Mittwoch, 18. Januar 2017

Sonntag Sexagesima - Hl. Ambrosius aus dem Brevier

Sonntag Sexagesima

Lesung 4-6
Aus dem Buch des hl. Bischofs Ambrosius über Noe und die Arche

Hier hast du ein Beispiel, wie der Herr gezürnt hat. Wohl dachte er daran, d. h. er wusste schon, daß der Mensch auf dieser Erde lebend, mit Fleisch überkleidet, nicht ohne Sünde bleiben könne; denn diese Erde ist gleichsam ein Ort der Versuchung und der Leib ein Anreiz zum Verderben. Obwohl also die Menschen eine vernünftige Seele besaßen und der Seele Macht gegeben ist über den Körper, so stürzten sie doch geradezu ohne Überlegung in ihren Untergang hinein und wollten sich daraus nicht mehr erheben. Gott denkt jedoch nicht so wie die Menschen, und bei ihm folgt nicht ein neuer Gedanke einem anderen; auch zürnt er nicht so wie ein veränderlicher Mensch; sondern diese Ausdrücke wollen nur die Bosheit unserer Sünden andeuten, durch die die Beleidigung Gottes hervorgerufen ward; sie wollen besagen, daß die Schuld schon so angewachsen war, daß dadurch sogar Gott, der doch seiner Natur nach weder Zorn, noch durch Haß, noch durch sonst eine Leidenschaft erregt wird, gleichsam zum Zorne gereizt war. Überdies drohte der Herr, den Menschen zu vertilgen. Vom Menschen bis zum Vieh, vom Gewürm bis zu den Vögeln des Himmels will ich alles vertilgen. So sprach er. Was hatten denn die vernunftlosen Geschöpfe verschuldet? Sie waren ja auch nur um des Menschen willen erschaffen worden. Darum war es ganz folgerichtig, daß wenn der vertilgt würde, um dessentwillen sie erschaffen waren, auch sie vernichtet werden. Es war ja dann niemand mehr da, der sich ihrer bedienen konnte. In einem höheren Sinne wird uns hier folgende Wahrheit dargelegt: Der Mensch ist ein Geist der zu denken fähig ist. Denn das ist der Begriff des Menschen: Ein lebendiges, sterbliches, vernünftiges Wesen. Wenn nun die vornehmste Gabe des Menschen schwindet, dann werden damit auch alle sinnlichen Fähigkeiten wertlos; denn es bleibt nichts mehr übrig, was zum Heil führen könnte, weil da die Vorbedingung des Heiles, die Tugend fehlt. Um aber die Verworfenheit aller übrigen Menschen anzudeuten und auf die Güte Gottes hinzuweisen heißt es: Noe fand Gnade vor dem Herrn. Hier sehen wir, daß die Bosheit der Gottlosen die Gerechtigkeit des Frommen nicht verdunkeln kann. Dieser wird ja eigens zur Fortpflanzung des ganzen Geschlechtes gerettet. Er wird aber nicht wegen des Adels seiner Geburt, sondern wegen seiner Gerechtigkeit und Vollkommenheit gelobt. Der wahre Adel des bewährten Mannes ist der Tugendadel. Denn wie das Geschlecht der Menschen Menschen zeugt, so bringt die Seele Tugenden hervor. Die Menschen werden durch den Glanz ihrer Abstammung geadelt, die Seele wird aber durch den Glanz der Tugenden verklärt.
(aus dem Deutschen Brevier übersetzt von Dr. Johann Schenk 1937)


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