Elftes Hauptstück - Vom zehnten Artikel des apostolischen Glaubensbekenntnisses.
Ablass der Sünden.
I. Wie es nothwendig ist, zu glauben, dass es in der Kirche eine Nachlassung der Sünden gebe.
1) Ohne bestimmten Glauben der Artikel des Symbolen wird Niemand selig.
2) Dass in der Kirche wirklich die Gewalt, Sünden nachzulassen, da sey.
I. Niemand, der diesen Artikel von der Nachlassung der Sünden unter
den übrigen Glaubensartikeln aufgezählt sieht, kann zweifeln, dass in demselben
nicht nur irgend ein göttliches, sondern auch ein zur Erlangung der Seligkeit sehr nothwendiges Geheimnis
enthalten sey, indem schon oben erklärt worden ist, dass Niemand ohne bestimmten
Glauben desjenigen was im Symbole enthalten ist, zur christlichen Frömmigkeit
gelangen kann. Soll man aber das, was schon an sich Allen bekannt seyn muss,
doch durch irgend ein Zeugniss bekräftigen, so ist
jenes hinlänglich, welches
unser Erlöser kurz vor seiner Himmelfahrt, als er seinen Jüngern den Verstand,
um die Schriften zu verstehen, eröffnete, ablegte mit den Worten: Christus mussle leiden, und am dritten Tage von Todten
auferstehen, es musste in seinem Namen Busse und Verzeihung der Sünden gepredigt
werden unter allen Völkern, von Jerusalem angefangen. [Luc. 24,46] Wenn die Seelsorger diese Worte beachten,
werden sie leicht einsehen, dass ihnen vom Herrn streng eingeschärft worden sey,
dass sie das Uebrige, was die Religion betrifft, den Gläubigen darlegen, aber
vorzüglich diesen Artikel mit aller Sorgfalt erklären müssen.
II. Was also diese Stelle anbelangt, so ist es die Pflicht des
Seelsorgers, zu lehren, dass sich in der katholischen Kirche nicht bloss
Nachlassung der Sünden finde, von welcher Isaias vorhergesagt hatte: Vom Volke,
das in ihr wohnt, wird die Sünde hinweggenommen werden; sondern auch, dass sie
die Gewalt besitze, die Sünden nachzulassen. Wenn sich die Priester dieser
Gewalt rechtmässig und nach den von Christus dem Herrn vorgeschriebenen Gesetzen
bedienen, so muss man aufrichtig glauben, dass die Sünden nachgelassen und
verziehen werden.
II. Auf welche Weise in der Kirche die Sünden nachgelassen werden.
In der Taufe wird alle Schuld und Strafe nachgelassen. Hierüber wird
weitläufiger bei der Taufe geredet. Durch die Taufe wird nicht alle
Begierlichkeit gehoben. Es war nothweiidig, dass der Kirche die Nachlassung der
Sünden auch auf eine andere Weise, als durch das Sakrament der Taufe überlassen
sey, wegen der Geneigtheit zum Rückfalle. Diess wird weitläufiger bei der Busse
erklärt. Das Sakrament der Busse ist in den Schriften sehr klar erwiesen.
Sobald wir den Glauben bekennen, und durch die Taufe abgewaschen
werden, wird uns diese Verzeihung in einem solchen Uebermaase ertheilt, dass
keine Schuld auszutilgen, und keine Strafe abzubüssen übrig bleibt, mag sie nun
durch die Abstammung, oder durch freiwillige Handlung
oder Unterlassung zugexogen seyn. Doch wird durch die Taufe Niemand von voller
natürlichen Schwäche befreit, vielmehr, da Jeder gegen die Lockungen der
Begierlichkeit, die zur Sünde uns anzureizen nicht aufhört zu kämpfen hat, so
wird sich kaum Jemand finden, der so standhaft widersteht, oder so eifrig über
seine Seligkeit wacht, dass er alle Fehler vermeiden kann. Da es also nothwendig
war, dass in der Kirche die Sünden auch auf andere Weise, als durch das
Sakrament der Taufe, nachgelassen werden können, so sind ihr die Schlüssel des
Himmelreiches anvertraut worden, wodurch einem jeden Büsser, auch wenn er bis
zum letzten Tage des Lebens in Sünden verharrt ist, seine Sünden nachgelassen
werden können. Wir haben hierüber in der Schrift die deutlichsten Beweise. Denn
bei'm heiligen Matthäus redet der Herr den Petrus so an: Dir
will ich die Schlüssel des Himmelreiches übergeben, und was du immer binden
wirst auf Erden, soll auch im Himmel gebunden seyn; und was du immer lösen wirst
auf Erden, soll auch im Himmel gelöset seyn. [Matth.
