Dienstag, 27. August 2013

Vom neunten und zehnten Gebote - Catechismus Romanus

Römischer Katechismus (Catechismus). Nach dem Beschlusse des Conciliums von Trient und auf Befehl des Pabstes Pius V. herausgegeben. Passau, Druck und Verlag von Friedrich Winkler 1839

 

Dritter Theil - Zehntes Hauptstück

 

Vom neunten und zehnten Gebote



Du sollst nicht begehren das Haus deines Nächsten, noch begehren sein Weib, noch seinen Knecht, noch seine Magd, noch seinen Ochsen, noch seinen Esel, noch alles, was sein ist. [Exod. 20,17]

 

I. Wie dieses neunte und zehnte Gebot die übrigen acht zu enthalten scheinen. 

 

Die böse Begierlichkeit ist die Quelle und der Same aller Laster.

Man muss vor allem wissen, dass in diesen zwei Geboten, die zuletzt gegeben worden sind, gleicham die Art und Weise enthalten sey, wie man die übrigen Gebote halten könne. Denn was mit diesen Worten befohlen wurde, zielt dahin, dass jeder, wenn er sich befleisset, die vorhergehenden Gebote zu beobachten, besonders darauf sehe, dass er nicht begehre; weil der, welcher nicht begehret, mit dem Seinigen zufrieden ist, und nicht nach fremdem Gute trachtet, sich über die Vortheile anderer freuen wird; er wird den unsterblichen Gott preisen, ihm innigst danken, den Sabbath heiligen, d. h. einer immerwährenden Ruhe geniessen, die Oberen ehren, und niemanden, weder durch, That, noch Wort, noch auf irgend eine andere Weise beleidigen. Die Wurzel und der Same aller Uebel ist die böse Begierlichkeit; und welche durch diese entflammt sind, stürzen sich in jede Art von Schandtaten und Lastern. Wenn diess beachtet
wird, so wird sich der Seelsorger der Behandlung des Folgenden mehr befleissen, und die Gläubigen werden aufmerksamer beim Zuhören seyn.

 

II. Wie sich diese zwei Gebote von einander unterscheiden. 

 

Durch das neunte Gebot wird die unordentliche Begierde nach Gewinn verboten. Durch das zehnte aber wird das Verlangen nach unkeuscher Lust untersagt.

Obwohl wir diese zwei Gebote miteinander verbunden haben, desswegen, weil sie, bei der Aehnlichkeit ihres Inhaltes, auf dieselbe Weise vorgetragen werden; so kann sie doch der Seelsorger sowohl beim Ermahnen als auch beim Belehren gemeinsam oder abgesondert behandeln, wie es ihm bequemer dünkt. Will er aber den Dekalog auslegen, so soll er zeigen, worin die Unähnlichkeit dieser beiden Gebote bestehe, und wie sich eine Begierlichkcit von der andern unterscheide; diesen Unterschied erkläret der h. Augustin in seinen Abhandlungen über den Exodus . Die eine von ihnen zielt nur dahin ab, was nützlich ist, was Vortheil bringt; die andere nimmt Rücksicht auf Sinnlichkeit und Wollust. Wenn also Jemand den Grund oder ein Haus begehret, so strebt er mehr dem Gewinne und Nutzen nach, als der Wollust; begehrt er aber das Weib eines Andern, so brennt er nicht von Begierlichkeit nach Vortheil, sondern nach Wollust.

 

III. Ob durch das sechste und siebente Gebot hinlänglich ausgedrückt worden sey, was in diesen letzten beiden enthalten ist. 

 

1) Das neunte und zehnte Gebot beleuchten das sechste und siebente. 2) Im neunten und zehnten Gebote wirld einiges ausdrücklich verboten, was im sechsten und siebenten nicht ausdrücklich verboten wurde.

