Mittwoch, 1. Februar 2017

2. Fastensonntag - hl. Augustinus aus dem Brevier

4. - 6. Lesung
Aus dem Buch des hl. Bischofs Augustinus über die Lüge
Was Jakob auf Anraten seiner Mutter tat, da er scheinbar seinen Vater hintergang, das ist, wenn wir es genau und aufmerksam betrachten, kein Betrug, sondern ein bedeutungsvolles Vorbild. Wollten wir es aber dennoch einen Betrug nennen, dann müssten auch alle Gleichnisse und die Bilder von allen möglichen Dingen, welche doch auch nicht in ihrem eigentlichen Sinne aufzufassen sind, sondern bei denen aus der wörtlichen Bedeutung etwas anderes herauszulesen ist, als Lüge bezeichnet werden; doch das sei ferne. Wer dies annehmen wollte, könnte allen figürlichen Redensarten, die doch so häufig angewandt werden, diesen Vorwurf machen. Ja, dann könnte mit dem gleichen Recht selbst das, was wir Metapher nennen, nämlich die Übertragung eines Wortes von seiner eigentlichen zu einer angewandten Bedeutung, Lüge heißen. Denn was darin angedeutet ist, wird in Wirklichkeit auch gesagt. Man hält es aber für eine Lüge, weil man meint, nicht das was tatsächlich angedeutet ist, sei ausgesprochen worden, sondern glaubt, das falsche sei gesagt worden. Durch ein Beispiel mag dies verständlicher werden; beachte darum, was Jakob getan hat. Wohl umhüllte er seine Glieder mit den Fellen von Böcken. Wenn wir die nächste Veranlassung dazu betrachten, so müssen wir das als einen Betrug bezeichnen; denn er tat es, um für den gehalten zu werden, der er nicht war. Wenn wir aber diese Handlung zu dem in Beziehung bringen, um dessentwillen sie eigentlich geschehen ist, dessen Vorbild sie war, dann sind die Felle der Böcke ein Bild der Sünde und der, der sich mit ihnen umkleidete, ein Bild dessen, der nicht seine eigenen, sondern fremde Sünden auf sich genommen hat. Ein wirkliches Vorbild kann also keineswegs Lüge genannt werden; das gilt für eine Handlung, genauso aber für eine Rede. Als der Vater ihn fragte: Wer bist du mein Sohn? da antwortete er: Ich bin Esau, dein Erstgeborener. Wenn man dies auf die beiden Brüder bezieht, so klingt es wie eine Lüge; beziehen wir es aber auf das, um dessentwillen es geschehen ist und gesprochen wurde und niedergeschrieben wurde, dessen Vorbild es war, so ist hier derjenige mit seinem Leibe, d.h. mit seiner Kirche zu verstehen, der, als er darüber sprach, gesagt hat: Ihr werdet Abraham, Isaak und Jakob und alle Propheten im Reich Gottes sehen, euch aber wird man hinausstoßen; und wiederrum: Sie werden kommen von Osten und Westen, vom Norden und Süden und im Reiche Gottes zu Tische sitzen; und: Sehet es werden die Letzten die Ersten, und die Ersten die Letzten sein.  So nämlich hat gleichsam der jüngere Bruder dem älteren den Vorrang abgenommen und an sich gerissen.
(aus dem Deutschen Brevier übersetzt von Dr. Johann Schenk 1937)

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen