Vierter Teil - Achtes Hauptstück - Wie man beten müsse.
I. Das Volk soll über die beste Art und Weise, zu beten belehret werden, und was es heisse, im Geiste und in der Wahrheit beten.
1) Wenn das Gebet nicht recht verrichtet wird, nützt es nichts. 2) Wer
im Geiste und in der Wahrheit bete.
I. Es liegt sehr viel daran, wie wir uns des heiligen Gebetes
bedienen; denn obgleich das Gebet ein heilsames Gut ist, so nützt es doch, wenn
es nicht recht verrichtet wird, keineswegs; denn wir erlangen oft gar nicht, um
was wir bitten, wie der heil. Jakobus sagt, aus dem Grunde, weil wir nicht recht
beten. [Jak. 4,13] Daher
sollten die Seelsorger das gläubige Volk belehren, welches die beste Art zu
beten sey, sowohl öffentlich, als allein für sich. Diese Vorschriften eines
christlichen Gebetes sind uns durch die Lehre Christi des Herrn ertheilet
worden.
II. Man muss also beten im Geiste und in der Wahrheit. Denn der
himmlische Vater will solche haben, die ihn anbeten im
Geiste und in der Wahrheit; [Joa. 4,23] auf
diese Weise aber betet der, welcher von Herzen und mit flammendem Seeleneifer
bittet; von dieser geistigen Gebetsweise schliessen wie das mündliche Gebet
nicht aus. Jedoch glauben wir mit Recht jenem Gebete den Vorzug ertheilen zu
müssen, welches von einem entzündeten Gemüthe ausgeht, und dieses erhört
Gott,
vordem die geheimen Gedanken der Menschen offen da liegen, wenn es auch nicht
vom Munde ausgesprochen wird. Er hörte das innerliche Gebet der Anna, der Mutter
Samuels, von der wir lesen, [1.
Regg. 1,10.-13] dass sie inbrünstig gebetet, und doch nur die Lippen
bewegt habe. So betete David. Denn er sprach: Mein Herz hat
zu dir gesagt: Es suchet dich mein Angesicht. [Ps.
26,3] Beispiele hievon findet sich hie und da in den heiligen
Schriften.II. Welches der vorzüglichste Nutzen des Gebetes sey.
Das mündliche Gebet hat seinen eigentümlichen Nutzen und
Notwendigkeit. Es entzündet den Seeleneifer, und entflammet die heilige
Gesinnung des Betenden. Diess schrieb der heilige Augustin auf folgende Weise an
Proba: Bisweilen ermuntern wir uns selbst heftiger durch Worte und andere
Zeichen zur Vermehrung des heiligen Verlangens. Wir werden manchmal durch eine
heftige Begierde und Andacht des Gemüthes gedrängt, unsere Gesinnung mit Worten
auszudrücken; denn wenn das Gemüth in Freude sich erhebet, muss auch die Zunge
frohlocken; und es geziemt uns wahrlich, dieses überströmende Opfer der Seele
und des Leibes darzubringen. Dass die Apostel auf diese Weise zu beten pflegten,
erfahren wir an vielen Stellen, aus der Apostelgeschichte und aus den Briefen
des Apostels.
III. Das mündliche Gebet ist nicht so nothwendig, wenn man für sich allein, als wenn man öffentlich betet.
Es gibt eine zweifache Weise zu beten, das geheime Gebet und das
öffentliche. Beim geheimen Gebete, wo man für sich allein betet, bedienen wir
uns der Aussprache oder des mündlichen Gebetes, um den innerlichen Eifer und die
Andacht zu unterstützen; beim öffentlichen Gebete, welches zur Erregung der
Andacht des gläubigen Volkes angeordnet ist, kann zu gewissen und festgesetzten
Zeiten das mündliche Gebet nicht unterlassen werden.
IV. Die Christen allein beten im Geiste, und sollen lang andauernde Gebete nicht scheuen.
Die Gewohnheit aber im Geiste zu beten, die den Christen eigen ist,
üben die Ungläubigen keineswegs. Von ihnen kann man Christus den Herrn so
sprechen hören: Wenn ihr aber betet, sollt ihr nicht viel
reden, wie die Heiden; denn sie meinen, dass sie erhöret werden, wenn sie viele
Worte machen. Seyd also nicht wie sie: denn euer Vater weiss schon vorher, was
ihr brauchet, ehe ihr ihn darum bittet. [Matth.
6,7.8] Wenn er aber dasVielschwätzen verbietet, so ist er doch weit entfernt, lange
andauernde Gebete, welche aus einem heftigen und anhaltenden Seeleneifer
entspringen, zu verwerfen; vielmehr ermahnet er uns sogar durch sein eigenes
Beispiel zu einem solchen Gebete, da er nicht nur Nächte im Gebete zubrachte,
[Luc. 6,8] sondern
dreimal das nämliche Gebet wiederholte. [Matth. 26] Es ist also nur gemeint, dass Gott eitlen
Wortschwall nicht erhöre.
