Donnerstag, 19. Dezember 2013

Vierter Sonntag nach Epiphanie - Predigt vom Hl. Thomas von Aquin

Zweite Rede 

Jesus bestieg das Schifflein und es folgten ihm seine Jünger Matth. 8. 23.

In diesem Evangelium ist von vier Dingen die Rede; erstens daß Christus und seine Jünger das Schiff besteigen, zweitens von dem Meeressturme; drittens von dem Gebete der Jünger, und viertens von dem Schweigen des Sturmes auf Christi Befehl. Dieß sagen die Worte: Jesus bestieg ein Schiff; ein Sturmwind erhob sich auf dem Meere; Herr, rette uns; sodann stand er auf und befahl den Winden und dem Meere. In sittlicher Beziehung lernen wir daraus viererlei, zuerst nach einem heiligen Leben zu streben, zweitens, daß hierauf Versuchungen entstehen, drittens, daß wir in den Versuchungen Gott anrufen und viertens, die Ruhe von seinem Willen erhalten sollen.

Das erste sehen wir bei der Besteigung des Schiffes. Der besteigt das Schiff, welcher ein heiliges Leben anfängt. Der Evangelist (Matth. 9.) sagt: "Jesus bestieg ein Schiffchen, schiffte hinüber und kam in seine Stadt," weil der Mensch durch die Heiligkeit des Lebens in die himmlische Stadt kommt. Es entsteht ein Meeressturm, weil der, wvelcher ein neues Leben anfängt, Versuchnngen zu bestehen hat. Die Schrift (Eccli. 2.) sagt: "Sohn, zum Dienste Gottes hinzutretend, stehe in Gerechtigkeit und Furcht, und bereite deine Seele auf die Versuchung vor." Das Rufen der Jünger bei dem Sturme ist das Gebet der Heiligen in den Trübsalen und Versuchungen. Der Psalmist (119.) sagt: "Ich schrie zum Herrn als ich betrübt war und er erhörte mich." Das Schweigen des Meeressturmes ist das Aufhören der Versuchungen. Die Schrift sagt (Tob. 3.): "Nach dem Sturme macht Gott Heiterkeit." Diese vier Punkte kommen zusammen bei dem Psalmisten (68.) vor: "Ich kam auf die Höhe des Meeres auf dem Schiffe der Heiligkeit (erster Punkt - Warum die Heiligkeit des Lebens das Schiff heißt suche in dernachfolgenden Rede); und der Sturm verschlang mich (zweiter Punkt); ich strengte mich an, zu rufen (dritter Punkt); dein Heil erlöste mich von den Versuchungen (vierter Punkt, nämlich die Erhörung des Gebetes der Jünger)."
In Bezug auf das zweite ist zu bemerken, daß der Sturm im Meere von den Winden aufgeregt wird. Es erwähnt eben die Sehnsucht vier Winde, von welchen die Versuchung und die Trübsale der Heiligen entstehen. Zuerst entsteht sie von der Anfeindung der Dämonen; zweitens von der Verkehrtheit der Häretiker; drittens von der Grausamkeit der Tyrannen; viertens von der Bosheit der falschen Christen. Der erste ist der kalte Wind. "Der kalte Nordwind ging und es gefror das Wasser zum Crystalle." (Eccli. 43.) Der zweite ist der brennende Wind. Die Schrift sagt (Gen. 41.): "Dünne und von der Hitze verbrannte Halme kamen, welche die Schönheit aller früheren aufzehrten." Der dritte ist der Sturmwind. "Der Sturmwind kommt von der Wüste her" (Joh. 1.). Vom vierten heißt es (Pred. 1.): "Wer den Wind beobachtet, säet niemals." Von diesen vieren spricht Daniel (7.): "Und sieh, auf dem weiten Meere kämpften vier Winde."
In Bezug auf das dritte aber ist zu bemerken, daß in dem Gebete der Apostel drei Gründe lagen, welche den Herrn bewogen zu helfen. Zuerst, weil sie inständig beteten; zweitens weil sie demüthig; drittens weil sie um etwas Nützliches baten. Dahin deuten die Worte: Sie weckte n ihn; sie sprachen: Herr, und erlöse uns. Diese drei Dinge müssen bei jedem Gebete vorkommen. Vom ersten sagt der Apostel (Coloss. 4.): "Seid ausdauernd im Gebete;" vom zweiten der Prediger (35.): "Das Gebet dessen, der sich demüthigt, durchdringt die Wolken;" und vom dritten Christus (Joh. 15.): "Bittet, daß euere Freude vollkommen werde." Von diesen dreien sagt Christus (Matth. 7.): "Bittet und ihr werdet erhalten, suchet und ihr werdet finden, klopfet an und es wird euch aufgethan werden." Bittet demüthig und ihr werdet erhalten; suchet das Nützliche, und ihr werdet es erhalten; klopfet inständig an, und es wird euch das ewige Reich geöffnet werden. - Dazu möge uns Jesus Christus führen. Amen.