16,19] Ebenso heisst es: Was ihr binden werdet auf
Erden, soll auch im Himmel gebunden seyn; und was ihr lösen werdet auf Erden,
soll auch im Himmel gelöset seyn. [Matth. 16,19]
Ferner bezeugt der heilige Johannes, dass der Herr, nachdem er die
Apostel angehaucht hatte, gesagt hahe: Empfanget den
heiligen Geist: >Welchen ihr die Sünden nachlasset, denen sind sie
nachgelassen; welchen ihr sie behaltet, denen sind sie behalten. [Joh. 20,21]
III. Die Gewalt, die Sünden nachzulassen, ist nicht auf bestimmte Sünden und Zeit beschränkt.
Umfang der Nachlassungsgewalt.
Niemand soll dafür halten, dass diese Gewalt auf einige gewisse
Arten von Sünden beschränkt sey; denn es kann keine so gotteslästerliche That
begangen oder gedacht werden, die die Kirche durch ihre Gewalt nicht nachlassen
könnte. Ebensowenig wird Jemand so lasterhaft und gottlos seyn können, dass er
nicht, wenn er seine Vergehen wahrhaft bereut, mit festem Vertrauen Verzeihung
hoffen dürfte. Auch ist diese Gewalt nicht so beschränkt, dass man, sich ihrer
nur zu einer gewissen Zeit bedienen könnte. Mag der
Sünder zu was immer für einer Stunde zurückkehren wollen, so hat unser Erlöser
erklärt, dass man ihn nicht Verstossen soll, indem er dem Apostelfürsten auf die
Frage, wie oft man den Sündern verzeihen müsse, antwortete: Nicht siebenmal, sondern siebzigmal siebenmal. [Matth. 18,22]
IV. Nicht alle Christen haben die Gewalt, die Sünden nachzulassen.
In der Kirche lassen die Priester Allen durch Anwendung der Sakramente
die Sünden nach. Christus ist die Grundursache der Nachiassung der Sünden. Die
Priester aber und die Sakramente sind Werkzeuge.
Wenn wir die Ausspender dieser göttlichen Gewalt betrachten, so
werden wir finden, dass sie nicht so weit ausgedehnt sey. Denn der Herr hat
nicht allen Christen, sondern nur den Bischöfen und Priestern die Gewalt
ertheilt, ein so heiliges Amt zu verwalten. Dasselbe gilt auch, was die Art und
Weise der Ausübung dieser Gewalt betrifft. Nur durch die Sakramente, wenn die
vorgeschriebene Form beobachtet wird, können die Sünden nachgelassen werden; auf
eine andere Weise ist der Kirche kein Recht verliehen, von Sünden loszusprechen.
Hieraus folgt, dass sowohl die Priester, als auch die Sakramente, gleichsam nur
als Werkzeuge gelten, um die Sünden nachzulassen; und durch sie bewirkt in uns
Christus der Herr, der Urheber und Ausspender des Heiles, Nachlassung der
Sünden,und Gerechtigkeit.
V. Welch ein grosses Geschenk durch die Nachlassung der Sünden der Kirche übergeben sey.
Die Rechtfertigung der Sünder ist das Werk der göttlicheu Allmacht.
Damit aber die Gläubigen dieses himmlische Geschenk, welches Gott
aus besonderer Barmherzigkeit gegen uns der Kirche verliehen hat, besser
erkennen, und mit grossem Feuereifer sich dessen Gebrauche und Empfange nahen,
so wird sich der Seelsorger bemühen, die Würde und Erhabenheit dieser Gnade
lichtvoll darzustellen. Man erkennt sie aber vorzüglich darin, wenn sorgfältig
erklärt wird, wer die Sünden nachlassen, und die ungerechten Menschen gerecht machen kann. Es ist bekannt, dass dies durch die unendliche
und unermessliche Kraft Gottes bewirkt werde, welche Kraft wir auch zur
Erweckung von Todten, und zur Erschaffung der Welt für nothwendig halten. Wenn
man es, nach der Meinung des heiligen Augustin , für ein grösseres Werk hallen
muss. Jemand, der gottlos war, fromm zu machen, als Himmel und Erde aus Nichts
zu erschaffen, da doch die Schöpfung selbst nur durch eine unendliche Kraft
geschehen konnte, so folgt daraus, dass man um desto mehr die Nachlassung der
Sünden der unendlichen Macht Gottes zuschreiben müsse.
