Samstag, 12. Oktober 2013

Predigt vom hl. Thomas v. Aquin - Auf das Fest der Verkündung Mariä

Auf das Fest der Verkündung Mariä


 (Aus dem Buch Des heiligen Thomas von Aquin, des englischen Lehrers, Predigten auf das ganze Kirchenjahr)

 Erste Rede



Es wird ein Zweig von der Wurzel Jesse hervorsprossen, und eine Blume aus seiner Wurzel aufsteigen Isai. 11, 1.

 Dieß sagte Isaias von der Empfängniß und Geburt unsers Herrn Jesu Christi vorher. Davon wird dreierlei gesagt; zuerst die Würde der Empfangenden; zweitens die Würde des Empfangenen; und drittens der Nutzen der Empfängniß, indem es heißt: Und der Geist des Herrn wird auf ihm ruhen.


 In Bezug auf den ersten Punkt ist zu bemerken, daß die seligste Jungfrau schön huldreiceh und glorreich ist. Sie ist schön wegen des Glanzes der Jungfrauschaft ,wegen der Röthe der Liebe und der Handhabung der Heiligkeit, Demuth, wegen der Blumen der begehrenswerthen Sitten, wegen der lieblichen Blätter der süßen Worte. Hinsichtlich des ersten und zweiten Punktes heißt es (H. Lied 1.): "Sieh, du bist ganz schön, meine Freundin!" Hinsichtlich des dritten (Ps. 44.): "Die Ruthe deiner Gerechtigkeit ist die Ruthe deines Reiches." Hinsichtlich des vierten (Luc. 1.): "Er sah auf die Demuth seiner Magd herab." Und das hohe Lied (3.) sagt: "Wer ist die, so aus der Wüste heraufsteigt, wie eine Rauchsäule von Specereien aus Myrrhen und Weihrauch?"

Hinsichtlich des fünften und sechsten (Judith. 11.): "Diesem Weib ist keines auf Erden gleich an Gestalt und Schönheit und Weisheit im Reden." Und wiederum (H. Lied 3.): "Eine Sänfte machte sich der König Salomon aus Holz vom Libanon (dieß der Glanz der Reinigkeit); ihre Säulen (dieß die Heiligkeit) machte er von Silber (dieß die Süßigkeit der Worte), die Lehne von Gold (dieß die Demuth), den Antritt von Purpur (dieß die ehrbaren Sitten), das Innere belegte er lieblich um der Töchter Jerusalems willen (dieß die Liebe)."

 Sie iis also schön; sie ist aber auch huldreich in Bezug auf viele Werke. Zuerst, weil sie uns das Meer zertheilte, d.h. die Welt um durchgehen gu können. "Erhebe deinen Stab (Virga, Stab, Ruthe, ist hier wegen der Buchstabenähnlichkeit mit virgo, Jungfrau, in Vergleich gesetzt, was man in unserer Sprache nicht wiedergeben kann) und schlage darauf" (Exod. 14.). Zweitens, weil Christus uns vom Felsen das Wasser der Gnade zum Trinken gab. Es heißt (Röm. 20.): "Nimm den Stab und versammle das Volk, du und Aaron, bein Bruder, und rede zu dem Felsen vor ihnen, so wird er Wasser geben." Drittens, weil sie uns den Honig der Andacht zur Stärkung gibt. Es heißt (l. Kön. 13.): "Er dehnte die Spitze des Stabes aus und tauchte ihn in den Honigkuchen." Viertens, weil wir durch sie den Teufel überwinden. Es heißt (II. Kön. 23.): "Und als er zu ihm mit der Ruthe gekommen war, entwand er mit Gewalt die Lanze aus der Hand des Ägyptiers," d.h. des Teufels. Fünftens, weil wir durch sie die göttliche Gnade erlangen. Es heißt (Esther. 4.): "Alle wissen, daß wer in den innern Hof des Königs hineingeht, ohne gerufen zu sein, ohne Verzug alsbald sterben müsse, es sei denn, daß der König zum Zeichen der Gnade den goldenen Scepter gegen ihn ausstrecke, so daß er am Leben bleiben kann. Sechstens, weil wir durch sie von den Händen aller Feinde befreit werden. Es heißt (Ps. 109.): "Den Stab feiner Kraft wird der Herr ausstreckn." Von dieser sagt das hohe Lied (3.): "Wer ist die, welche aus der Wüste heraufsteigt wie eine Rauchsäule von Specereien aus Myrrhen und Weihrauch und allerlei Pulver des Salbenkrämers?"

 Sie ist auch herrlich, weil sie ohne Feuchtigkeit blühte, ohne Verunstaltung Blätter trieb und ohne Verletzung gebar. Davon heißt es (Num. 17.): "Er fand grünen den Stab Aarons, des Hauses Levi,, wie wenn vollen Knospen Blumen entblüheten, welche die Blätter ausbreitend, zu Mandeln sich gestalteten." Sie ist auch ruhmvoll, weil sie von den Weisen vorherverkündet, von den Menschen vorhergesagt und von allen Geschlechtern selig gepriesen wurde. Hinsichtlich des ersten Punktes heißt es (Num. 23.): "Es wird ein Stern aus Jacob ausgehen." Hinsichtlich des zweiten (Isai. 15.): "Es wird ein Reis aus der Wurzel Jesse hervorgehen." Hinsichtlich des dritten (Luc. 1.): "Von nun an werden mich alle Geschlechter selig preisen."

 Diefe Jungfrau ist also schön, gnadenreich und glorreich. Es ging auf eine Blume, d.h. Christus, welcher Blume heißt, weil er die Schönheit der Heiligkeit, der Geruch der Güte, das Heilmittel der Gesundheit war. Hinsichtlich des ersten und zweiten Punktes heißt es (H. Lied. 2.): "Ich bin eine Blume des Feldes und eine Lilie des Thales." Hinsichtlich des dritten (l. Petr. 3.): "Durch seine Wunden sind wir erlöst."

Dieß ist die Würde des Empfangenen. Es folgt der Nutzen der Empfängniß, welcher in der Vernichtung aller Sünden bestand. "Es wird auf ihm der Geist des Herrn ruhen, der Geisft der Weisheit und des Verstandes, der Geist des Rathes und der Stärke, der Geist der Wissenschaft und der Frömmigkeit," damit er nämlich die Wollust, die Völlerei, den Geiz, die Trägheit, den Neid und den Zorn und Stolz besiegte u.s.w.

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