Montag, 11. November 2013

Auslegung des Hl. Priesters Hieronymus - Das Gleichnis vom Senfkorn (Matth. 13, 31. -35.)

Unter dem Himmelreich ist die Verkündigung des Evangelium zu verstehen und die Kenntnis der Schrift, die zum Leben führt. So ward zu den Juden gesagt: Das Reci Gottes wird von euch genommen und einem volke gegeben werden, das entsprechende Früchte bringt. Dieses Reich nun ist gleich einem Senfkörnlein, das ein Mann nahm und auf seinen Acker säte. Unter diesem Mann, der es säte, wird von den meisten der Heiland verstanden, weil er in die Herzen der Gläubigen seinen Samen ausstreut; von anderen aber der Mensch selbst, der auf seinen Acker, d. h. in sich selbst, in sein eigenes Herz, den Samen streut. Wer ist der der aussät, anders, als unser eigener Sinn und Geist, der das Samenkorn der PRedigt aufnimmt, den Samen hegt und pflegt und durch den Gnadentau des Glaubens im Acker der eigenen Brust aufkeimen läßt? Die Predigt des Evangeliums ist unscheinbarer als jede andere LEhrtätigkeit. Denn wenn es zum ersten Mal verkündet wird, findet es nicht den Glauben, den die Wahrheit verdient. Es bringt ja die Kunde von einem Gott, der Mensch geworden ist, von Christus, der gestorben ist, vom Kreuze, das Ärgernis erregt. Vergleiche diese Lehre nur mit den Leitsätzen und den Büchern der Philosophen, mit ihrer glänzenden Beredsamkeit und ihren kunstvollen Vorträgen, und du wirst sehen wie unscheinbar das Senfkorn des Evangeliums ist im Vergleich zu den anderen Samenkörnern. Wenn aber jene Samenkörner aufgehen, dann zeigt sich nichts würziges, nichts erfrischendes, nichts Lebendiges, sondern alles ist saft- und kraftlos und weich und schiesst nur in die Blätter und ins Kraut, das schnell verwelkt und abstirbt. Die Predigt des Evangeliums aber, die Anfangs so unscheinbar war, sobald sie einmal in die Seele des Gläubigens oder auf der ganzen Welt ausgestreut ist, schießt nicht ins Kraut, sondern sie wächst zu einem Baum heran, so daß die Vögel des Himmel kommen und in seinen Zweigen wohnen. Unter den Vögeln müssen wir entweder die Seelen der Gläubigen oder die himmlischen Mächte und dienstbaren Geister Gottes verstehen. Die Zweige am Baume de Evangeliums, die aus dem Senfkörnlein entstehen, sind, wie ich glaube, die verschiedenen Glaubenssätze, in denen die obengenannten Vögel ihre Ruhe finden.
Tedeum.

(aus dem Deutschen Brevier übersetzt von Dr. Johann Schenk 1937 - 6. Sonntag nach Erscheinung)