Mittwoch, 16. Oktober 2013

Von den drey Gattungen guter Werke - Hl. Petrus Canisius

Kurzer Inbegriff der christlichen Lehre oder Katechismus des ehrwürdigen Lehrers Petrus Canisius der Gesellschaft Jesu Theologen - Aus dem lateinischen Originalwerke in das Deutsche übersetzt - Dritte sehr verbesserte und um sieben Druck Bogen vermehrte Auflage  (1826)

Fünftes Hauptstück.

Von der Christlichen Gerechtigkeit



Von den drey Gattungen guter Werke.


 I. In welchen guten Werken besteht die christliche Gerechtigkeit?

Diese Gerechtigkeit breitet sich (a) so weit aus, daß sie alles Gute was ehrbar, gerecht und gottselig geschieht, in sich enthält, und zu begehren und zu vollbringen uns vorstellt. Darum ermahnt der Apostel die Gläubigen so: (b) Wandelt würdig, daß ihr Gott in allen Dingen gefallet, und fruchtbar seyd in allen guten Werken. (c) Befleißiget euch des Guten nicht allein vor Gott, sondern auch vor alle Menschen. Denn das ist der wahre Gebrauch und die eigentliche Frucht unsers Berufes und der christlichen Gerechtigkeit, die uns durch Christus erworben worden, wie Petrus bezeugt: (d) Daß wir den Sünden abgestorben, der Gerechtigkeit leben, das heißt, wie von St. Paulus erklärt worden ist, (e) daß wir alles gottlose Wesen und die weltlichen Lüste, und nüchtern, und gerecht und gottselig leben in dieser Welt. Auf diesen nämlichen Sinn hin, wird uns auch jener evangelische Spruch vorgehalten: (f) Daß wir erlöset aus der Hand unserer Feinde, ohne Furcht ihm dienen sollen, in Heiligkeit und Gerechtigkeit vor ihm alle unsere Lebenstage. Denn deßwegen hat uns Christus erlöset (g) von aller Ungerechtigkeit, daß er sich selbst ein Volk reinigte, das ihm angenehm wäre und eifrig zu guten Werken. (h) Denn wir sind Gottes Geschöpf, erschaffen in Christus Jesus zu guten Werken, die Gott vorbereitet hat, daß wir in denselben wandeln sollen.

 So schreibt Paulus immer und gleich und ermahnt Alle, die christliche Gerechtigkeit allzeit zu beobachten und zu üben. Daher ermahnt Johannes klug und lehrt ganz bestimmt: (i) Kindlein, lasset euch von Niemand verführen. Wer Gerechtigkeit wirkt, der ist gerecht, gleich wie Er (Gott) gerecht ist; wer Sünde thut, der ist aus dem Teufel. Und Jakobus lehrt auf gleiche Weise: (k) Aus den Werken wird der Mensch gerechtfertlget und nicht aus dem Glauben allein. Denn gleichwie der Leib ohne Geist todt ist, so auch ist der Glaube ohne die Werke todt. Alsdann spricht der Nämliche wieder: (l) Wer aber in das Gesetz der vollkommenen Freyheit geschaut (oder das vollkommene Gesetz, das ein Gesetz der Freyheit ist durchschaut hat) und darin verharrt, der nicht ein vergeßlicher Hörer, sondern ein Thäter des Werkes ist, dieser wird in seiner That selig werden. Wahrlich auch nichts anderes wollte Paulus, da er sprach: (m) Nicht die das Gesetz hören, sind vor Gott gerecht, sondern die das Gesetz thun, werden gerechtfertiget.


 II. Welche Frucht bringen die Werke christlicher Gerechtigkeit?

Wahrlich eine vortreffliche und vielfache Frucht, sowohl in diesem, als auch im zukünftigen Leben. Denn Hieher gehört St. Pauli Spruch: (a) Die Gottseligkeit ist zu allen Dingen nützlich, und hat die Verheissung des gegenwärtigen und zu künftigen Lebens. Dann lesen wir an einem andern Orte geschrieben: (b) Herrlich ist die Frucht guter Werke.