 Dritte Rede Fortsetzung 

Jesus stieg in das Schifflein und es folgten ihm seine Jünger Matth. 8. 23.

 Im moralischen Sinne versteht man unter dem Schifflein die Heiligkeit des Lebens, wie oben bemerkt wurde, auf dreifache Weise; zuerst in Hinsicht auf den Gegenstand, zweitens in Rücksicht auf die Form und drittens in Rücksicht auf das Endziel.
Dem Gegenstande nach besteht das Schiff aus Holz, Feuer, Werch, Pech. Unter dem Holze versteht man die Gerechtigkeit, weil durch Christus die Gerechtigkeit erworben wird. Das Buch der Weisheit (14.) sagt: "Gesegnet das Holz, wodurch Gerechtigkeit entsteht." Unter dem Eisen versteht man wegen der Festigkeit die Standhaftigkeit. Unter dem Werche, womit die Wunden verbunden werden, versteht man die Mäßigkeit, wodurch die Wunde der fleischlichen Begierlichkeit verbunden wird, daher spricht Isaias (1.) von Einigen: "Die Wunde und das Geschwür und die Geschwulst ist nicht verbunden, durch kein Mittel geheilt oder durch Oel besänftigt." Und es wird von Samson, der von der Dalila getäuscht wurde gesagt (Richt. 19.): "Der da die Fesseln zerbricht, wie wenn Jemand den vom Werche gedrehten Faden zerreißt." Unter dem Peche versteht man die Liebe, welche das Band der Seelen ist. Die Schrift sagt (Gen. 6.): "Mit Erdpech bestreiche die Arche innen und außen;" weil das was ein heiliger Mann thut, von der Liebe belebt sein muß. Und der Apostel sagt (1. Cor. 16.): "Alle euere Werke geschehen in Liebe." 
In Bezug auf die Gestalt des Schiffes kommt fünferlei in Betracht; nämlich die Grundlage, das Mittlere und das Ende, die Dichtigkeit des Bodens und die Weite des Mundes. Die Grundlage ist der Schmerz über die begangenen Sünden; das Mittlere die Hoffnung auf die ewige Freude; das Ende ist die Furcht vor den ewigen Strafen. Denn der heilige Mann bereut sowohl die Missethaten, die er gethan, als auch fürchtet er die Strafen, die er verdiente; aber damit er in der Furcht und im Schmerze nicht durch Verzweiflung zu Grunde gehe, ist die Hoffnung in der Mitte, daß sie leite und mäßige. Vom ersten Punkte heißt es (Jerem. 6.): "Betrauere bitter dein Vergehen." Vom zweiten (Röm. 12.): "Freuet euch in der Hoffnung und seid in den Trübsalen geduldig." Vom dritten (Matth. 2.): "Bringet würdige Früchte der Buße." Die Festigkeit des Bodens ist die Demuth aus der Betrachtung der eigenen Gebrechlichkeit. "Ich aber bin ein Wurm und kein Mensch," sagt der Psalmist (21.). Die Breite des Mundes oder der Öffnung ist die Betrachtung der höchsten Güte. Der Psalmist( 80.) sagt: "Erweitere deinen Mund, und ich will ihn anfüllen."
 In Bezug auf den Endzweck bedeutet das Schiff die Heiligkeit des Lebens aus vier Gründen. Denn der Endzweck des Schiffes ist ein vierfacher, wie man aus dieser Stelle sieht. Der erste besteht darin, die Menschen überzusetzen, der zweite Waaren zu tragen, der dritte auf ihnen Krieg zu führen, der vierte auf ihnen Fische zu fangen. Dieß müssen wir in der Heiligkeit thun. Zuerst müssen wir gegen die Teufel kämpfen. "Er machte auserlesene Kriegsschiffe" (1. Macch. 15.); und der Apostel sagt (Ephes. 6.): "Wir haben nicht zu kämpfen gegen Fleisch und Blu, sondern gegen die Fürften und Mächte, gegen die Beherrscher dieser Finsterniß." Zweitens heißt: Obst übersetzen, den Geruch guter Werke von uns von allen Seiten verbreiten. Job (9.) sagt: "Meine Tage vergingen wie Schiffe, welche Obst führten," und der Apostel (2. Cor. 2.): "Wir sind Christi Wohlgeruch an jedem Orte." Drittens müssen wir Fische fangen, d.h. die Meuschen zu Gott bekehren. Christus spricht (Matth. 4.): "Folget mir nach, ich will euch zu Menschenfischern machen." Viertens müssen wir mit der Heiligkeit vom Meere, d.h. von der Welt zu Gott übergehen, oder in den Himmel. Das Buch der Weisheit (14.) sagt; "Einem geringen Holze vertrauen die Menschen ihre Seelen an, und werden, über Meer setzend, auf dem Schiffe gerettet," indem sie zum Hafen der himmlischen Stadt gelangen, wozu uns Gott führen möge. Amen.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen