Samstag, 23. November 2013

Motu proprio “Sacrorum antistites” Antimodernisteneid Papst Pius X. (1.9.1910)

Iusiurandum contra errores modernismi

Ego N. N. firmiter amplector ac recipio omnia et singula, quae ab inerranti Ecclesiae magisterio definita, adserta ac declarata sunt, prae-sertim ea doctrinae capita, quae huius temporis erroribus directo adversantur. Ich umfasse fest und nehme an alles und jedes Einzelne, was vom irrtumslosen Lehramt der Kirche bestimmt, aufgestellt und erklärt ist, besonders die Hauptstücke ihrer Lehre, die unmittelbar den Irrtümern der Gegenwart entgegen sind.
Ac primum quidem: Deum, rerum omnium principium et finem, naturali rationis lumine “per ea quae facta sunt” [cf. Rom 1, 20], hoc est, per visibilia creationis opera, tamquam causam per effectus, certo cognosci, adeoque demonstrari etiam posse, profiteor. Erstens: Ich bekenne, dass Gott, der Ursprung und das Ende aller Dinge, mit dem natürlichen Licht der Vernunft durch das, was geschaffen ist, d.h. durch die sichtbaren Werke der Schöpfung, als Ursache mittels der Wirkung, mit Sicherheit erkannt und auch bewiesen werden kann.
Secundo: externa revelationis argumenta, hoc est facta divina, iix primisque miracula et prophetias admitto et agnosco tanquam signa certissima divinitus ortae christianae religionis, eademque teneo aetatum omnium atque hominum, etiam huius temporis, intelligentiae esse maxime accommodata. Zweitens: Ich anerkenne die äußeren Beweismittel der Offenbarung, d.h. die Werke Gottes, in erster Linie die Wunder und Prophezeiungen, als ganz sichere Zeichen des göttlichen Ursprungs der christlichen Religion. Ich halte fest, dass sie dem Geist aller Zeiten und Menschen, auch der Gegenwart, auf das beste angepasst sind.
Tertio: firma pariter fide credo Ecc1esiam, verbi revelati custodem et magistram, per ipsum verum atque historicum Christum, cum apud nos degeret, proxime ac directo institutam eandemque super Petrum, apostolicae hierarchiae principem, eiusque in aevum successores aedificatam. Drittens: Fest glaube ich, dass die Kirche, die Hüterin und Lehrerin des geoffenbarten Wortes, durch den wahren und geschichtlichen Christus selbst, während seines Lebens unter uns, unmittelbar oder direkt eingesetzt, und dass sie auf Petrus, den Fürsten der apostolischen Hierarchie, und auf seine steten Nachfolger gebaut wurde.
Quarto: fidei doctrinam ab Apostolis per orthodoxos Patres eodem sensu eademque semper sententia ad nos usque transmissam, sincere recipio; ideoque prorsus reicio haereticum commentum evolutionis dogmatum, ab uno in alium sensum transeuntium, diversum ab eo, quem prius habuit Ecclesia; pariterque damno errorem omnem, quo, divino deposito, Christi Sponsae tradito ab eaque fideliter custodiendo, sufficitui; philosophicum inventum, vel creatio humanae conscientiae, hominuum conatu sensui efformatae et in posterum indefinito progressu perficiendae. Viertens: Ohne Rückhalt nehme ich die Glaubenslehre an, die von den Aposteln durch die rechtgläubigen Väter stets in demselben Sinn und in derselben Bedeutung bis auf uns gekommen ist. Deshalb verwerfe ich ganz und gar die irrgläubige Erfindung der Entwicklung der Glaubenssätze, die von einem Sinn zu einem andern übergingen, der abweiche von dem Sinn, den die Kirche einst gemeint habe. Ebenso verwerfe ich jeden Irrtum, der das göttliche, der Braut Christi übergebene Vermächtnis, das von ihr treu bewahrt werden soll, durch eine Erfindung unseres Denkens oder durch eine Schöpfung des menschlichen Bewusstseins ersetzen will, das durch menschliches Bemühen langsam ausgebildet wurde und sich in Zukunft in unbegrenztem Fortschritt vollenden soll.
