Montag, 24. April 2017

5. Sonntag im September - Hl. Ambrosius aus dem Brevier

Lesung 4-6
Aus dem Buch des hl. Bischofs Ambrosius über die Pflichten

Was tat die Königin Esther? Hat sie nicht, um ihr Volk aus der Gefahr zu retten - es war sicher schön und edel von ihr -, sich selbst dem Tode ausgesetzt, ohne den Zorn und Unwillen des Königs zu fürchten? Und selbst den Perserkönig, der so wild und stolzen Willens war, hielt es für recht, dem Manne gegenüber, der die genen ihn angezettelte Verschwörung aufgedeckt hatte, sich dankbar zu erweisen und das Volk aus der Knechtschaft zu erlösen, ja vom Tode zu erretten, den Mann aber, der ihm so schlechten Rat gegeben, mit dem Tode zu bestrafen. Ja, er überantwortete ihn, der nach ihm der zweite gewesen, den er für seinen treuesten Freund gehalten hatte, dem Kreuzestod, weil er merkte, daß dieser ihn durch seine verwegene Ratschläge fast um alles ansehen gebracht hätte. Nur die Freundschaft ist gut, die die Tugend begünstigt; sie ist allerdings jedem Reichtum, jeder ehre und Macht vorzuziehen. Der Tugend aber wird sie nicht vorgezogen, wohl aber ist sie gewöhnlich die Begleiterin der Tugend. so war es bei Jonathas, der aus Liebe zu seinem Freunde weder den Unwillen seines Vaters noch die Gefahr für sein Leben fürchtete. So war es bei Achimelech, der sich als Gastgeber verpflichtet fühlte, lieber selbst den Tod zu erleiden, als Verat an seinen fliehenden Freunden zu begehen. Der Tugend darf also nichts vorgezogen werden; selbst nicht aus Liebe zum Freund darf man sie preisgeben; auch das lehrt uns die Heilige Schrift. Die Philosophen haben allerlei Fragen aufgeworfen: Ob einer um des Freundes willen, um seinem Freund treu zu bleiben, etwas gegen sein Vaterland unternehmen dürfe, ob er sein Wort brechen dürfe, weil er dem Freunde einen Vorteil verschaffen will. Wohl sagt die Schrift: Wie eine Keule, ein Schwert und eiserner Pfeil ist der Mensch, der falsches Zeugnis gibt wider seinen Freund. Doch bedenke was sie sagt! Sie verurteilt nicht jedes Zeugnis, das man wider den Freund ablegt, sondern nur das falsche Zeugnis. Wie wäre es, wenn jemand um Gottes oder um der Vaterlandes willen gezwungen wäre, ein Zeugnis abzulegen? Soll denn die Freundschaft mehr gelten als die Gottesfurcht, die Sünde mehr als die Liebe?
(aus dem Deutschen Brevier übersetzt von Dr. Johann Schenk 1937)

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