VI. Niemand lässt durch eigene Gewalt die Sünden nach, als Gott allein.
Gott allein lässt die Sünden nach, was durch ein Gleichnis erklart
wird.
Als unumstösslich wahr erkennen wir den Ausspruch der Väter, dass
von Gott allein den Menschen die Sünden verziehen werden, und dass man diess so
wunderbare Werk auf keinen andern Urheber, als auf seine höchste Macht und Güte,
beziehen dürfe. Ich bin's,
[Isai. 47,25] spricht der Herr selbst durch den Propheten, ich selbst
bin's, der deine Sünden tilgt. Bei der Nachlassung der Sünden scheint die
nämliche Art und Weise beobachtet zu werden, wie bei einer Schuld von Geld.
Gleichwie von Niemanden, als vom Gläubiger, das Geld, welches man schuldig ist,
nachgelassen werden kann, ebenso ist es einleuchtend, da wir durch die Sünde nur
Gott allein schuld verfallen sind (wir beten ja täglich: Vergib uns unsere
Schulden), dass von niemand Anderm, als von ihm, unsere Schulden nachgelassen
werden können.
VII. Vor Christi Geburt hatte kein Sterblicher die Gewalt, Sünden nachzulassen.
Christus als Mensch hatte die Gewalt der Sündenvergebung in einem
auszeichneten Grade.
Dieses wunderbare und göttliche Geschenk war, ehevor Gott Mensch
geworden ist, keinem Geschöpfe verliehen. Zuerst vor Allen hat Christus, unser
Heiland, als Mensch, da er zugleich wahrer Gutt war, dieses Geschenk vom himmlischen Vater erhalten. Es heist:
Damit ihr wisset, dass der Sohn des Menschen Gewalt hat, auf
Erden die Sünden nachzulassen, so sprach er zum Gichtbrüchigen: Steh auf, nimm
dein Bett, und geh nach Hause. [Matth. 9,6]
[Marc. 2,9] Da er
also Mensch geworden war, um den Menschen diese Sündenvergebung zu verleihen, so
hat er, ehe er in den Himmel auffuhr, um ewig zur rechten Hand Gottes zu sitzen,
die nämliche Gewalt den Bischöfen und Priestern in der Kirche verliehen, obwohl,
wie wir oben lehrten, Christus aus eigener Macht, die übrigen aber als seine
Diener, die Sünden nachlassen. Wenn wir desshalb das, was durch die unendliche
Macht bewirkt worden ist, überaus bewundern und anstaunen müssen, so sehen wir
ein, dass diess das kostbarste Geschenk sey, welches durch die mildreiche Güte
Christi, unsers Herrn, der Kirche ertheilt worden ist.
VIII. Durch welche Kraft die Menschen Verzeihung ihrer Sünden erlangen.
Durch das Blut Christi werden die Sünden nachgelassen.
Selbst die Art und Weise, wodurch Gott, der barmherzigste Vater,
die Sünden der Welt auszutilgen beschlossen hat, regt die Gemüther der Gläubigen
sehr an, die Grösse dieser Wohllhat zu betrachten; denn er wollte, dass durch
das Blut seines Eingebornen Sohnes unsere Sünden sollten ausgesöhnet werden, so
dass er die Strafe, welche wir für unsere Sünden verdient haben, freiwillig
büsste, und er, der Gerechte, statt [I. Petr. 3,15] der Ungerechten verurtheilt, der
Schuldlose für die Schuldigen mit dem bittersten Tode bestraft wurde. Wenn wir
also bedenken, dass wir nicht durch vergängliches Gold und Silber erlöst worden
sind, sondern durch das kostbare Blut des schuldlosen und unbefleckten Lammes
Christus, [I.Petr. 1,18]
so werden wir daraus leicht schliessen, dass uns nichts Heilsameres hätte
gegeben werden können, als diese Gewalt der Sündenvergebung, welche Gottes
unerforschliche Vorsehung, und seine unendliche Liebe zu uns klar darlegt. Und
aus dieser Betrachtung müssen nothwendig Alle den herrlichsten Nutzen schöpfen.