I. Die Nothwendigkeit dieser zwei Gebote war eine doppelte; eine, um den Inhalt des sechsten und siebenten Gebotes zu erklären. Denn obwohl man durch ein gewisses natürliches Licht erkannte, dass das Verlangen, sich des Weihes eines andern zu bemächtigen, verboten sey, weil der Ehebruch untersagt war (wäre es erlaubt, zu begehren, so müsste es auch erlaubt seyn sich zu bemächtigen): so konnten doch die meisten Juden, verblendet durch die Sünde, nicht vermocht werden, zu glauben, dass diess von Gott verboten sey; ja sogar, nachdem dieses Gesetz Gottes gegeben und bekannt gemacht war, verharrten noch viele, welche sich für Ausleger des Gesetzes ausgaben, in diesem Irrwahne. Diess kann man entnehmen aus jener Rede des Herrn beim h. Matthäus: Ihr habt gehört, dass zu den Alten gesagt worden ist: Du sollst nicht ehebrechen! Ich aber sage euch, dass ein Jeder, der ein Weib mit Begierde nach ihr ansieht, schon die Ehe mit ihr gebrochen hat in seinem Herzen. [Matth. 5,27.28]
II. Die andere Notwendigkeit dieser Gebote besteht darin, dass sie einiges deutlich und ausdrücklich verbieten, was durch das sechste nnd siebente nicht ausdrücklich verboten wurde. Z. B. das siebente Gebot hat verboten, dass Niemand widerrechtlich nach fremdem Gute trachte oder es zu entfremden wage; diess aber verbietet, dass jemand auf irgend eine Art darnach begehre, obwohl er es rechtlich und gesetzlich erlangen könnte, sobald er sieht, dass durch dessen Erlangung dem Nächsten ein Schaden zugefügt werde.

 

IV. Wie beschaffen und wie gross die Wohlthat Gottes sey, die uns durch das Gebot dieses Gesetzes ertheilet wurde. 

 

Ehvor wir zur Erklärung des Gebotes kommen, sollen die Gläubigen vor Allem belehret werden, dass wir durch dieses Gesetz nicht nur darin unterwiesen werden, unsere Begierden zu bezähmen, sondern dass wir auch die Liebe Gottes gegen uns kennen lernen, die unermesslich ist.

Denn da er uns durch die vorhergehenden Gebote gleichsam mit Schutzwehren umgeben hat, damit Niemand weder uns selbst, noch das Unsrige verletzen sollte; so wollte er durch Beifügung dieses Gebotes vorzüglich dafür sorgen, dass wir uns durch unsere Begierden nicht selbst beschädigen sollten , was leicht geschehen könnte, wenn es uns erlaubt und gestattet wäre, nach Allem zu begehren, und alles zu wünschen.
Durch die Vorschrift dieses Gesetzes also, nicht zu begehren, hat Gott dafür Vorsorge getroffen, dass die Stacheln der Begierden, wodurch wir zu was immer für verderblichen Dingen gereitzt zu werden pflegen, durch die Kraft dieses Gesetzes einigermassen ausgerottet, uns weniger quälen; und wir desswegen mehr Zeit gewinnen, befreit von jener lästigen Anreizung der Begierden, jene Pflichten der Frömmigkeit und Religion zu erfüllen, die wir Gott vielfach und besonders schuldig seyen.

 

V. Welchen Unterschied zwischen den göttlichen und menschlichen Gesetzen diese zwei Gebote darlegen. 

 

1) Dass das Gesetz Gottes geistig sey. 2) Das göttliche Gesetz Ist ein Spiegel sowohl der guten als auch der bösen Handlungen.

I. Dieses Gesetz lehret nicht blos dieses, sondern es zeiget auch, das Gesetz Gottes sey der Art, dass es nicht blos bei äusserlichen Dienstverrichtungen, sondern auch im Innersten des Herzens beobachtet werden müsse. Und diess ist der Unterschied zwischen den göttlichen und menschlichen Gesetzen, dass diese auch mit blos äusserlichen Dingen zufrieden sind, jene aber, weil Gott auf den Geist sieht, eine reine und ungetrübte Keuschheit und Unbescholtenheit der Seele selbst erfordern. Das göttliche Gesetz ist also gleichsam ein Spiegel, in dem wir die Gebrechen unserer Natur beschauen.
Desshalb sprach der Apostel: Ich hätte nichts von der Lust gewusst, wenn das Gesetz nicht sagte: Du sollst nicht gelüsten. [Röm. 7,7] Denn da die Begierlichkeit, das ist, der Zunder der Sünde, welche aus der Sünde entsprang, immer in uns haften bleibt, so erkennen wir aus ihr, dass wir aus der Sünde geboren sind; daher flüchten wir uns fussfallig bittend zu dem, der allein die Flecken der Sünde auslöschen kann.

