Mittwoch, 22. Februar 2017

Dienstag in der Oktav des Hochfestes des hl. Joseph - Hl. Bernard aus dem Brevier

Lesung 4-6
Aus der Predigt des hl. Abtes Bernard

Es steht geschrieben: Da Joseph, ihr Mann, gerecht war und sie nicht in üblen Ruf bringen wollte, gedachte er, sie heimlich zu entlassen. Ganz recht heißt es, daß er ein rechtschaffener Mann war und sie deshalb nicht in Verlegenheit bringen wollte; man könnte ihn nicht mehr rechtschaffen nennen, wenn er ihre Schuld gekannt und dazu geschwiegen hätte; ebenso wäre er aber auch auf der anderen Seite nicht rechtschaffen, wenn er ihre Unschuld gekannt und sie dennoch verdammt hätte. Da er also gerecht war und sie nicht in üblen Ruf bringen wollte, gedachte er sie heimlich zu entlassen. Weshalb wollte er sie entlassen? Höre hierüber nicht meine Ansicht, sondern die der Väter! Aus dem Grunde wollte Joseph sie entlassen, aus dem auch Petrus den Herrn weggingen ließ, da er sagte: Herr geh weg von mir, denn ich bin ein sündiger Mensch. Aus dem gleichen Grunde wollte auch der Hauptmann ihn nicht in sein Haus kommen lassen und sagte darum: Herr ich bin nicht würdig, daß du eingehst unter mein Dach. So hielt auch Joseph sich für unwürdig und für einen Sünder und sagte sich, in seinem Hause dürfe eine so erhabene Frau nicht mehr wohnen, bei der er mit Schrecken eine ganz wunderbare Würde gewahrte. Er sah mit Ehrfurcht, wie sie offenbar die Merkmale göttlicher Begnadigung an sich trug, und weil er in das Geheimnis nicht eindringen konnte, gedachte er, sie zu entlassen. Petrus erschrak vor der gewaltigen Macht; der Hauptmann erschrak vor der Majestät des gegenwärtigen Gottes; ebenso schauderte auch Joseph wie jeder Mensch vor diesen unerhört großen Wunder. Wunderst du dich, daß Joseph sich für unwürdig hielt, mit der gesegneten Jungfrau zusammen zu wohnen, wo du doch hörst, daß auch Elisabeth ihre heilige Gegenwartnur mit Furcht und heiligem Schauder ertragen konnte? Sagt sie doch: woher wird mir die Ehre zuteil, daß die Mutter meines Herrn zu mir kommt? Darum also gedachte Joseph sie zu entlassen. Aber warum wollte er es heimlich tun und nicht öffentlich? Damit keiner nach dem Grund der Trennung frage und Rechenschaft fordere. Was hätte auch dieser gerechte Mann dem Volke sagen können, das so hartnäckig, so ungläubig und so widerspenstig war? Wenn er gesagt hätte, was er dachte, wie er von ihrer Reinheit überzeugt war, würden da die ungläubigen, rohen Juden ihn nicht alsbald verlacht und Maria gesteinigt haben? Wie hätten sie auch der Wahrheit geglaubt, als sie noch im Mutterschoße verborgen war und nicht redete, da sie später, als er im Tempel offenpredigte, nicht auf ihn hörten? Was hätten sie ihm angetan, da er noch ganz unsichtbar war, wo sie doch später sogar ruchlos Hand an ihn legten, als er im Glanz seiner Wunder vor ihnen stand? Mit Recht wollte also dieser gerechte Mann sie heimlich entlassen, um nicht lügen oder die Unschuldige in Verruf bringen zu müssen.

(aus dem Deutschen Brevier übersetzt von Dr. Johann Schenk 1937)

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