 Denn erstens sind diese Werke, die aus einem lebendigen, das ist, (c) in Liebe thätigen Glauben fließen, nicht nur Zeichen des christlichen Berufes, sondern sie bestätigen uns auch denselben und machen ihn gewiß. Deßwegen hat der heil. Apostel Petrus, der allenthalben zu guten Werken ermahnt, auch dieses angefügt: (d)
Brüder, befleißet euch immer mehr, daß ihr euren Beruf und Erwählung durch gute Werke gewiß machet; denn wenn ihr das thuet, so werdet ihr nimmermehr sündigen.

 Zweytens (e) vermehren (die guten Werke) in den Gläubigen die Gnade und vollenden die (f) Heiligung, nach dem Zeugnisse des Apostels, wie denn auch der heilige Jakobus bekräftiget, daß der Glaube, welcher an den Werken mitwirkt, aus (g) diesen auch vollkommen wird.

 Drittens erzeugen sie (h) Vertrauen eines guten Gewissens, und machen mehr Muth, zu bitten, und von Gott alles zu erlangen. Denn es steht geschrieben: (i) Wer Almosen giebt, der wird große Zuversicht vor Gott dem Allerhöchsten haben. Und wiederum: (k) Geliebteste, wenn uns unser Herz nicht straft, so haben wir Zutrauen zu Gott, und um was wir immer bitten, werden wir von ihm erlangen, weil wir seine Gebothe halten, und thun, was vor ihm wohlgefällig ist. Hievon haben wir ein Beyspiel an Ezechias, dem Könige welcher sich seines guten Gewissens tröstete, und, in diesem durch die Stimme Gottes belobt, sprach: (l) Ich bitte, 0 Herr! gedenke doch wie ich vor dir in der Wahrheit und vollkommenen Herzens gewandelt und gethan habe, was gut ist vor deinen Augen.

Viertens machen die guten Werke, daß wir, die wir in dem Weinberge (m) Christi arbeiten, den Groschen des Tages empfangen, das ist, den verheißenen Lohn ewigen Lebens, und (n) die Krone der Gerechtigkeit, die, wenn wir in der Kirche (o) die Gebothe Gottes halten, (p) wir in Christus (q) verdienen. (r) Darum spricht der Herr: Rufe die Arbeiter und gieb ihnen den Lohn. (s) David spricht: Dein Knecht bewahrt sie, nämlich die göttlichen Gebothe, und wer sie hält, hat großen Lohn. Und wiederum: (t) Ich neige mein Herz, deine Satzungen zu thun: denn ewig ist der Lohn. Auch St. Paulus spricht: (u) Ich habe einen guten Kampf gekämpft, ich habe den Lauf vollendet, ich habe den Glauben bewahrt, übrigens ist mir die Krone der Gerechtigkeit hinterlegt, welche mir der Herr, der gerechte Richter, an jenem Tage geben wird; nicht nur aber mir, sondern auch denjenigen, welche seine Ankunft lieb haben.

 Endlich spricht auch Christus selbst: (x) Wenn du zum Leben eingehen willst, so halte die Gebothe. Und wiederum: (y) Sie werden hervorgehen, die Gutes gethan haben, zur Auferstehung des Lebens, die aber Böses gethan haben zur Auferstehung des Gerichtes. Dann an einem andern Orte: (z) Wer den Willen meines Vaters thut der im Himmel ist, dieser wird in das Himmelreich eingehen.

 Aus diesem wird es klar, wie viel uns allen daran liege, die göttlichen Stimmen zu hören, wenn wir nach dem ewigen Leben verlangen: (a) Wer gerecht ist, werde noch gerechter, und wer heilig ist, werde noch heiliger. Siehe ich komme bald und meine Belohnung kommt mit mir, zu vergelten (b) jedem nach seinen Werken. (c) Lasset uns daher Gutes thun und nicht aufhören; denn zu seiner Zeit werden wir ärnten ohne Aufhören.


 III. Wie viele Gattungen der guten Werke giebt es, in welchen die christliche Gerechtigkeit vorzüglich erscheint und geübt wird?

