Dienstag, 8. Oktober 2013

Von den fremden Sünden - Hl. Petrus Canisius


Kurzer Inbegriff der christlichen Lehre oder Katechismus des ehrwürdigen Lehrers Petrus Canisius der Gesellschaft Jesu Theologen - Aus dem lateinischen Originalwerke in das Deutsche übersetzt - Dritte sehr verbesserte und um sieben Druck Bogen vermehrte Auflage  (1826)


Fünftes Hauptstück.

Von der Christlichen Gerechtigkeit

 

Von den fremden Sünden

I. Welche heißt man fremde Sünden?

Diejenigen, welche, obschon sie durch Anderer Hände und Werke geschehen, doch uns billig zugerechnet werden, und unser Gewissen vor Gott der Verdammniß schuldig machen.
 Deßhalb kann von diesen Sünden verstanden werden was die Schrift: (a) gebiethet: Mache dich nicht fremder Sünden theilhaftig. und was der königliche Prophet bethet: (b) von meinen verborgenen Sünden reinige mich, o Herr! und wegen der fremden verschone deinen Knecht. Dahin auch deutet (c) Basilius der Große, was St. Paulus an die Epheser geschrieben hat: (d) Habt nicht Theil an den unfruchtbaren Werken der Finsterniß, sondern strafet sie vielmehr. Dann das Wort des nämlichen Apostels: (e) Entziehet euch jedem Bruder welcher unordentlich wandelt, und nicht nach der Uebergabe die sie von uns empfangen haben.


 II. Wieviel zählt man solche fremde Sünden?

Neun, wie sie denn auch beynnahe auf neunerlei Weise begangen werden, als nämlich: durch Rath, Geheiß, Einwilligung, Anregung, Lob oder Schmeichelet, durch Verschweigen fremder Schuld, durch Uebersehenoder Nachsicht, durch Theilnahme und böse Vertheidigung des Lasters.

III. Wann wird die fremde Sünde durch Rath vollbracht?

 Wenn wir nämlich eines bösen Rathes,dem Andere folgen oder folgen könnten, selbst Urheber sind und Mithelfer. Zu einem Beyspiele sey uns Kaiphas, (a) welcher durch seinen Rath den jüdischen Senat zur Hinrichtung Christi gereizt und bewogen hat. Joseph von Arimathäa hingegen wird gelobt, und ein frommer und gerechter Mann genannt, (b) weil er nicht in den Rath gewilliget hat, und in die Handlungen jener Hohenpriester nämlich und Pharisäer, welche sich gottlos verschworen, Christum (c) zu thöten.

 Unter die nämliche Klasse gehörte jener Demetrius, (d) welcher mit den übrigen Goldschmieden, weil er seinen Gewinn suchte, beynahe die ganze Stadt der Epheser wider Paulus und Pauli Lehre mit großer Bewegung erfüllte.
 Hierin verstieß sich auch die berüchtigte Herodias, (e) welche der König Herodes zum Ehebruch schändlich mißbrauchte. Denn auf ihren Rath und Zureden hat die Tochter, die geschickte Tänzerin, die Sünde begangen, daß sie das abgeschlagene Haupt des heiligen Johannes grausam begehrte.


 IV. Wann ist das Geheiß eine fremde Sünde?

 Wenn durch unsern Beschluß, Befehl, oder Geboth dem Nächsten eine Unbild widerfährt, oder irgend etwas Böses vollbracht wird. So hat der König David den unschuldigen (a) Urias getödtet, nicht zwar durch seine eigenen oder seiner Diener Hände, sondern indem er solches durch einen Brief gethan und befohlen hat, daß dieser im Kampfe getödtet würde. Auch ist der Landpfleger (b) Pilatus an dem Tode Christi schuldig, weil er ihn den Juden zu Gefallen, obwohl einigermassen wider seinen Willen, doch aus seiner Gewalt zur Kreuzigung verurtheilt und übergeben hat. So haben (c) Pharao und (d) Herodes des größten Verbrechens sich schuldig gemacht, da sie das tyrannische Gesetz machten, die Kinder der Hebräer zu tödten. (e) Wehe aber denjenigen welche gottlose Gesetze geben.

 V. Wann macht uns die Einwilligung der fremden Sünden schuldig?

 Ihr habt den Urheber des Lebens getödtet. Merkwürdig ist St Pauli Spruch: (f)  Nicht nur diejenigen, welche Böses thun, sonder auch die, welche denen die es thun, beystimmen, sind des Todes werth.
Wenn das, was von Andern böse geschieht, von uns gleichsam die Beystimmung erhält und wenigstens stillschweigend (a) gut geheißen wird. So hat Saulus gesündiget, da er in den Tod (b) des ersten Märtyrers Stephanus gestimmt hat. Gesündiget haben auch jene mehr als vierzig Männer (c) aus den Juden, welche sogar unter einem Gelübde, sich zur Ermordung des heiligen Paulus bewaffnet haben. Gesündiget haben endlich auch die Bürger (d) Jerusalems, da sie ihren Obrigkeiten beygestimmt, daß Christus getödtet würde, wie es deßhalben Petrus ihnen verwiesen und gesagt hat: (e)
Und hieher kann bezogen werden, was wir bey Cyprian lesen: (g) Der ist nicht frey von dem Laster, welcher einem Andern befohlen hat, daß er es thue, noch auch ist der am Verbrechen unschuldig, das zwar er selbst nicht begangen, von dem man aber öffentlich weiß, daß er mit eingestimmt habe.

