Sonntag, 8. Dezember 2013

Katechismus vom Hl. Thomas von Aquin - Hat gelitten unter Pontio Pilato, ist gekreuziget worden, ist gestorben, ist begraben worden.


IV. Artikel 
Hat gelitten unter Pontio Pilato, ist gekreuziget worden, ist gestorben, ist begraben worden.


So Nothwendig es dem Christen ist, die Menschwerdung des Sohns Gottes zu glauben; eben so nothwendig ist ihm der Glaube an sein Leiden und an seinen Tod. Denn, wie Gregorius sagt, die Geburt würde nichts genützet haben, wenn die Erlösung nicht genützet hatte. Dieß aber, daß Christus für uns gestorben ist, ist so erhaben, daß es unser Verstand kaum begreift, ja, daß es allen unseren Verstand übersteiget. Das ist, was der Apostel spricht: Ich thue eine That in euren Tagen, eine That, die ihr nicht glauben werdet, wenn sie euch Jemand erzählet (Apostelgesch. 13,,41),  und was der Prophet vor ihm gesagt hat: Eine That ist in euren Tagen geschehen, die niemand glauben wird, der sie anhört (Habk. 1,5.). So huld- und liebvoll ist nämlich Gott gegen uns, daß er mehr für uns gethan hat als wir wohl fassen mögen.

