Vierter Teil -Siebentes Hauptstück -Von der Vorbereitung zum Gebete.
I. Wie das Gemüth zum Gebete vorbereitet werden müsse.
1) Das Gebet muss demüthig seyn. 2) Dein Gebet muss ein Schmerz über
die begangenen Sünden vorangehen.
In den heiligen Schriften heisst es: Eh du
betest, bereite dich dazu, und sey nicht wie ein Mensch, der Gott versucht.
[Eccles. 18,23] Denn derjenige versuchet
Gott, der, indem er gut betet, schlecht handelt; und dessen Geist, indem er mit
Gott spricht, dem Gebete ferne ist. Da also so viel daran liegt, mit welcher
Gemüthsstimmung Jemand zu Gott betet, so sollen die Seelsorger den andächtigen
Zuhörern die rechte Weise zu beten lehren. Der erste Schritt zum Gebete ist aber
ein demüthiges und unterwürfiges Herz, auch Erkenntniss seiner Vergehungen,
woran der, welcher zu Gott hintritt, erkennen soll, dass er nicht nur nicht
würdig sey, von Gott etwas zu erlangen, sondern nicht einmal werth, vor dessen
Angesicht zu treten, um zu beten. Dieser Vorbereitung machen die heiligen
Schriften sehr oft Erwähnung, da es heisst: Der Herr
wird
auf das Gebet der Demüthigen; und nicht verschmähen ihr Flehen. [Ps. 101,18] Und: Das Gebet des
Menschen, der sich demüthigt, dringet durch die Wolken. [Eccles. 35,21] Allein es werden unterrichteten
Seelsorgern unzählige Stellen aufstossen, welche das Nämliche aussprechen;
desswegen unterlassen wir, mehrere anzuführen. Nur aber jene zwei Beispiele, die
wir schon anderswo berührten, wollen wir auch hier, da sie hieher gar geeignet
sind, nicht übergehen. Allbekannt ist jener Zöllner [Luc. 18,13] , der in der Ferne
stehend, die Augen sich nicht vom Boden zu erheben getraute. Eben so bekannt ist
jenes sündige Weib, welche aus Schmerz und Reue die Füsse Christi des Herrn mit
Thränen benetzte. [Luc. 18,13]
Beide legen dar, wie vielvermögend zum Gebete die christliche Demuth
sey.
II. Es folgt dann eine gewisse Bangigkeit bei der Erinnerung an
seine Sünde, oder doch wenigstens ein Schmerzgefühl darüber, weil man keinen
Schmerz empfindet. Wenn der reuige Büsser nicht beide, oder doch das zweite
anwendet, so kann Verzeihung nicht erlanget werden.
II. Welche Fehler vorzüglich derjenige vermeiden müsse, der mit Nutzen beten will.
1) Man muss sich von Mord und Gewaltthätigkeit enthalten. 2) Den Zorn
fliehen. 3) Beleidigungen vergessen. 4) Zur Barmherzigkeit sich stimmen. 5) Den
Stolz ausrotten. 6) Der Verachtung des göttlichen Wortes sich enthalten.
I. Da es einige Laster gibt, die sehr hinderlich sind, dass Gott
beim Gebete unsere Bitte gewähre, wie Mord und Gewalttätigkeit, so muss man sich
dieser Grausamkeit und Gewalthätigkeit enthalten. Ueber diese Lasterthat spricht
Gott, durch den Mund des lsaias: Wenn ihr auch eure Hände
austrecket, so wende ich doch meine Augen von euch ab; und wenn ihr auch viel
betet, so will ich's doch, nicht erhören, denn eure Hände sind voll Blut.
[Isai. 1,15]
II. Man muss Zorn und Zwietracht fliehen, da sie ebenfalls sehr
hinderlich sind, dass Gott das Gebet nicht erhöret. Hierüber hat der Apostel
gelehret: Ich will demnach, dass die Männer an allen Orten
beten, und reine Hände aufheben, ohne Zorn und Streitsucht. [1. Tim. 2,8]
III. Ferner müssen wir Acht haben, dass wir gegen Niemanden
unversöhnlich sind bei Beleidigungen; denn bei einer solchen Gesinnung können
wir Gott nicht bewegen, dass er uns verzeihe. Der Herr spricht: Und wenn ihr stehet, um zu beten, so vergebet, wenn ihr etwas
gegen Jemand habet; [Marc. 11,25] und: Wenn ihr aber den Menschen nicht vergebet, so wird euch euer
himmlischer Vater auch eure Sünden nicht vergeben. [Matth. 6,15]
IV. Auch muss man sich hüten, nicht hart und unmenschlich zu seyn
gegen die Notleidenden. Denn von solchen Menschen heisst es: Wer sein Ohr verstopfet vor dem Schreien des Armen, der wird auch
rufen, aber nicht erhöret werden. [Prov. 21,13]
V. Was sollen wir von der Hoffart sagen? Wie sehr diese Gott
beleidige, bezeugt jener Ausspruch: Gott widersteht den
Hoffärtigen, den üemüthigen aber gibt er Gnade. [Jak. 4,6] [1. Petr. 5,5]
VI. Was von der Verachtung des göttlichen Wortes? Wir haben einen
Ausspruch Salomons: Wer seine Ohren abwendet, dass er das
Gesetz nicht höre, dessen Gebet wird ein Gräuel seyn. [Prov. 28,9] Hiebei wird aber nicht ausgeschlossen die
Abbitte einer zugefügten Beleidigung, eines Mordes, Zornes, der Lieblosigkeit
gegen die Armen, des Stolzes, nicht die Abbitte der Verachtung des Wortes
Gottes, nicht endlich Abbitte der übrigen Vergehen, wenn man um Verzeihung
bittet.