V. Das Gebet der Heuchler verwirft Gott.
Die Heuchler beten nicht von Herzen, und von ihrer Art zu beten
mahnet uns Christus der Herr durch folgenden Ausspruch ab: Wenn ihr betet, sollt ihr nicht seyn wie die Heuchler, welche gern
in den Synagogen und an den Strassenecken stehen und beten, damit sie von den
Menschen gesehen werden. Wahrlich, sage ich euch, sie haben ihren Lohn schon
empfangen. Du aber, wenn du betest, gehe in deine Kammer und schliess die Thüre
zu, und bete zu deinem Vater im Verborgenen: und dein Vater, der im Verborgenen
sieht, wird es dir vergelten. [Matth. 6,5.6]
Die Kammer, welche hier genannt wird, bezieht sich auf das Herz des
Menschen; aber es ist nicht genügend, nur hineinzugehen, sondern man muss es
überdiess noch verschliessen, damit nichts von Aussen in die Herzen eindringe
oder einschleiche, wodurch die Reinheit des Gebetes verletzt werden könnte; dann
gewahret der himmlische Vater, der die Herzen und geheimen Gedanken Aller ganz
durchschaut, dem Betenden sein Verlangen.
VI. Wenn das, wornach wir verlangen, lange nicht gewähret wird, so soll man von dieser Andachtsübung nicht ablassen.
Das Gebet fordert ferner Ausdauer; welche grosse Kraft diese habe,
zeigt der Sohn Gottes durch das Beispiel jenes Richters; welcher, obschon er
weder Gott fürchtete, noch die Menschen scheute, durch die Ausdauer und den
Fleiss der Wittwe besiegt, ihr Verlangen gewährte. Daher muss man beständig zu
Gott beten, und nicht jene, nachahmen, welche, wenn sie einmal oder zweimal
beten, und nicht erlangen, um was sie bitten, des Betens müde werden; bei diesem
Geschäfte darf man nicht ermüden, wie uns Christus und die Apostel lehren.
Sollte jedoch bisweilen der Wille ermatten, so sollen wir Gott um Kraft zur
Ausdauer bitten.
VII. Christus befahl uns, in seinem Namen zu bitten, wenn wir vom himmlischen Vater etwas verlangen wollen.
Auch will der Sohn Gottes, dass unser Gebet in seinem Namen zum
Vater gelange; denn durch sein Verdienst und die Gnade des Fürsprechens erhält
es ein solches Gewicht, dass es vom himmlischen Vater erhöret wird. Er sagt ja
beim heil. Johannes: Wahrlich, wahrlich, sage ich euch, wenn
ihr den Vater in meinem Namen um etwas bitten werdet, so wird er euch geben.
Bisher habt ihr um nichts in meinem Namen gebeten. Bittet, so werdet ihr
empfangen, auf dass eure Freude vollkommen werde. [Joa. 16,23.24] Und wiederum: Um was
ihr den Vater in meinem Namen bitten werdet, das will ich thun. [Joa. 14,13]
VIII. Beim Gebete muss man den Feuereifer der Heiligen nachahmen, und mit der Bitte Danksagung verbinden.
Lasst uns nachahmen den Feuereifer heiliger Menschen, den sie beim
Gebete anwendeten. Aber mit der Bitte wollen wir auch Danksagung verbinden, nach
dem Beispiele der Apostel, welche diese Gewohnheit immer beobachteten, wie man
beim Apostel sehen kann.
IX. Damit das Gebet eifrig und wirksam sey, muss man fasten und Almosen geben.
Zum Gebete sollen wir Fasten und Almosen fügen. Das Fasten ist
gewiss mit dem Gebete am innigsten verbunden; denn die mit Speise und Trank
überladen sind, deren Gemüth ist darniedergedrückt, so dass sie weder zu Gott
aufblicken, noch daran denken können, was sie mit dem Gebete wollen. Diesem
folgt das Almosengeben, welches ebenfalls mit dem Gebete sehr enge verwandt ist.
Denn wer, der Vermögen hat, demjenigen wohlzuthun, der von fremder
Mildthätigkeit leben muss, und seinem Nächsten und Bruder nicht hilft, soll sich
getrauen zu sagen, die Liebe sey in ihm? Oder wie soll der, welcher ohne Liebe
ist, Gottes Hilfe anflehen? ausser er flehet, da er um Verzeihung der Sünde
bittet, zu Gott um Liebe. Daher ist es göttliche Anordnung, der Wohlfahrt der
Menschen zu Hilfe zu kommen. Denn da wir durch Sündigen entweder Gott
beleidigen, oder den Nächsten verletzen, oder uns selbst beschädigen; so
besänftigen wir Gott durch heiliges Gebet; durch Almosengeben tilgen wir die
Beleidigungen der Menschen aus; durch Fasten reinigen wir uns von eigenem
Unflathe des Lebens. Und obgleich jedes Gebet gegen alle Gattungen von Sünden
vieles nützet, so ist doch eigentlich jedes einzelne den Sünden, die wir
anführten, angemessen und passend.
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