VI. Wann begehen wir eine fremde Sünde durch Anreizung?


Wenn wir wissentlich einen andern zum Zorn reizen, zur Rache, Gotteslästerung, Grausamkeit oder dergleichen Lastern, es geschehe nun durch Worte oder Werke, oder auf was immer für andere Weise. So spottete die Frau des Job (a) ihres geduldigsten Mannes unverschämt, und reizte ihn, soviel an ihr war, sogar Gott zu lästern. Auch die Frau Tobiä, (b) gleich unfreundlich, beunruhigt und reizt den Mann häufig mit ihren Schmähungen, so zwar, daß der geängstigte Mann genöthiget wird, die häusliche Unbild unter Ausgießung von Seufzern, Thränen und Gebethen vor Gott zu bringen.
 Jesus Sirach hingegen ermahnet: (c) Laß ab von Hader, und du wirst die Sünden vermindern. Denn ein zorniger Mensch zündet Hader an, und ein sündiger Mann verwirret Freunde, und in Mitte derer, die Friede haben, bringt er Feindschaft.

 So sprichtauch Salomo (d): Der Böse sucht immer Zank; aber es wird ein grausamer Engel über ihn kommen.

VII. Wann machen wir uns fremder Sünden theilhaftig durch Loben oder Schmeicheln?

 Wenn wir Jemand seiner bösen Thaten oder seiner Bosheit wegen loben, oder als hätte er, der auf bösen Wegen lauft, seine Sache gut gemacht, und ermuntern, daß er in seinem bösen Vornehmen fortfahre. (a) Wehe aber denjenigen, welche Polster machen unter alle Ellenbogen, und Kissen unter die Häupter jedes Alters, um die Seelen zu fangen! wie es bey dem Propheten steht. In diese Sünde fallen bisweilen die (b) Prediger der Kirche, und Obrigkeiten, welche dem Pöbel Übel schmeicheln, indem sie seine Ausgelassenheit öffentlich begünstigen und ihr Beyfall geben. Wohl spricht aber Jesaias: (c) Mein Volk die dich selig preisen, diese betrügen dich und zerstören den Weg deiner Schritte. Daher befiehlt Paulus, diejenigen Lehrer zu meiden, (d) welche durch süße Worte und Lobreden die Herzen der Unschuldigen verfuhren. Denn weil (e) der Sunder in den Lüsten seiner Seele gerühmt wird, und der Ungerechte gepriesen, so wird der Missetäter den Herrn erbittern, wie der königliche Prophet bezeugt.

 VIII. Wann fällt die fremde Sünde aus Schuld des Stillschweigens auf uns?

 Wenn unser unzeitiges Stillschweigen entweder einem Untergebenen oder irgend einem Andern Schaden bringt, zum Benspiele, wenn uns das Amt obliegt einen Bruder oder das Volk zu lehren, zu ermahnen, und zu strafen, und wir unterdessen, da wir nützen können, ohne Ursache es unterlassen. Daher bezeugt der Herr durch Jesaias jedem, der das Evangelium verkündiget: (a) Schreye, höre nicht auf, erhebe deine Stimme wie eine Posaune, und verkündige meinem Volke seine Laster, und dem Hause Jakobs seine Sünden. Höre ferner die Gefahr derjenigen, welche nicht ohne Ursache stumme Hunde genannt werden, die nicht bellen können: (c) Wenn ich zu dem Gottlosen sage, spricht der Herr, du mußt des Todes sterben, und du verkündest ihm solches nicht, und redest nicht (zu ihm), daß er sich von seinem gottlosen Wege bekehre und lebe; so wird dieser Gottlose in seiner Sünde sterben; aber sein Blut will ich von deiner Hand fodern. Sehr nothwendig ist zu merken, was Paulus nicht ohne ernstes Flehen begehrt: (d) Predige das Wort, halte an, es sey zur rechten Zeit, (oder) zur Unzeit, strafe, ermahne, züchtige in aller Geduld und Lehre. Und an einem andern Orte spricht der Nämliche: (e) Die da sündigen, strafe im Angesichte aller, damit auch die Andern Furcht haben.


