft vorhersahen riefen sie so sehnfuchtsvoll aus: Möchtest du doch die Himntel zertheilen und herabsteigen!

 Von diesen sieben Gütern spricht der Prophet Isaias (Kap. 61.): "Der Geist des Herrn ist über mir, zur Verkündigung sandte er mich (dieß die Erleuchtung der Welt; denn durch die Verkündigung erleuchtete er die Welt für uns), daß ich die zerknirschten Herzen heilte (nämlich durch die Vernichtnug der Sünden: denn so werden die Zerknirschten geheilt, wenn ihre Sünden getilgt werden), und den Gefangenen Vergebung verkündige (dieß die Unterdrückung der Hölle; denn dadurch, daß er die Hölle überwand, führte er die Gefangenschaft hinweg), und den Verschlossenen die Oeffnung (dieß die Oeffnung des Himmels, nämlich die Oeffnung des Himmels zu verkündigen), daß ich ein gnädiges Jahr verkündigte (dieß ist die Versöhnung der Menschen mit Gott), den Tag der Rache für den Herrn (dieß die Ueberwindung des Satans, denn so rächte er alle Unbilden, welche der Teufel den Heiligen zugefügt hatte), und daß ich ihnen die Krone gebe (dieß die Beseligung der Menschen.)"

 Die Art seiner Ankunft drückt das Wort sanftmüthig aus; denn in Sanftmuth wollte der Herr Jesus Christus kommen. Er wollte aber sanftmüthig kommen aus vier Gründen; zuerst, damit er die Bösen leichter besserte; denn im Psalm (89.) lesen wir: "Es kommt über uns seine Sanftmuth, und wir werden zurechtgewiesen." Zweitens, damit er sich Allen liebenswürdig zeigte. Der Prediger sagt (3. Kap.): "Sohn in Sanftmuth vollende deine Werke und du wirst über den Menschenruhm geliebt werden." Drittens damit er Alle an sich zöge und sein Volk vermehrte (2. Kön. 22.): "Deine Sanftmuth vermehrt dich." Der heilige Bernhard sagt: "Immerhin laufen wir nach dir guter Jesus wegen deiner Sanftmuth." Viertens, damit er Sanftmuth lehrte, denn er spricht (Matth. 11.): "Lernet von mir, denn ich bin demüthig und sanftmüthig vom Herzen." Und es gibt vier Gründe welche vorzüglich zur Sanftmuth antreiben sollen. Der erste ist, weil sie vom Bösen befreit; der zweite weil sie Gnade erlangt; der dritte weil sie die Seele bewahrt; der vierte weil sie das Land der Lebenden verdient. In Bezug auf den ersten ist der Weise sanftmüthig der keine Bitterkeit der Seele fühlt; in Bezug auf den zweiten heißt es (Sprichw. 3.): "Den Demüthigen gibt er seine Gnade." In Bezug auf den dritten (Pred. 11.): "Bewahre in Sanftmuth deine Seele," und in Bezug auf den vierten (Matth. 5.): "Selig sind die Sanftmüthigen, denn sie werden das Erdreich besitzen." Bitten wir also den Herrn u.s.w..