Es giebt drey Gattungen, wie wir aus der heiligen Schrift lernen, nämlich Gebeth, Fasten und Almosengeben. Denn beynahe alle übrigen guten Werke, welche aus dem lebendigen Glauben kommen und die christliche Gerechtigkeit verherrlichen, mehren und vollenden, werden leicht auf diese drey Quellen (a) zurückgebracht. Daher jene vortreffliche Rede des Engels Raphael: (b) Besser ist es, wenn man bethet, fastet und Almosen giebt, als wenn man Schätze von Gold zusammenhäuft. St Augustin hat es aber klar gesagt: (c) Das ist die Gerechtigkeit des Menschen in diesem Leben, Fasten, Almosengeben, Gebeth.

Von diesen lehrt uns (d) Christus bey Matthäus besonders, und setzt die Verheissungen  bey von dem Lohne, der im Himmel bereitet ist denjenigen, welche in der Kirche ohne (e) Heucheley aufrichtig fasten, bethen und Almosen geben. Daher jene treue Zusage, die so oft wiederholt wird: (f) Dein Vater, der in das Verborgene sieht, wird es dir vergelten. Und dieß sind die (Werke), in welchen Christus will, (g) daß unsere Gerechtigkeit, damit wir gut und selig leben, reichlich sey, und so vor den Menschen leuchte, (h) damit sie unsere guten Werke sehen und den Vater preisen. Dieses in Christus zu vollbringen, (i) sind wir erschaffen und bestimmt, was nämlich Gott vorbereitet hat, daß wir darin wandeln. Um der (k) Werke willen, die aus Liebe gethan sind, werden die Gerechten in das ewige Reich kommen; wegen Unterlassung derselben aber werden die Ungerechten in das ewige Feuer gestürzt werden.

Wie es aber (l) pharisäisch und eitel ist, mit Verachtung Anderer sich selbst zu rechtfertigen, und auf seine (m) Werke zu vertrauen; eben so ist es christlich und recht, daß der Mensch mit Verachtung seiner selbst der guten Werke sich befleiße, und wenn er sich etwa rühmen will, (n) dem Herrn sich rühme, der, (o) nach dem Zeugnisse des Apostels, in uns das Wollen und Vollbringen wirkt.

IV. Was ist das Fasten?

Man nimmt diesen Namen nicht auf einerley Weise. Der heilige Augustin (a) nennt ein großes und allgemeines Fasten nämlich:
1. daß man sich von den Sünden und verbothenen Wollüsten der Welt enthalte;
2. giebt es wie es einige nennen, ein (b) philosophisches Fasten, das da ist Sparsamkeit in Speise und Trank, und eine sittliche Nüchternheit, vermöge welcher auch von den Heiden nach rechter Vernunft mäßig gelebt wird;
3. giebt es ein kirchliches Fasten, wenn wir uns nach einer gewissen Sitte und Vorschrift der Kirche an gewissen Tagen sowohl den Genuß des Fleisches entziehen, als auch nur mit einer einzigen Mahlzeit uns begnügen.


Diesem (d) Fasten unterzieht man sich fromm und christlich, um den göttlichen Dienst andächtiger zu pflegen, um das Fleisch zu bezähmen und dem Geiste unterwürfig zu machen, um würdige Früchte der Buße zu wirken, um den Gehorsam zu üben, und endlich, um jede Gnade Gottes zu erlangen.


V. Was soll man aber denjenigen antworten, welche das Gesetz der Kirchenfaste umstoßen und verschmähen?

 Erstens muß man sie ermahnen, daß sie nicht den Katholiken fälschlich andichten, was der Apostel (a) verabscheut, und die Kirche an den Juden, Manichäern und Priscillianern allzeit verdammt hat, daß sie nämlich entweder nach dem Gesetze Mosis oder aus Aberglauben von einigen Speisen sich enthalten. Denn daß die Katholiken, wie St. Augustin dem Manichäer (b) Faustus antwortet, von den Fleischspeisen sich enthalten, das thun sie, um den Leib zu zähmen, um die Seele wider die sinnlichen Bewegungen mehr zu demüthigen, nicht aber, daß sie das Fleisch für unrein halten. Sie enthalten sich nicht nur von Fleischspeisen, sondern auch von einigen Früchten der Erde, entweder allzeit, wie es einige Wenige thun, oder zu gewissen Tagen und Zeiten, wie es während der vierzigtägigcn Faste beynahe von allen geschieht. So schreibt St Augustin.