Quinto: certissime teneo ac sincere profiteor, fidem non esse caecum sensum religionis e latebris subconscientiae erumpentem, sub pressione cordis et inflexionis voluntatis moraliter informatae, sed verum assensum intellectus veritati extrinsecus acceptae “ex auditu”, quo nempe, quae a Deo personali, creatore ac Domino nostro dicta, testata et revelata sunt, vera esse credimus, propter Dei auctoritatem summe veracis. Fünftens: Als ganz sicher halte ich fest und bekenne aufrichtig, dass der Glaube nicht ein blindes religiöses Gefühl ist, das aus dem Dunkel des Unterbewusstseins im Drang des Herzens und aus der Neigung des sittlich geformten Willens entspringt, sondern dass er eine wahre Zustimmung des Verstandes zu der von außen durch Hören empfangenen Wahrheit ist, durch die wir auf die Autorität Gottes des Allwahrhaftigen hin für wahr halten, was uns vom persönlichen Gott, unserm Schöpfer und Herrn, gesagt, bezeugt und geoffenbart worden ist.
Me etiam, qua par est, reverentia subicio totoque animo   adhaereo damnationibus, declarationibus, praescriptis omnibus, quae in Encyclicis litteris “Pascendi” et in Decreto “Lamentabili” continentur, praesertim circa eam quam historiam dogmatum vocant. In schuldiger Ehrfurcht unterwerfe ich mich mit ganzem Herzen und schließe ich mich an allen Verurteilungen, Erklärungen,
Vorschriften, wie sie im Rundschreiben “Pascendi” und im Entscheid “Lamentabili” enthalten sind, besonders, insoweit sie sich auf die sogenannte Geschichte der Glaubenssätze beziehen.
Idem reprobo errorem affirmantium, propositam ab Ecclesia fidem posse historiae repugnare, et catholica dogmata, quo sensu nunc intelliguntur, cum verioribus christianae religionis originibus coponi non posse. Auch verwerfe ich den Irrtum derer, die behaupten, der von der Kirche vorgelegte Glaube könne der Geschichte widerstreiten und die katholischen Glaubenssätze könnten in dem Sinn, in dem sie jetzt verstanden werden, mit den Ursprüngen der christlichen Religion, wie sie wirklich waren, nicht in Einklang gebracht werden.
Damno quoque ac reicio eorum sententiam, qui dicunt christianum hominem eruditiorem induere perso-nam duplicem, aliam credentis, aliam historici, quasi liceret historico ea retinere, quae credentis fidei contrfdicant, aut praemissas adstruere, ex quibus consequatur, dogmata esse aut falsa aut dubia, modo haec directo non denegentur. Ich verurteile und verwerfe auch die Auffassung derer, die sagen, ein gebildeter Christ führe ein Doppeldasein, das Dasein des Gläubigen und das Dasein des Geschichtsforschers, als ob es dem Geschichtsforscher erlaubt wäre, festzuhalten, was der Glaubenswahrheit des Gläubigen widerspricht, oder Voraussetzungen aufzustellen, aus denen sich ergibt, dass die Glaubenssätze falsch oder zweifelhaft sind, wenn man sie nur nicht direkt leugnet.
Reprobo pariter eam Scripturae sanctae diiudicandae atque interpretandae rationem, quae, Ecclesiae traditione, analogia fidei et Apostolicae Sedis normis posthabitis, rationalistarum commentis inhaeret, et criticem textus velut unicam supremamque regulam haud minus licenter quam temere amplectitur. Ich verwerfe ebenso eine Weise, die Heilige Schrift zu beurteilen und zu erklären, die die Überlieferung der Kirche, die Entsprechung zum Glauben und die Normen des Apostolischen Stuhls außer acht lässt, die sich den Erfindungen der Rationalisten anschließt und die Kritik am Texte ebenso unerlaubt wie unvorsichtig als einzige und oberste Regel anerkennt.