Dennoch lehret der Glaube nicht, daß durch Christi Tod auch die Gottheit, sondern nur, daß die menschliche Natur in ihm gestorben ist. Er starb nur nach seiner Menschheit, nicht nach seiner Gottheit. Dieß erklären drey Gleichnisse. Die eine ist von uns selbst genommen. Wenn durch den Tod des Menschen die Seele von dem Leib getrennet wird, stirbt sicher die Seele nicht, sondern nur der Leib, oder das Fleisch; eben so starb in Christi Tod nicht die Gottheit, sondern nur die menschliche Natur. Aber so scheinen ja die Jüden, weil sie die Gottheit nicht tödteten nicht mehr gesündiget zu haben, als wenn sie jeden andern Menschen umgebracht hätten? Keineswegs. Ein Mensch, welcher das Kleid am Leib eines Königes beschmitze, wäre so strafwürdig als hätte er den König selbst beschmitzet. Daher sind die Juden, die Gott nicht tödten konnten, aber doch die von Christo angenommene menschliche Natur getödtet habenm so gestrafet worden, als wenn sie die Gottheit selbst getödtet hätten. Ferner habe ich schon gesagt: Der Sohn Gottes ist das Wort Gottes, und das Wort Gottes im Fleische is, wie das geschriebene Wort eines Königes. Wer nun die Schrift eines Königs zerrisse, dem würde es so angerechnet werden, als hatte er das Wort des Königs zerrissen. Auf eben die Art wird das Vergehen der Juden so gehalten, als wenn sie das Wort Gottes umgebracht hätten.
Allein war es dann eine Nothwendigkeit, daß Gottes Wort für uns litt? Allerdings; und es kann eine zweyfache Ursache angegeben werden; um eine um ein Mittel wider die Sünde, die andere; um ein Vorbild des Wandels zu haben. Ein Mittel; denn dieß finden wir in dem Leiden Christi wider alle Uebel, in die wir durch die Sünde verfallen. Dieser Uebel sind fünferley.
Das erste ist Verunreinigung; den der Mensch entstellet seine Seele, wenn er sündiget, und die Sünde ist ihre Unzierde, so wie die Tugend ihre Schönheit ist. Was thust du, Israel, im Lande deine Feinde? Du hast dich mit Todten besudelt (Bar. 3,10.11). Davor stellet das Leiden Christi sicher. Denn er hat von seinem Blute ein Bad bereitet, die Sünder zu reinigen. Er hat uns von unseren Sünden in seinem Blute gewaschen (Apok. 1,5.).  Es wird aber die Seele in diesem Blute gewaschen durch die Taufe, welche eine wiedergebährende Kraft von diesem Blute hat. Wenn sich daher jemand durch Sünden beschmitzet füget er Christo ein Unrecht zu, und vergehet sich ärger als zuvor. Wer das Gesetz Moses übertritt, ist auf die Aussage zweener oder drey Zeugen ohne Nachsicht des Todes. Erwäget nun, welche strengere Strafe jener verdiene der den Sohn Gottes unter die Füsse tritt, und das Blut des Bundes für unheilig hält (Hebr. 10,28.29.).
Das zweyte Uebel ist Beleidigung Gottes. Denn wie der Fleischliche die fleischliche Schönheit liebet: so liebet Gott die geistliche, das ist, die Schönheit der Seele. Wird also die Seele durch eine Sünde verunreiniget, dann wird Gott beleidiget und wider den Sünder aufgebracht. Gott hasset den Bösen und seine Bosheit (Weish.14.9). Diesem hilft nun das Leiden Christi ab, der Gott seinem Vater für die Sünde, für welche der Mensch selbst nicht genug thun konnte, genug gethan hat, dessen Liebe und Gehorsam größer war, als die Sünde und Uebertretung des ersten Menschen. Da wir Gottes Feinde waren, wurden wir durch den Tod seines Sohnes mit ihm wieder ausgesöhnet (Röm. 5,10).
Das dritte Uebel ist unser Unvermögen. Der Mensch glaubt, wenn er auch einmal sündiget, sich nachher vom Sündigen enthalten zu können. Allein es geschieht das Gegentheil; denn durch die erste Sünde wird er  
geschwächet, und zum Falle geneigter, die Sünde bekömmt über ihn mehr Gewalt, und er setzet sich, so viel an ihm liegt, gleich dem, der sich in einen Brunnen gestürzt hat, in einen solchen Stand, daß er ohne göttliche Kraft nicht wieder erstehen kann. Daher ist unsere Natur, nachdem der Mensch gesündiget hat, geschwächet und verderbet und die Neigung zur Sünde starker geworden. Allein Christus hat diese Unvermögenheit und schwäche zwar nicht ganz weggenommen, aber doch so vermindert, daß der Mensch durch sein Leiden kräftiger, die Sünde hingegen kraftloser geworden ist, daß sie ihn nicht mehr beherrschet, er aber mit dem Beystande der Gnade Gottes, die ihn durch die Sakramente, die vom Leiden Christi ihre Wirksamkeit haben, mitgetheilet wird, sich bestreben kann, sie zu vermeiden. Unser alter Mensch ist mit ihm gekreuztget worden, damit der Leib der Sünde zerstöret würde (Röm. 6,6.). Denn vor Christi Leiden fanden sich wenige, die ohne schwere Sünde lebten, aber nachher lebten und leben viele ohne dieselbe.
Das vierte Uebel ist die Strafbarkeit. Die Gerechtigkeit Gottes fodert, daß jeder, der sündiget, gestrafet werde, und die Strafe wird nach der Schuld abgemessen. Da also die Schuld einer schweren Uebertretung in Bezug auf das unendliche Gut, nämlich Gott, dessen Gebothe der Sünder verachtet, unendlich ist, ist die verdiente Strafe einer solchen Übertretung auch unendlich. Allein Christus hat durch sein Leid diese Strafe von uns genommen, und sich aufgeladen. Er hat unsere Sünden, das ist die Strafen derselben, an seinen Leibe erduldet (1. Pet. 2,24). Das Leiden Christi war nämlich von solcher Kraft, daß es hinreichet, alle Sünden der ganzen Welt, wären sie auch vielmal hunderttausend, zu tilgen. Und daher ist es, daß die Getauften von allen Sünden abgewaschen werden, daher, daß der Priester die Sünden vergiebt, daher auch, daß jener, der sich dem Leiden Christi mehr gleichförmiger macht, reichere Verzeihung erhält, und größere Gnade verdienet.
Das fünfte Uebel ist die Ausschließung vom Reiche. Denn, wer  Könige beleidiget, wird des Reiches verwiesen, und so der Mensch der Sünde wegen des Paradieses. So ward Adam gleich nach der Sünde daraus gestossen, und der Eingang dazu gesperret (Gen.3). Allein Christus hat durch sein Leiden diesen Eingang wieder geöffnet, und die Verwiesenen ins Reich zurückberufen. Durch die Oeffnung seiner Seite wurde das Thor des Paradieses eröffnet, durch das herausquellende Blut die Unreinigkeit abgespület, Gott versöhnet, das Unvermögen weggenommen, die Strafe getilget, die verstossenen ins Reich eingelassen. Darum hörte der Mörder sogleich: Heute wirst bu mit mir im Paradiese sein (Luk. 23,43). So klang es nicht ehemal. Dieß hörte niemand, nicht Adam, nicht Abraham, nicht David, sondern heute, nämlich da das Thor eröffnet wurde, flehte und fand der Mörder Vergebung. Habet Vertrauen auf den Eingang der Heiligen im Blute Christi (Hebr. 10,19). Und hieraus erhellet, wie nützlich das Leiden des Herrn ist, wenn es als Heilmittel betrachtet wird.
Allein der Nutzen ist nicht geringer, wenn man es als Beyspiel betrachtet. Nach dem heil. Angustinus reichet es hin, unser ganzes Leben zu bilden. Denn wer vollkommen leben will, darf nur verachten, was Christus am Kreuze verachtet hat, und suchen was Christus gesuchet hat. Alle Tugendbeyspiele finden sich am Kreuze. Will man em Beyspiet der Liebe? Niemand hat größere Liebe, als der seine Seele für seine Freunde hingiebt (Joh. 15,13). Dieses hat Christus am Kreuze gethan, und darum, wenn er seine Seele für uns gegeben hat, muß es uns nicht schwer fallen, was immer für ein Ungemach seiner wegen zu erdulden. Was werde ich dem Herrn erwiedern für alles was er für mich gethan hat (Psalm 115,12)! Will man ein Beyspiel der Geduld? Das vortrefflichste findet sich am Kreuze. Denn große Geduld zeiget sich in zween Fällen: entweder, wenn jemand ein schweres Uebel geduldig leidet, ode,r wenn er etwas leidet, das er vermeiden könnte, und es nicht thut. Nun hat Christus m Kreuze ein schweres Uebel erlitten. O ihr alle, die ihr den Weg vorüber wandelt, erwäget und sehet, ob ein Schmerz dem meinigen gleiche (Klagl. 1,12)! Und mit Geduld. Da er litt, drohte er nicht (1. Petr. 2,23). Wie ein Lamm wird er zum Schlachten geführt werden und verstummen, wie ein Schaf vor dem der es schiert (Esai. 53,7.). Und er konnte es vermeiden; und thats nicht. Meynst du, wenn ich meinen Vater bäthe, er würde mir nicht zur Stunde mehr als zwölf Legionen Engel senden (Matth. 26,53)? Groß ist also Christi Geduld am Kreuze. Lasset uns durch Geduld zu dem uns bevorstehenden Kampfe eilen, und die Augen auf  Jesum den Urheber und Vollender des Glaubens häften, der mit Verachtung der Schmach den Kreuztod freudig ausgestanden hat (Hebr. 12,2). Will man ein Beyspiel der Demuth? Sieh da den Gekreuzigten. Gott wollte unter Pontio Pilato gerichtet werden, und sterben. Dein Handel ist abgethan worden, wie der eines Uebelthäters (Job. 36,17.). Gewiß wie eines Uebelthäters, denn: wir wollen ihn zu dem schimpflichsten Tode verdammen (Philip. 2,8.). Der Herr beschloß für den Knecht, und das Leben der Engel für den Menschen zu sterben. Will man ein Beyspiel des Gehorsames? Man folge dem, der gehorsam ward bis zum Tode (Weish. 2,20.). Wie durch den Ungehorsam eines Menschen viele Sünder geworden sind, so werden durch den Gehorsam eines Einzigen viele gerechlfertiget werden (Röm. 5,19.). Will man ein Beyspiel der Verachtung des Irdischen? Man folge dem, der König der Könige, Herr der Herrscher ist (Apok. 19,16.), indem alle Schätze der Weisheit sind (Koloss. 2,3.), der aber am Kreuze nackt, verspottet, verspieen, geschlagen, mit Dörnern gekrönet, mit Galle und Essig getränket den Geist aufgab. Häfte dein Herz, o Mensch! nicht an Pracht und Reichthum; denn sie haben meine Kleider unter sich getheilet (Psalm 21,19). Nicht an Ehren; denn ich habe Verhöhnung und Streiche ertragen (Hebr. 11,36.).  Nicht an Würden; denn sie flochten eine Krone von Dörnern und setzten sie auf mein Haupt (Matth. 27,29).  Nicht an Wohllüste; denn sie haben mich in meinem Durste mit Essig getränket (Psalm. 68,22). Alle irdische Güter, spricht Augustinus, hat der Mensch Jesus Christus verachtet, um zu zeigen, was man verachten müsse. 

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