 IX. Wann eilen wir durch unser Uebersehen der fremden Sünden schuldig?

 So oft wir das, was durch unsere Macht und Anehen gestraft und gebessert werden kann und soll, doch ungestraft hingehen und schlimmer werden lassen.
Also sündigen erstens die Obrigkeiten, da sie das Schwert (a) vergebens führen und nicht sind was sie heißen, Diener Gottes, und nicht Rache nehmen und diejenigen strafe,n welche böse und aufrührerisch handeln. So war es von dem Könige Saul (b) eine Sünde da er wider Gottes Geboth zu gütig war und die Feinde verschonte - die Amalechiter. Die nämliche Sünde ist von dem Könige Achab begangen worden, da er Benadab, den König von Syrien, zu Gnaden wieder aufnahm, daher er auch nicht dem strengen Spruche des Propheten entkam, der also drohote: (c) Dieses spricht der Herr: Weil du den Mann welcher des Tod werth war, von deiner Hand gelassen hast, so soll deine Seele für seine Seele, und dein Volk für sein Volk seyn.
 Hieher kann bezogen werden, was der Apostel den Korinthiern befiehlt: (d) Thuet von euch hinweg, der böse ist. Wisset ihr nicht, daß ein wenig Sauerteig den ganzen Teig versäuert? Reiniget den alten Sauerteig!
Zweytens sündigen (e) hier Hausväter und Hausmütter, Herren und Lehrmeister, indem sie diejenigen die ihnen anvertraut sind, durch allzu große Nachsicht und Uebersehen in der Erziehung verderben, und durch ihre Nachläßigkeit und Unfleiß in Gefahr kommen lassen. So lesen wir, daß die Söhne Helis (f) ganz aus Schuld der Nachsicht ihres Vaters verderbt worden sind, der deßhalb für seine allzugroße Gelindigkeit hart gestraft worden is.
 Hier kann auch die Sünde beygesetzt werden, die man Unterlassung der brüderlichen Bestrafung (g), Ermahnung oder Zurechtweisung zu nennen pflegt, weil auch Christus uns mahnt, daß wir den Bruder ein und zwey und drey Mal strafen sollen, damit wir den, welcher sündiget gewinnen mögen, (h) obschon Einige zwischen einer solchen Unterlassung und dem Uebersehen, davon wir zuvor gesagt haben, unterscheiden, so daß sie daraus zweyerlen Arten der fremden Sünde machen.


 X. Was heißt eine fremde Sünde durch Theilnahme begehen?

 Solches geschieht hauptsächlich wenn wir mit den Dieben oder Räubern am Gewinne zu Theil kommen; dann wenn wir unrecht erworbenes Gut oder was uns sonst auf keine Weise gehört, zugleich mit Andern wissentlich uns zueignen und behalten; überdieß wenn wir uns durch Anderer Raub bereichern.
 Hieher scheint zu gehören, was der Psalmist gesagt hat, (a) mit den Dieben laufen und mit den Ehebrechern Thell haben.
 So wirft auch Jesaias dem jüdischen Volke vor: (b) Deine Fürsten sind untreu, Gefährten der Diebe, alle lieben die Geschenke, und haschen nach Lohn.

 Schwerer noch versündigen sich diejenige, welche aus Anderer (c) Schande öffentlich Gewinn sich verschaffen, wie die Kuppler, oder welche sich unterstehen, den Straßenräubern und Menschen von bekannter Schande oder Rotte, Herberge und Platz zu geben, wo sie sich oder das Ihrige unterbringen.




XI. Wie begehen wir eine fremde Sünde durch unsere Vertheidigung?

 Wehe euch, die ihr Böses gut, und Gutes bös heißet, die ihr Finsterniß zu Licht, und Licht zu Finsterniß machet, die ihr aus sauer süß, und aus süß sauer machet. Und wiederum: (b) Du sollst nicht dem Haufen folgen, Böses zuthun, noch sollst du im Gerichte in den Spruch der Mehreren willigen, daß du von dem Wahren abweichest.
Wenn wir entweder Uebeltäter in Schutz nehmen, oder die Lehre eines Andern, obgleich sie verkehrt und gottlos ist, vertheidigen oder verbreiten; dann auch wenn wir uns alle Mühe nnd Fleiß geben, das was wider Recht und Billigkeit ist, zu befördern und zu verfechten. Wider diese spricht das göttliche Wort: (a)
 Dieß seyp genug von den - wie man sie fremden Sünden, die jetzt wahrlich weit und breit im Schwünge sind, und täglich ohne alle Scheu, vorzüglich von den Grossen begangen werden. Ja, man scheuet sich derselben allenthalben nicht, so, daß die allermeisten sie gar nicht für Sünden halten und gering achten, wenn sie schon ihre und Anderer Gewissen oft mit dem Unflathe dieser Sünden beflecken und der ewigen Strafen sich schuldig machen. Alle eben gemeldeten Arten (der Sünden) können ohngefähr in drey Hauptgattungen wie der große Basilius (c) es zeigt, gebracht und kurz gefaßt werden. Denn daß wir eines fremden Irrthumes oder Sünde theilhaftig werden, das geschieht entweder im Werke, oder mit dem Willen und mit dem festen Vorsatze allein, oder durch Trägheit und Unachtsamkeit, wenn wir Andern unsere Wohlthat, zu ermahnen und zu bessern entziehen. Aber die allergräulichste Art zu sündigen ist, da man wider den heiligen Geist sündiget.

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