Sententiam praeterea illorum reicio, qui tenent, doctori disciplinae historicae theologicae tradendae aut iis de rebus scribenti seponendam prius esse opinionem ante conceptam sive de supernaturali origine catholicae traditionis, sive de promissa divinitus ope ad perennem conservationem uniuscuiusque revelati veri; deinde scripta Patrum singulorum interpretanda solis scientiae principiis, sacra qualibet auctoritate seclusa, eaque iudicii libertate, qua profana quaevis monumenta solent investigari. Auch die Auffassung derer verwerfe ich, die daran festhalten, ein Lehrer der theologischen Geschichtswissenschaften oder ein Schriftsteller auf diesem Gebiet müsse zuerst jede vorgefasste Meinung vom übernatürlichen Ursprung der katholischen Überlieferung oder von einer Verheißung der göttlichen Hilfe zur steten Bewahrung einer jeden geoffenbarten Wahrheit ablehnen. Die Schriften der einzelnen Väter müssten nach rein wissenschaftlichen Grundsätzen erklärt werden unter Ausschluss jeder Autorität und mit derselben Freiheit des Urteils, mit der man jedes außerkirchliche Denkmal der Geschichte erforscht.
In universum denique me alienissimum ab errore profiteor, quo modernistae tenent in sacra traditione nihil inesse divini, aut, quod longe deterius, pantheistico sensu illud admittunt, ita ut nihil iam restet nisi nudum factum et simplex, communibus historiae factis aequandum: hominum nempe sua industria, solertia, ingenio scholam a Christo eiusque Apostolis inchoatam per subsequentes aetates conti-nuantium. Proinde fidem Patrum firmissime retineo et ad extremum vitae spiritum retinebo, de charismate veritatis certo, quod est, fuit eritque semper in “episcopatus ab Apostolis successione”; non ut id teneatur, quod melius et aptius videri possit secundum suam cuiusque aetatis culturam, sed ut “numquam aliter credatur, numquam aliter” intelligatur absoluta et immutabilis veritas ab initio per Apostolos praedicata. Endlich bekenne ich ganz allgemein: Ich habe nichts zu schaffen mit dem Irrtum, der die Modernisten glauben lässt, die heilige Überlieferung enthalte nichts Göttliches, oder, was noch viel schlimmer ist, der sie zu einer pantheistischen Deutung der Überlieferung führt, so dass nichts mehr übrigbleibt als die nackte, einfache Tatsache, die in einer Linie steht mit den gewöhnlichen Geschehnissen der Geschichte, die Tatsache nämlich, dass Menschen durch ihre eigenen Bemühungen, durch ihre Sorgfalt und Einsicht die von Christus und seinen Aposteln begonnene Schule in den nachfolgenden Zeitabschnitten fortsetzten. So halte ich denn fest und bis zum letzten Hauch meines Lebens werde ich festhalten den Glauben der Väter an die sichere Gnadengabe der Wahrheit, die in der Nachfolge des bischöflichen Amtes seit den Aposteln ist, war und immer sein wird, so dass nicht das Glaubensgegenstand ist, was entsprechend der Kultur eines jeden Zeitabschnittes besser und passender scheinen könnte, sondern dass niemals in verschiedener Weise geglaubt, nie anders verstanden wurde die absolute, unabänderliche Wahrheit, die seit Anfang von den Aposteln gepredigt wurde.
Haec omnia spondeo me fideliter, integre sincereque servaturum et inviolabiliter custoditurum, nusquam ab iis sive in docendo sive quomodolibet verbis scriptisque deflectendo. Sic spondeo, sic iuro, sic me Deus adiuvet et haec sancta Dei Evangelia. Ich gelobe, dass ich das alles getreu, unversehrt und rein beobachten und unverletzt bewahren, dass ich in der Lehre oder in jeder Art von Wort und Schrift nie davon abweichen werde. So gelobe ich, so schwöre ich, so helfe mir Gott und dieses heilige Evangelium Gottes.