 

VI. Welche Begierlichkeit hier nicht verboten werde, und was Begierlichkeit sey. 

 

1) Nicht jede Begierde ist böse. 2) Das ordentliche Begehrungsvermögen ist uns von Gott eingepflanzt, und durch die Erbsünde verdorben worden.

I. Jedes dieser Gebote hat mit den übrigen das gemein, dass sie theils etwas verbieten, theils befehlen. Was nun das Begehrungsvermögen betrifft, so soll Niemand dafürhalten, jenes Gelüsten, welches keine Sünde an sich hat, sey doch auf irgend eine Weise Sünde, wie z. B. dass der Geist gegen das Fleisch gelüstet, oder dass wir zu jeder Zeit nach den Rechtfertigungen Gottes verlangen, wornach David so sehr gelüstete. [Gal. 5,17] [Ps. 118.20] Der Seelsorger soll darlegen, welche Begierlichkeit wir nach der Vorschrift dieses Gesetzes meiden müssen.
II. Daher muss man wissen, die Begierlichkeit oder das Gelüsten sey eine gewisse Bewegung und Kraft des Gemüthes, wodurch die Menschen angetrieben werden, nach angenehmen Dingen, die sie nicht haben, zu verlangen. Und gleichwie unsere übrigen Gemütsbewegungen nicht allemal böse sind, so muss man auch dieses Begehrungsvermögen nicht immer unter die Sünden rechnen. Desswegen also ist es nicht böse, wenn wir nach Speise oder Trank verlangen; oder wenn wir frieren, nach Erwärmung; oder im Gegentheile, wenn wir, da wir warm haben, nach Kühlung verlangen. Dieses ordentliche Begehrungsvermögen hat Gott uns von Natur aus eingepflanzt; aber durch die Sünden unserer Stammeltern geschah, dass es, indem es die Schranken der Natur durchbrach, so verschlechtert wurde, dass wir gar oft zum Gelüsten nach dem, was dem Geiste und der Vernunft widerstreitet, angereizt werden.

 

VII. Welche Vortheile vorzüglich eine, der gesunden Vernunft gleichförmige, Begierde dem Menschen verschaffe. 

 

Wenn dieses Vermögen gemässigt ist, und in seinen Schranken bleibt, so verschafft es sogar manchmal nicht mitlelmässige Vortheile; denn die Begierde bewirkt erstens, dass wir Gott immerdar bitten, und fussfällig anflehen um das, wornach wir besonders verlangen; das Gebet drückt also unser Verlangen aus. Wenn dieses gordnete Begehrungsvermögen nicht da wäre, so gäbe es in der Kirche nicht so vieles Gebet zu Gott. Ferner bewirkt diese Begierde, dass uns die Geschenke Gottes theurer sind; denn je heftiger wir uns nach einer Sache sehnen, desto theurer und angenehmer ist sie uns, wenn wir sie erlangt haben. Alsdann aber bewirkt das Vergnügen selbst, das wir an der ersehnten Sache empfinden, dass wir Gott mit grösstem Liebeseifer Dank sagen. Wenn es daher manchmal nach etwas zu begehren erlaubt ist, so müssen wir gestehen, dass nicht jede Begierde verboten sey.

 

VIII. Wie der Apostel die Begierlichkeit nennet. 

 

Obschon aber der Apostel sagte, die Begierlichkeit sey eine Sünde [Röm. 7,20] , so muss man diess doch in der Bedeutung nehmen, in welcher Moses gesprochen hat [Exod. 20,17] , dessen Zeugniss der Apostel anführt, was auch die Worte desselben selbst erklären. Denn er nennet im Briefe an die Galater jene Begierlichkeit des Fleisches, da er sagt: Wandelt im Geiste, so werdet ihr die Gelüste des Fleisches nicht vollbringen. [Gal. 5,16]

 

IX. Welche Begierde hier nicht verboten werde, und durchaus nicht das Wesen der Sünde an sich habe. 

 

Jene natürliche und gemässigte Begierlichkeit also, die ihre Schranken nicht überschreitet, wird nicht verboten; und viel weniger noch jenes Begehren einer frommen Seele, wodurch wir zum Gelüsten nach dem angeregt werden, was dem Fleische widerstreitet. Zu diesem ermahnen uns selbst die heiligen Schriften: Seyd begierig nach meinen Reden, und habet sie lieb, so werdet ihr Zucht gewinnen; [Sap. 6,12] und: Kommet her zu mir alle, die ihr mich begehret, [Eccles. 24,26]

 

X. Welches die hier verbotene Begierlichkeit sey.

 

1} Die böse Begierde, nicht jede Wirkung des Begehrungsvermögens ist verboten. 2) Deutlicher Schluss, was hier verboten wurde.