III. Vom Glauben an Gott, der zum Gebete für nötig gehalten wird.
Zu dieser Vorbereitung des Gemüthes ist auch der Glaube nothwendig;
denn wenn dieser fehlt, hat man keine Kenntniss weder von der Allmacht des
höchsten Vaters, noch von seiner Barmherzigkeit, woraus doch das Vertrauen des
Betenden entspringt. Diess lehrte Christus, da er sprach: Alles, was ihr immer im Gebete mit Glauben bitten werdet, das
werdet ihr erhalten. [Matth. 21,22] Von
diesem Glauben schreibt der h. Augustin: Wenn der Glaube fehlt, ist das Gebet
umsonst. Die Hauptsache also, um recht zu beten, besteht, wie schon gesagt,
darin, dass wir einen festen und standhaften Glauben haben; diess beweiset der
Apostel aus dem Gegentheile: Wie sollen sie nun den anrufen,
an den sie nicht glauben. [Rom. 10,14] Also
glauben müssen wir, um auch recht beten zu können, und es darf uns dieser Glaube
nicht mangeln, durch den wir heilsam beten. Denn der Glaube ist´s, der betet,
und das Gebet bewirket, dass alles Zweifeln verschwindet, und der Glaube fest
und standhaft sey. In diesem Sinne ermahnte der heilige Ignatius die, welche vor
Gott hintreten, um zu beten: Zweifle nicht beim Gebete; selig ist, wer nicht
zweifelt. Der Glaube und die sichere Hoffnung, erhöret zu werden, haben daher
das grösste Gewicht zur Erlangung dessen, was wir von Gott wünschen; diess
lehret der heil. Jakobus: Er bitte im Glauben, ohne zu
zweifeln. [Jac. 1,6]
IV. Was uns zum Glauben, das zu erlangen, um was wir im Gebete bitten, bewegen könne.
Es gibt vieles, worauf wir beim Gebete vertrauen sollen. Ein Grund
ist selbst Gottes bekannte Geneigtheit und Güte gegen uns, da er uns befiehlt,
ihn Vater zu nennen, damit wir erkennen, dass wir seine Kinder sind. Ein Grund
ist die Unzahl von denen, die Gott erbeten haben. Es ist da jener höchste
Fürbitter, Christus der Herr, der immerdar uns beisteht, von dem bei Johannes
geschrieben steht: Wenn aber Jemand gesündiget hat, so haben
wir einen Sprecher bei dem Vater, Jesum Christum, den Gerechten. Und dieser ist
die Versöhnung für unsere Sünden. [1. Joh. 2,1.2]
Ebenso sagt der Apostel Paulus: Christus, der
gestorben ist, ja der auch auferstanden ist, der zur Rechten Gottes sitzt, der
auch fürbittet für uns. [Röm. 8,34] Ebenso
schreibt er an Timotheos: Denn Ein Gott ist und Ein Mittler
zwischen Gott und den Menschen, der Mensch Christus Jesus. [1. Tim. 2,5] Dann an die Hebräer: Darum musste er in Allem seinen Brüdern gleich werden, damit er
barmherzig wurde, und ein treuer Hoherpriester vor Gott, um zu versöhnen die
Sünden des Volkes. [Hebr. 2,17] Desshalb
sollen wir, wenn wir auch unwürdig sind, erhöret zu werden, doch durch die Würde
des besten Fürsprechers und Fürbitters, Jesu Christi, hoffen und fest vertrauen,
dass uns Gott alles, um was wir durch jenen auf eine rechte Weise bitten,
gewähren werde.
V. Der heilige Geist ist der Urheber unserer Gebete.
Endlich ist der Urheber unsers Gebetes der heilige Geist, unter
dessen Leitung unsere Gebete nothwendig erhöret werden müssen. Denn wir haben empfangen den Geist der Kindschaft, in welchem wir
rufen: Abba, Vater. [Röm. 8,15] Und dieser
Geist unterstützet unsere Schwäche und Unwissenheit heim Beten: ja der Apostel
sagt sogar: Der Geist selbst begehret für uns mit
unaussprechlichen Seufzern. [v. 20]
VI. Wie wir uns auf den Glauben stützen sollen, um von Gott Wohlthaten zu erlangen.
Wenn einige manchmal wanken, und sich im Glauben nicht stark genug
fühlen: so sollen sie sich jenes Ausrufes der Apostels bedienen: Vermehre uns den Glauben, [Luc. 17,5]
und jenes Blinden: Hilf meinem Unglauben.
[Marc. 9,23] Wenn wir aber voll des Glaubens
und der Hoffnung sind, dann werden wir von Gott alle Wünsche erlangen, wenn wir
unsere ganze Gesinnung, all unser Thun und Gebet nach dem Gesetze und Willen
Gottes einrichten. Denn Christus sagt: Wenn ihr in mir
bleibet, und meine Worte in euch bleiben, so möget ihr bitten, um was ihr immer
wollet, es wird euch gegeben werden. [Joa. 15,7]
Jedoch ist zu diesem Vermögen, von Gott alles zu erlangen, besonders
nothwendig, wie wir oben sagten, das Vergessen von Beleidigungen, und Wohlwollen
und guter Wille gegen den Nächsten.
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