Und vor ihm schon lehrt dasselbe auch Epiphanius, da er die arianische (c) Ketzereyn verwirft, welche die festgesetzte Faste jedem freygelassen, und Niemand dazu verbunden wissen wollte.

 Daß aber in der (d) öffentlichen Faste, wie auch in Gebethen und Feyertagen eine gewisse Zeit beobachtet wird, das bekräftiget, offenbart und befördert die öffentliche Ordnung und Eintracht in der Kirche. Dann würden nicht so viele sich selbst die Faste auflegen, da sie von natürlicher Liebe des Fleisches und von der Sorge für den Leib abgehalten würden, der Faste sich zu unterziehen.

 Daß aber viel daran gelegen und es ein großes Verdienst sey, eine solche Faste ehrerbiethig anzunehmen und fleißig zu halten, bewährt der heilige Hieronymus (e) wider Jovinian so klar, dass hierüber von Niemand mehr gezweifelt werden kann. Diesem muß noch beygefügt werden, was wir oben von Beobachtung der Kirchengebothe gelehrt haben: (man soll diese Faste beobachten) und zwar um Aergerniss (f) zu vermeiden, und öffentliche Zucht zu halten, und nicht nur um des Zorns willen, sondern auch wegen des Gewissens, (g)  wie der Apostel gesagt hat.

 Es ist aber gewiß, wie die (h) Schriftsteller aller Zeitalter es beweisen, daß es eine beständige Zucht, Gewohnheit, Uebergabe und Satzung der Kirche sey, und es vom Anfange gewesen ist, daß an gewissen Tagen, vorzüglich aber in der (i) vierzigtägigen Faste diese kirchliche Faste gehalten wurde. So lehren die Canones (k) der Apostel und die (l) heiligen Versammlungen. Die Versammlung (m) von Ganger belegt diejenigen mit dem Banne, welche die allgemeine Faste der ganzen Kirche verachten; die (n) von Toledo aber befiehlt, diejenigen von dem Sakramente des Altars auszuschließen, welche ohne unausweichliche Noth und augenscheinliche Krankheit in de vierzigtägige Fasten Fleisch essen.

Außerordentlich ist der Eifer, mit welchem die heiligen Väter (o) die Faste empfehlen, darauf dringen und dazu antreiben, besonders zur vierzigtägigen Faste, welche, wie Einige wollen, von den Aposteln (p) eingesetzt zu sein scheint.

 Diesem Geiste der Väter sind diejenigen entfremdet, welche das Gesetz der Faste sich und Andern mildern, und die Zügellosigkeit des Fleisches, nicht die evangelische Freiheit, in Schutz nehmen, Diese wollen nicht das Fleisch (q) mit den Sünden und Begierlichkeiten kreuzigen, und sie verstehen daher nicht, (r) was des Geistes ist, sondern sie löschen (s) vielmehr den Geist aus, wider die apostolische Lehre. Dann widersetzen sie sich öffentlich der Mutter, der Kirche, ja sogar (t) Christo, der in seiner Braut der Kirche (u) spricht und gebiethet, daher sie sich die gewisse (x) Verdammniß zuziehen, wenn sie die heilige und heilsame und von der Kirche uns allzeit empfohlene Einsetzung der Faste abschaffen oder verwerfen.