I. Daher ist durch dieses Gebot nicht das Begehrungsvermögen selbst, dessen man sich sowohl zum Guten, als auch zum Bösen bedienen kann; sondern der Gebrauch der bösen Begierde, welche Begierlichkeit des FIeisches, und Zunder der Sünde genannt wird, und sie, wenn sie mit der Einwilligung des Gemüthes verbunden ist, immer unter die Sünden gerechnet werden muss, durchaus verboten.
II. Folglich ist nur jene ausschweifende Begierlichkeit verboten, die der Apostel Begierlichkeit des Fleisches nennet, nämlich jene Regungen des Gelüstens, welche kein vernünftiges Maass halten, und sich nicht auf die von Gott bestimmten Grenzen beschränken.

 

IX. Aus welchen Gründen man erkenne, dass die Begierlichkeit eine Sünde sey. 

 

1) Die Begierlichkeit ist Sünde, erstlich wegen der Gegenstände, welche man verlangt. Zweitens, weil sie unter die verbotenen Dinge gehört. 2) Drittens, weil sie fremdem Gute nachstrebt.

I. Die Begierde ist verdammet, entweder weil sie etwas Böses begehret, wie Ehebrüche, Trunkenheit, Mord und andere solche verabscheuungswürdige Laster, von denen der Apostel so sagt: Dass wir uns des Bösen nicht gelüsten lassen, gleichwie jene sich gelüsten liessen; [I. Cor. 10,6] oder weil, wenn auch die Dinge an sich nicht böse sind, es doch aus einem andern Grunde unrecht ist, sie zu begehren; hieher gehören jene Dinge, die uns Gott und die Kirche zu besitzen verbieten. Denn es ist uns nicht erlaubt, nach dem zu gelüsten, was zu besitzen unrecht ist; dergleichen war im alten Gesetze Gold und Silber, aus welchen Götzenbilder gegossen waren, wornach der Herr im Deuteronomium [Deut. 7,25] zu begehren verboten hat.
II. Ferner wird auch desswegen diese sündhafte Begierde verboten, weil das, wornach man begehret, fremdes Gut ist, wie ein Haus, Sklave, Magd, Acker, Weib, Ochs, Esel und vieles andere; da diess fremdes Eigenthum ist, so verbietet das Gesetz, darnach zu begehren; und das Gelüsten nach solchen Dingen ist unrecht, und gehört zu den schwersten Sünden, wenn in das Gelüsten darnach die Seele einwilliget.

 

XII. Worin die Sünde der Begierlichkeit vorzüglich bestehe. 

 

Eine Sünde wird die Begierde dann, wenn sich das Gemüth nach dem Antriebe böser Begierden an bösen Dingen ergötzet, und diesen entweder beistimmt, oder auch nicht widerstehet. Diess lehret der h. Jakobus, da er den Ursprung und das Fortschreiten der Sünde zeigt: Jeder wird versucht, indem er von seiner eigenen Lust gereizet und gelockt wird: dann, wenn die Lust empfangen hat, gebiert sie die Sünde, die Sünde aber, wenn sie vollbracht ist, gebiert den Tod. [Jak. 1,13.14]

 

XIII. Welches der Inhalt der letzten zwei Gebote sey. 

 

Wenn also im Gesetze verboten wird: Du sollst nicht begehren, so haben diese Worte den Sinn, dass wir unsere Begierden von fremden Dingen zurückhalten sollen; denn der Durst der Begierde nach fremdem Eigenthume ist unersättlich und grenzenlos, und wird nimmermehr gestillt, wie geschrieben steht: Der Geizige wird des Geldes nicht satt; [Eccles. 5,9] hierüber lesen wir auch beim Isaias: Weh euch, die ihr Haus an Haus reihet, und Acker mit Acker verbindet. [Isai. 5,8] Jedoch aus der Erklärung der einzelnen Wörter wird man deutlicher die Schändlichkeit und Grösse dieser Sünde kennen lernen.