IX. Woraus man vorzüglich die Grösse der Wohlthat, welche durch die Schlüsselgewalt dargeboten wird ersehe.
1) Grösse der Todsünde. 2) Welch grosse Wohlthat Gott durch die
Schlüsselgewalt der Kirche ertheilt hat.
I. Wer Gott durch eine Todsünde beleidigt, verliert auf der Stelle
alle Verdienste, die er durch den Tod und das Kreuz Christ; erlangt hat, und
wird gänzlich ausgeschlossen aus dem Paradiese, das Christus, da es vorher
verschlossen war, durch sein Leiden Allen eröffnet hat. Wenn wir an diess
denken, so müssen wir nothwendig bei der Betrachtung des menschlichen Elendes
sehr bekümmert werdend.
II. Aber wenn wir unser Gemüth zu jener wunderbaren Macht erheben,
welche die Kirche von Gott erlangt hat, und wenn wir, gestärkt durch den Glauben
dieses Artikels, für wahr halten, dass einem Jeden die Macht dargeboten sey,
dass er, unterstützt von göttlicher Hülfe, in den Stand seiner vorigen Würde
wieder eingesetzt werden kann, dann sind wir gezwungen, in höchster Freude und
Jubel aufzujauchzen, und Gott unsterblichen Dank darzubringen. Und wahrlich,
wenn uns die Arzneien, welche uns bei einer schweren Krankheit durch die Kunst
und Einsicht der Aerzte bereitet werden, angenehm, und lieblich zu seyn
scheinen, wie viel lieblicher müssen uns jene Heilmittel vorkommen, welche
Gottes Weisheit zum Heile der Seelen, und dadurch zur Wiedererlangung des Lebens
angeordnet hat, vorzüglich da sie nicht, wie jene Arzneien, welche körperlich
angewendet werden, nur eine zweifelhafte Hoffnung, sondern bei denen, welche
durch sie geheilt zu werden verlangen, die sicherste Heilung bewirken.
X. Warum und wie die Christen jene Mittel gebrauchen sollen, welche der Kirche durch die Schlüsselgewalt ertheilt worden sind.
1) Das Sakrament der Busse muss oft gebraucht werden. 2) Wegen der
Macht der Vergebung darf man nicht sündigen.
I. Die Gläubigen müssen ermahnet werden, dass sie, nachdem sie die
Erhabenheit dieses so grossen und vortrefflichen Geschenkes erkannt haben,
dasselbe auch gewissenhaft, zu ihrem Nutzen anwenden.
Denn leicht geschieht es, dass diejenigen, welche sich einer nützlichen und
nothwendigen Sache nicht bedienen, dieselbe in Missachtung bringen, besonders da
Gott diese Gewalt der Sündenvergebung der Kirche aus der Absicht übergeben hat,
dass sich Alle dieses Heilmittels bedienen. Wie Niemand ohne Taufe entsündiget
werden kann, so muss Jeder, der die durch begangene Todtsünden verlorne Gnade
der Taufe wiedererlangen will, zu dieser Art von Entsündigung, nämlich zum
Sakramente der Busse seine Zuflucht nehmen.
II. Hier sind die Gläubigen zu ermahnen, dass sie durch eine so
leichte Weise, Verzeihung zu erlangen, welche durch keine Zeit begränzt wird,
sich nicht leichtsinniger zur Sünde, oder träger zum Widerstände machen lassen.
Denn im ersten Falle, wenn sie sich gegen diese göttliche Gewalt ungerecht und
gottlos zeigen, sind sie nicht würdig, dass ihnen Gott seine Barmherzigkeit
zuwende; im zweiten Falle aber ist sehr zu befürchten, dass sie, vom Tode
überrascht, umsonst auf die Nachlassung der Sünden ihr Vertrauen gesetzt haben,
da sie dieselbe durch ihre Trägheit und Aufschiebung mit Recht verloren haben.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen