Donnerstag, 30. Mai 2013

Die Fronleichnams-Sequenz von Thomas von Aquin (+1274)


Als einst ein wichtiger Streit entstand über die Brotsgestalten, unter denen Jesus im heiligsten Sakramente gegenwärtig ist, kamen alle Doktoren überein, ihre Streitschriften dem heiligen Thomas vorzulegen, und seine Entscheidung sich zu unterwerfen. — Thomas betet nach seiner Gewohnheit, dann schreibt er nieder, was der Geist Gottes ihm eingibt. Bevor er aber seine Meinung kund gibt, will er Jesum Christum selbst um Rat fragen. Er geht in die Kirche, legt das, was er geschrieben, auf den Altar vor den Tabernakel hin und betet also: 
„O Herr Jesu Christi,
der du in diesem wunderbaren Sakramente wahrhaft gegenwärtig bist, dessen Werke unbegreifliche Wunder sind, ich beschwöre dich demütig, mache mir kund, ob das, was ich über dich geschrieben habe, mit der Wahrheit übereinstimmt; verleihe mir die Gabe, es meinen Brüdern zu lehren und sie davon zu überzeugen; ist im Gegenteile in dieser Schrift Etwas dem katholischen Glauben entgegen, so nimm mir die Möglichkeit, es ihnen vorzutragen.”
Thomas hatte kaum seine Gebet vollendet, als Jesus erschien, und, auf die von Thomas Hand geschriebenen Blätter hindeutend, liebevoll zu ihm sagte:
„Du mein Sohn hast würdig über das Sakrament meines Leibes gesprochen!”
Und da das Gebet des Heiligen noch länger währte, sah man, wie er allmälig eine Elle hoch in der Luft erhoben wurde. — Da um diese zeit auch das heilige Fronleichnamsfest eingeführt wurde, so befahl Papst Urban IV. dem heiligen, das Officium Missae et Breviarii de Sanctissimo Sacramento (das Meß- und Breviergebet vom heiligen Altarssakramente) zu verfassen. Auch dem heiligen Bonaventura soll der Papst den nämlichen Auftrag gegeben haben. Der heil. Thomas machte sich mit Freuden an die Arbeit; welche er unter beständigem Gebete vollendete und die als ein unvergängliches Denkmal unseres heil. Glaubens da steht. Während der Arbeit besuchte Bruder Bonaventura den Heiligen. Auch er hatte seine Arbeit vollendet. Als er aber das Werk des heiligen Thomas las, da war er von der Schönheit des selben so entzückt, daß er in seine Zelle eilte, und seine Schrift in das Feuer warf. — Auch die schönen Lieder, Pangue Lingua und Lauda Sion, welche noch immer in der katholischen Kirche ertönen, hat der heilige Thomas damals verfaßt.

Die Fronleichnams-Sequenz von Thomas von Aquin (+1274)

Deinen Heiland, Sion, preise, 
lobe Ihn in Wort und Weise, 
der dir Hirt und Führer ist. 
Was du kannst, das sollst du wagen; 
Ihm gebührend Lob zu sagen, 
man vergebens sich vermißt.
Brot des Lob das Lied verkündet, 
das lebendig Leben zündet, 
beut sich heute festlich dar. 
Daß Er es im heil`gen Saale 
den zwölf Brüdern gab beim Mahle, 
ist ohn` jeden Zweifel wahr. 
Lob erschalle, Lob ertöne, 
Gott genehm, voll hoher Schöne, 
sei des Herzens Jubellaut. 
Denn das Fest wird heut`begangen, 
von des Tages Glanz umfangen, 
der uns dieses Pfand vertraut. 
Neuen Königs Tafelrunde, 
neues Lamm im neuen Bunde 
hat des alten End`gebracht. 
Neues treibt das Alte fort, 
Schatten scheucht der Wahrheit Wort 
und das Licht verbrannt die Nacht. 
Was beim Mahl durch Ihn geschehen, 
das hieß Christus uns begehen 
zum Gedächtis seinem Tod.
Treu befolgend heil`ge Lehren, 
Weihen, unser Heil zu mehren, 
wir als Opfer Wein und Brot. 
Wie des Christen Glaube lehret, 
Brot in Christi Fleisch sich kehret, 
und in Christi Blut der Wein. 
Sehen kannst du`s nicht, noch fassen 
starker Glaube wird`s nicht lassen 
trotz Natur und Augenschein. 
Unter beiderlei Gestalten, 
die als Zeichen nur hier walten, 
birgt sich göttliche Substanz. 
Blut als Trank und Fleisch als Speise; 
Christus ist auf beide Weise 
bei uns ungeteilt und ganz. 
Wer Ihn aufnimmt, bei Ihm weilet, 
hat Ihn voll und ungeteilet, 
ungebrochen, unbrechbar. 
Einer nimmt und tausend nehmen, 
gleichviel stets, soviel auch kämen, 
immer bleibt Er was Er war. 
Gute kommen, Böse kommen, 
doch nicht jedem will es frommen, 
Leben bringt`s und Todesbann. 
Bösen:Tod, den Guten: Leben;
sieh, das Gleiche wird gegeben, 
doch nicht Gleiches man gewann.
Wird die Hostie gespalten, 
zweifle nicht! laß Glauben walten: 
jedem Teile bleibt erhalten 
doch des Ganzen Vollgehalt. 
Brechen kann man nur das Zeichen. 
Doch nie dessen Sein erreichen; 
nichts von Christus kann da weichen, 
weder Zustand, noch Gestalt. 
Sieh, das Brot, der Engel Gabe, 
wird den Pilgern hier zur Labe,
wahrhaft ist`s der Kinder Habe, 
nicht den Hunden werft es hin. 
Längst im Bild war`s vorbereitet; 
Jsaak, der zum Opfer schreitet, 
Osterlamm, zum Mahl bereitet. 
Manna nach der Väter Sinn.
Guter Hirt, Du wahre Speise,
Dich barmherzig uns erweise; 
nähre uns auf unserer Reise;
Deine Güter, Jesu, weise 
uns im wahren Lebensland. 
Du, der alles weiß und leitet, 
hier im Todestal uns weidet; 
dort, wo licht Dein Reich sich breitet, 
sei uns Los und Tisch bereitet 
 in der Heiligen Verband. 
Amen. Alleluja.  

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