 

XIV. Was unter dem Worte Haus in der Formel dieses Gebotes verstanden werden müsse. 

 

Der Seelsorger soll lehren, unter dem Worte Haus verstehe man hier nicht einen Ort, den wir bewohnen, sondern es bedeute das ganze Besitzthum, wie man aus dem Gebrauche und der Gewohnheit der heiligen Schriften inne wird. Im Exodus ist geschrieben, dass vom Herrn den Wehemüttern Häuser gebauet worden seyen. [Exod. 1,21] Dieser Ausdruck weiset dahin, dass wir es auslegen sollen, ihr Vermögen sey von ihm vermehrt und erweitert worden. Aus dieser Erklärung entnehmen wir daher, durch dieses Gesetz sey uns verboten, begierig nach Reichthümem zu verlangen, und nicht fremdes Vermögen, Macht und Adel zu beneiden, sondern in unserm Stande, mag er seyn welcher immer, niedrig oder hoch, zufrieden zu seyn. Darunter müssen wir auch verstehen, dass das Begehren nach fremdem Ruhme unerlaubt sey, denn auch dieser gehöret zum Hause.

 

XV. Was unter den Worten Ochs und Esel begriffen sey. 

 

Das folgende, noch seinen Ochsen, noch seinen Esel, zeiget, dass uns nicht blos werthvolle Dinge, als ein Haus, Adel und Ruhm, wenn sie fremdes Eigenthum sind, zu begehren verboten sey; sondern auch kleinere, welche sie nur immer sind, mögen sie lebendig oder leblos seyn.

 

XVI. Von welchen Knechten in diesem Gebote die Rede sey. 

 

Hierauf folgt: Noch seinen Knecht, noch seine Magd, was sowohl von den Leibeigenen, als auch von jeder andern Gattung von Dienstboten zu verstehen ist, die wir, wie alle übrigen Güter eines Andern, nicht begehren dürfen. Freie Menschen aber, die freiwillig dienen, entweder um Lohn gedungen, oder aus Liebe und Anhänglichkeit, darf Niemand auf keine Weise, weder durch Worte, noch durch Hoffnung, noch durch Versprechungen, noch durch Belohnungen bestechen und anreizen, diejenigen zu verlassen, denen sie freiwillig dienen; ja sogar, wenn sie ihre Herren vor der Zeit, die sie in ihrem Dienste zu bleiben versprochen hatten, verlassen, so sollen sie vermöge dieses Gebotes ermahnet werden, wieder zu ihnen zurückzukehren.

 

XVII. Warum auch in diesem Gebote des Nächsten Erwähnung geschehe. 

 

Die Erwähnung des Nächsten aber in diesem Gebote zielt dahin ab, das Vergehen der Menschen deutlich zu zeigen, welche nach benachbarten Aeckern, oder angrenzenden Häusern, oder nach einer andern solchen Sache, die mit ihrem Eigenthume zusammenstosst, zu begehren pflegen. Denn die Nachbarschaft, welche man zur Freundschaft rechnet, wird durch die Sünde der Begierde aus Liebe in Hass verkehret.

 

XVIII. Gegen dieses Gesetz versündigen sich nicht jene, die verkäufliche Sachen des Nächsten um einen billigen Preis zu kaufen verlangen. 

 

Dieses Gebot aber verletzen jene durchaus nicht, welche Sachen, die die Nächsten feil haben, von ihnen zu kaufen wünschen, oder um einen billigen Preis kaufen; denn diese beschädigen nicht nur den Nächsten nicht, sondern sie unterstützen ihn sehr, da ihm das Geld bequemer und nützlicher seyn wird, als die Sachen, die er verkaufet.

 

XIX. Wie das zehnte Gebot, das Weib des Nächsten nicht zu begehren, verstanden werden müsse. 

 

1) Es ist nicht erlaubt, auch ein von einem andern geschiedenes Weib zu begehren oder zu ehelichen. 2) Es ist nicht erlaubt, ein einem andern verlobtes Mädchen zu begehren. Es ist unrecht, eine Gottgeweihte Jungfrau zu begehren.