VI. Was lehrt die heilige Schrift von der Faste?

Gottes Stimme ist es, die durch Joel zu den Sündern ruft: (a) Bekehret euch zu mir von eurem ganzen Herzen in Fasten, Weinen und Klagen. Und bald hernach spricht er: (b) Blaset die Posaune in Sion, feyert eine heilige Faste, berufet die Gemeine, versammelt das Volk, oder wie Andere lesen: Heiliget eine Faste, prediget Heilung. Daraus sollen wir lernen, daß die Faste durch die übrigen guten Werke geheiliget werde, und daß sie geheiliget, (c) nützlich sey, Sünden zu heilen, wie der heilige (d) Hieronymus es auslegt. Denn wie der nämliche (e) aus den heiligen Schriften schließt, hat (f) Daniel, der Mann des Verlangens, die zukünftigen Dinge erkannt, und die (g) Niniviten den Zorn Gottesbesänftigt; und (h) Elias und (i) Moses sind durch ihre vierzigtägige Faste mit dem vertrauten Umgange Gottes gesättiget worden. Ja der (k) Herr selbst hat in der Wüste eben so viele Tage gefastet, auf daß er uns feyerliche Tage der Faste hinterließ; auch lehrte er uns, daß hartnäckigere Teufel nicht (l) anders, als durch Gebeth und Fasten überwunden werden können. Auch der (m) Apostel spricht, daß er häufig gefastet habe, und in den Psalmen sagt der Büser: (n) Ich esse Asche wie Brod, und mische meinen Trank mit Thränen. Und: (o) Da sie mir beschwerlich fielen, that ich ein härenes Kleid an: ich demüthigte meine Seele mit Fasten. Endlich was ist klarer als was Christus bestätigt, (p) daß, wenn Er, der innigst geliebte Bräutigam seinen Jüngern werde genommen seyn; alsdann diese, obschon mit dem heiligen Geiste (q) erfüllt, fasten werden? Daher ermahnt St. Paulus alle Gläubigen: (r) Beweisen wir uns als Diener Gottes in vieler Geduld, in Wachen, in Fasten, in Keuschheit. Denn, welche Christo angehören, kreuzigen ihr Fleisch sammt den Lastern und Begierden.










VII. Was ist das Gebeth?

 Es ist eine fromme Erhebung unsers Gemüthes zu Gott, (a) wodurch man gläubig bittet um alles, was uns oder Andern heilsam ist; wodurch wir auch Gottes Gnade und Macht preisen, oder auf was immer für eine Weise vor jener höchsten und ewigen Majestät uns (b) andächtig bezeigen. Hieher gehört nicht nur das Bittgebeth, sondern auch die Anbethung (c), das Opfer (d), die Anrufung (e), das Lob (f), die Danksagung (g).

Christus aber hat uns eine besondere (h) Weise und Form zu bethen (i) vorgeschrieben, wie wir sie oben erklärt haben. Es giebt wahr lich kein gutes Werk, das in der Schrift mehr (k) empfohlen, keines, das frommen und heiligen Menschen gemeiner ist, keines, welches von Mehreren öfter und fleißiger geübt werden soll und in diesem Leben mehr nothwendig ist, als das Gebeth. Wahr ist jener Spruch: (1) Das Gebeth eines Demüthigen wird die Wolken durchdringen. Ferner: (m) Man muß allzeit bethen, nämlich mit brennender Liebe des Herzens und ohne Heucheley, und ohne (n) Rücksicht auf Menschenlob, das ist im (o) Geiste, und in der Wahrheit.

 Unterdessen, welche bethen, beobachten oft eine (p) äußere Stellung und Gebehrde des Leibes und einige andere Gebräuche, und zwar mit Recht, wie die Beyspiele der Schrift es beweisen. Denn auch Christus der Herr hat bald (q) mit zum Himmel erhobenen Augen, bald mit lauter Stimme (r), bald (s) auf die Erde gestreckt zum Vater gebethet. Dann war das Gebeth (t) Daniels und der (u) Niniviten, weil es nicht ohne Fasten, Sack und Asche geschehen ist, um so angenehmer. Es ist auch nicht umsonst von dem (x) Zöllner gesagt, daß er mit demüthigem Angesichte, mit niedergeschlagenen Augen und Schlagen an die Brust sein Gebeth im Tempel verrichtet hat. Obschon diese Dinge äußerlich scheinen, und auch von den Gottlosen geschehen und gezeigt werden können; so verdienen sie doch in soweit Lob, in sotferne sie auch den Leib fromm üben und in den Dienst des Schöpfers bringen, und das Gemüth wecken, und im innerlichen Dienste (Gottes) stärken und befördern. Ueberdieß sind sie als einige Zeugnisse des Glaubens, der Demuth und Frömmigkeit nicht zu vernachläßigen, weil sie nicht nur dem Nächsten, der sie sieht, sondern auch der Kirche Erbauung geben.