I. Diesem Gesetze, fremdes Eigenthum nicht zu begehren, folgt das andere, welches verbietet, ein fremdes Weib zu begehren: und es ist dafür zu halten, dass dadurch nicht nur Lüsternheit verboten sey, mit der ein Ehebrecher nach dem Weibe eines andern trachtet, sondern auch die Begierde, die Frau eines andern zu ehelichen. Denn es konnte sich damals, da der Scheidebrief noch erlaubt war, leicht ereignen, dass ein anderer das Weib, welches einer Verstossen hatte, zur Ehe nahm. Allein diess hat der Herr verboten, damit nicht theils die Männer angereizt wurden, ihre Frauen zu verlassen, theils sich die Weiber gegen ihre Männer so unverträglich und widerlich zeigten, dass desswegen die Männer gleichsam gezwungen waren, sie zu Verstössen. Jetzt aber ist es eine schwerere Sünde, da es nicht erlaubt ist, ein Weib , wenn es auch vom Manne Verstossen ist, zur Ehe zu nehmen, ausser es ist denn der Mann gestorben.
II. Wer also nach dem Weibe eines andern begehret, verfällt leicht von einem Gelüsten in das andere; denn er wird entweder wünschen, dass ihr Mann sterbe, oder er wünscht einen Ehebruch zu begehen. Das Nämliche gilt auch von jenen Weibern, die einem andern verlobt sind; es ist ebenfalls unerlaubt, siezu begehren, da jene, die solche Verträge zu zerreissen sich bemühen, das heiligste Bündniss versprochener Treue verletzen. Und gleichwie es durchaus ein grosses Unrecht ist, nach einem Weibe zu begehren, die mit einem andern verheirathet ist; ebenso ist es auf keine Weise erlaubt, nach einem solchen Weibe, die dein Dienste Gottes in einem Kloster geweihet ist, zu gelüsten.

 

XX. Gegen dieses Gesetz sündiget nicht, wer ein Weib, deren Mann er todt glaubt, zur Ehe begehret. 

 

Wenn aber Jemand ein Weib, welches verheurathet ist, indem er sie für unverheurathet hält, zur Ehe begehret, aber sie nicht, wenn er wüsste, dass sie mit einem andern ehlich verbunden wäre, zur Ehe verlangen würde, was wir vom Pharao und Abimelech lesen [Gen. 12,20] , welche die Sara zur Frau haben wollten, da sie dieselbe nicht für verheurathet, und für die Schwester des Abraham, nicht aber für seine Gemahlin hielten; so versündigt sich jener, der so gesinnt ist, gewiss nicht gegen das Gesetz dieses Gebotes.

 

XXI. Was dieses Gebot, ausserdem, was verboten wird, zu thun befehle. 

 

I) Heilmittel gegen die sündhaften Begierden. Die Armuth soll man willig ertragen. 2) Unster Wille muss dem göttlichen Willen untergeordnet werden.
I. Damit aber der Seelsorger die Heilmittel bekannt mache, die zur Ausrottung dieser Sünde der Begierlichheit geeignet sind, muss er die zweite Vorschrift dieses Gebotes erklären, welche darin besteht, dass wir, wenn wir Reichthümer in Ueberfluss haben, das Herz nicht daran hängen , und bereit seyn sollen, dieselben aus Liebe zur Frömmigkeit und göttlichen Dingen hinzugeben, und zur Erleichterung des Elends der Armen gerne das Geld auszutheilen; wenn wir aber kein Vermögen haben, so sollen wir die Armuth gleichmütlhig und fröhlich ertragen. Wenn wir dann freigebig sind mit unserm Vermögen, werden wir die Begierde nach fremdem Eigenthume bezähmen. Ueber das Lob der Armuth aber, und die Geringschätzung des Reichthums kann der Seelsorger in den heiligen Schriften und bei den heiligen Vätern leicht vieles sammeln, und dem gläubigen Volke vortragen.
II. Durch dieses Gesetz wird auch vorgeschrieben, dass wir eifrigst und sehnlichst wünschen, es möge geschehen, nicht was wir verlangen, sondern was Gott will [Matth. 6,10] , wie im Gebete des Herrn gezeigt wird. Der Wille Gottes aber besteht vorzüglich darin, dass wir auf eine ganz besondere Art heilig werden, unser Gemüth unbefleckt, und von jeder Mackel rein und schuldlos erhalten, und uns üben in jenen Pflichten des Gemüthes und des Geistes, die der Sinnlichkeit widerstreiten; und wenn wir diese Begierden bezähmet haben, so sollen wir, unter der Leitung der Vernunft und des Geistes, ein rechtschaffenes Leben führen, und überdiess den Andrang jener Gefühle vorzüglich unterdrücken, die uns zu Begierden und Gelüsten Anlass geben.

 

XXII. Was die Christen vorzüglich betrachten sollen, um die Gewalt der Begierlichkeit zu bezähmen. 

 

Um dieses Feuer der Begierde zu dämpfen, trägt sehr viel bei, wenn wir uns die Nachtheile vor Augen stellen, welche aus ihnen hervorgehen. Der erste Nachtheil ist jener, dass in unserer Seele, wenn wir dergleichen Begierden nachgeben, die Sünde mit höchster Macht und Gewalt herrschet. Desshalb ermahnte der Apostel: Lasset die Sünde nicht herrschen in eurem sterblichen Leibe, so dass ihr seinen Gelüsten gehorchet. [Röm. 6,12] Denn gleichwie, wenn wir den Gelüsten widerstehen, die Kraft der Sünde schwindet, so vertrieben wir, wenn wir denselben unterliegen, den Herrn aus seinem Reiche, und setzen an seiner Statt die Sünde ein. Der zweite Nachtheil besteht darin, dass aus diesen Gelüsten, gleichwie aus einer Quelle, alle Sünden entströmen, wie der h. Jakobus lehret [Jak. 1,14] [Marc. 4,18.19] . Auch der h. Johannes sagt: Alles, was in der Welt ist, das ist die Begierlichkeit des Fleisches, die Begierlichkeit der Augen und die Hoffart des Lebens. [1. Joa. 2,16] Der dritte Nachtheil ist der, dass durch diese Gelüste das richtige Urtheil der Seele verdunkelt wird. Denn die Menschen, verblendet durch diese Finsterniss der Begierden, halten alles für ehrbar und vortrefflich, nach was sie immer gelüstet. Ueberdiess wird durch die Gewalt der Begierden das Wort Gottes unterdrückt, welches von Gott, jenem grossen Säemanne, in unsere Herzen gesäet worden ist. Denn beim h. Markus steht so geschrieben: Die andern, die unter üürner gesäet sind, das sind die, welche zwar das Wort hören; aber die weltlichen Sorgen, der Trug des Reichthums und die Lüste zu den übrigen Dingen schleichen sich ein, und ersticken das Wort, dass es ohne Frucht bleibt.

 

XXIII. Welche besonders in die Fallstriche der Begierden sich verwickeln. 

 

Die aber am meisten an diesem Laster der Begierden leiden, und die desswegen der Seelsorger zur Beobachtung dieses Gebotes sorgfälliger ermahnen soll, das sind die, welche an unehrbaren Spielereien Wohlgefallen haben, oder dem Spiele leidenschaftlich sich ergeben, ebenso die Kaufleute, welche Theurung und Brodmangel wünschen, und es ungerne sehen, dass es ausser ihnen noch andere gibt, die verkaufen oder kaufen, damit sie selbst theurer verkaufen oder wohlfeiler einkaufen könnten. Hierin sündigen gleichfalls, welche wünschen, dass andere Mangel leiden, damit sie entweder durch Verkauf oder Kauf gewinnen möchten. Es sündigen auch die Soldaten, welche Krieg wünschen, damit sie plündern können, ebenso die Aerzte, welche Krankheiten herbeiwünschen; Rechtsgelehrte, welche sich nach häufigen Prozessen und Streitigkeiten sehnen; Handwerker, welche geldsüchtig sind, und eine Theurung alles dessen, was zur Nahrung und zum Lebensunterhalte gehöret, wünschen, um daraus einen grossen Gewinn zu ziehen. Ferner versündigen sich hierin schwer diejenigen, welche nach fremdem Ruhme und Lobe begierig und lüstern sind, nicht ohne Herabsetzung des guten Rufes eines andern; und diess ist eine besonders schwere Sünde, wenn jene Menschen, die darnach begehren, träge und nichtswürdig sind; denn guter Ruf und Ruhm ist der Preis der Tugend, und des Fleisses, nicht der Trägheit und Faulheit.

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