VIII. Warum sollen wir im Gebethe eifrig und ahaltend sein?

Erstens wegen des sehr großen und unendlichen Nutzens für diejenigen, welche recht bethen. Hernach weil das Gebeth eine eigentliche und nothwendige Uebung des Glaubens ist. Ueberdieß ist es in den göttlichen Schriften (a) häufig gebothen, und hat Nicht nur vielfältige, sondern auch außerordentliche Verheissungen voll Trostes und Süßigkeit. (b) Ich sage euch, spricht Christus, die Wahrheit selbst, alles, was ihr in eueren Gebethen bitten werdet, glaubet, daß es empfanget, und es wird euch widerfahren. Und wieder: (c) Ich sage euch: bittet und es wird euch gegeben; suchet und ihr werdet finden; klopfet an und es wird euch aufgethan werden. Denn ein Jeder der bittet empfängt; und welcher sucht der findet; und wer anklopft dem wird aufgethan. Und wieder: (d) Wenn ihr, da ihr böse seyd, eueren Kindern gute Gaben zu geben wisset, um wie viel mehr wird euer Vater, der im Himmel ist, Gutes geben denjenigen, die ihn bitten? Mit solchen Worten, wie (e) Chrysostomus wohl schließt, und mit solcher Hoffnung fodert uns der Herr über alles zum Gebethe auf. Uns aber, die wir Gott gehorsamen, geziemt, das ganze Leben allzeit im Lobe Gottes und Gebethe hinzubringen, und mit größerem Fleiße den Dienst Gottes zu besorgen, als unser Leben. Denn so geschieht es, daß der Mensch ein Leben führe, wie es seiner würdig ist. Dieses spricht Chrysostomus.

IX. Aus welchen Beyspielen mögen wir die Kraft und Frucht des Gebethes erkennen?

Der heilige Apostel Jakobus, damit er uns die Kraft des Gebethes in einem Beyspiele erklärte, hat so geschrieben: (a) Elias war ein Mensch, wie wir, auch den Leiden unterworfen, und er bethete ein
Gebeth, daß es nicht regnen sollte auf Erde, und es regnete nicht drey Jahre und sechs Monate. Und wieder bethete er, und der Himmel gab Regen, und die Erde gab ihre Frucht. Das Nämliche beweiset uns (b) St. Augustin durch mehrere Beyspiele. Da (c) Moses und (d) Samuel bethen, werden die Feinde, die Amalechiten und Philister, von den Juden geschlagen. Jeremias bethet, und wird im Kerker gestärkt. (f) Daniel bethet und frohlocket zwischen den Löwen. Die (g) drey Jünglinge bethen und springen vor Freude im Feuerofen. Der (h) Mörder am Kreuze bethet und findet das Paradies. Susanna (i) wird durch das Gebeth zwischen den Alten, die sie fälschlich anklagen, gerettet. (k) Stephanus bethet und wird in den Himmel aufgenommen, und unter den jenigen die ihn steinigen, für Saulus, erhört.
An diesen (l) Beyspielen wird uns nicht nur die Frucht des Gebethes gezeigt, sondern auch der Eifer und das Anhalten des Gebethes empfohlen. Daher ermahnt uns die apostolische Schrift: (m) Bethet ohne Unterlaß und saget in allen Dingen Dank. Und wieder: (n) Bethet für einander, auf daß ihr sellg werdet, denn das Gebeth des Gerechten vermag viel, wenn es anhält. Ferner: (o) Das ist das Vertrauen welches wir zu Gott haben, daß, was wir immer bitten nach seinem Willen, er uns erhöre. Ueberdieß: (p) Welcher weiß, daß sein Bruder eine Sunde begeht, die nicht zum Tode ist, der bitte, und es wird ihm das Leben gegeben werden.