Römischer Katechismus (Catechismus). Nach dem Beschlusse des Conciliums von Trient und auf Befehl des Pabstes Pius V. herausgegeben. Passau, Druck und Verlag von Friedrich Winkler 1839
Vierter Teil - Dreizehntes Hauptstück - Von der vierten Bitte - Gib uns heute unser tägliches Brod.
I. Welche Ordnungsweise in diesem Gebete des Herrn beobachtet sey.
Die vierte, und alle folgenden Bitten, worin wir um Hilfe für Seele
und Leib eigentlich und namentlich bitten, beziehen sich auf die vorhergehenden.
Das Gebet des Herrn hat diese Ordnung und Weise, dass auf die Bitte um göttliche
Dinge die Bitte um solche folgt, welche sich auf den Leib, und auf die Erhaltung
dieses Lebens beziehen. Denn wie sich die Mensehen zu Gott, als dem letzten
Endzwecke, wenden, so sollen sich die Güter des menschlichen Lebens gleichfalls
nach den göttlichen richten.
II. Warum es erlaubt sey, Güter des menschlichen Lebens von Gott zu wünschen und zu verlangen.
Diese Güter soll man desswegen wünschen und um sie bitten, theils
weil es die göttliche Anordnung so fordert, theils weil wir ihrer als
Hilfsmittel zur Erlangung göttlicher Güter bedürfen, damit wir durch ihre Hilfe
das vorgesetzte Ziel erreichen, welches im Reiche und in der Herrlichkeit des
himmlischen Vaters, und in der Heilighaltung und Beobachtung derjenigen Gebote
besteht, welche wir als den Willen Gottes
erkennen. Daher müssen wir die ganze
Kraft und den Inhalt dieser Bitte auf Gott und seine Herrlichkeit beziehen.
NB. Was hier fehlt, folgt nach dem Codex manut, später sub IX.
III. In welcher Absicht und Weise man um zeitliche Güter bitten müsse.
1) Um zeitliche Güter muss man nach der Vorschrift Gottes bitten. 2)
Bei dem Gebete um zeitliche Güter ist die Beschaffenheit des Gebetes nach dem
Vorsatze des Betenden zu bemessen.
I. Die Seelsorger werden die gläubigen Zuhörer pflichtgemäss
belehren, damit sie einsehen, dass bei dem Gebete um dasjenige, was den,
Gebrauch und Nutzen irdischer Dinge betrifft, unsere Seele und unser Verlangen
nach der Vorschrift Gottes geordnet seyn müsse, und davon durchaus nicht
abweichen dürfe. Denn darin, was der Apostel schrieb: Was
wir beten sollen, wie sich's gebührt, wissen wir nicht, [Röm. 8,26] wird am meisten gefehlt bei diesen Bitten, um
irdische und vergängliche Dinge. Also muss man um diese Güter so beten, wie
sich's gebührt; damit wir nicht, indem wir etwas Unrechtes verlangen, jene
Antwort von Gott erhalten: Ihr wisset nicht, was ihr bittet.
[Matth. 20,22]
II. Das sichere Kennzeichen aber zu beurtheilen, welche Bitte
unrecht sey, und welche recht, ist die Absicht des Bittenden. Denn wenn Jemand
um irdische Dinge bittet, in der Absicht, dass er sie unbedingt alle für gut
hält, und in ihnen, gleichsam als dem letzten Endzwecke seine Ruhe findet, und
nichts mehr ausser ihnen verlanget, so betet er ohne Zweifel nicht, wie sich's
gebührt. Der h. Augustin sagt: "Wir bitten um dieses Zeitliche nicht als um
unsere Güter, sondern als um unsere Bedürfnisse." Auch der Apostel lehret im
Briefe an die Korinther, dass man alles, was die nothwendigen Lebensbedürfnisse
betrifft, auf Gottes Verherrlichung beziehen müsse. Darum
möget ihr essen oder trinken, oder etwas Anderes thun, so thut Alles zur Ehre
Gottes. [I. Cor. 10,31]
IV. Wie viele und grosse Vortheile der Mensch im Stande der Unschuld besass.
Wie vieler Dinge wir bedürfen, welche im Stande der Unschuld nicht
nothwendig waren. Alle körperliche Arbeit war im Paradiese den Menschen angenehm
und die Erde fruchtbar.
Damit aber die Gläubigen sehen, wie nothwendig diese Bitte sey:
sollen die Seelsorger darstellen, wie gross das Bedürfniss der äusserlichen
Dinge zum Unterhalte und zur Beförderung des Lebens sey; diess aber werden sie
deutlicher einsehen, wenn man es mit dem vergleicht, was unsern Stammeltern, und
nachher den übrigen Menschen zum Leben nothwendig war. Denn obschon der Mensch
im herrlichen Stande der Unschuld, woraus er selbst, und durch seine Schuld die
ganze Nachkommenschaft fiel, nothwendig hatte zu essen, um seine Kräfte zu
erquicken, so ist doch zwischen seinen und unsern Lebensbedürfnissen ein
mächtiger Unterschied. Er brauchte keine Kleider zur Körperbedeckung, kein
Obdach als Zufluchtsort, keine Waffen zur Verteidigung, keine Arznei zur
Gesundheit, und vieles andere nicht, dessen Beihilfe wir zum Schutze dieser
schwachen und gebrechlichen Natur bedürfen. Es wäre ihm zum unsterblichen Leben
jene Frucht hinreichend, gewesen, welche der glückselige Baum des Lebens ohne
seine oder seiner Nachkommen Mühe gebracht hätte. Und es wäre der Mensch bei den
so grossen Freuden des Paradieses nicht müssig gewesen, da ihn Gott in diese
Wohnung des Vergnügens zum Arbeiten gesetzt hatte, allein es wäre ihm keine
Arbeit beschwerlich, keine Pflichterfüllung unangenehm gewesen. Er würde
beständig die süssesten Früchte geerntet haben, aus dem Bebauen der seligen
Gefilde, und weder Mühe noch Hoffnung hätte ihn jemals getäuscht.
V. Welche Uebel der Sünde Adams gefolgt sind.
Allein seine Nachkommenschaft ist nicht blos der Frucht des Baumes
des Lebens beraubt, sondern auch durch jenen furchtbaren RBichterspruch
verurtheilt worden, Die Erde sei verflucht in deinem Werk;
mit vieler Arbeit sollst du essen von ihr alle Tage deines Lebens. Dörner und
Distel soll sie dir tragen, und du sollst das Kraut der Erde essen. Im Schweisse
deines Angesichtes sollst du dein Brod essen, bis du zur Erde wiederkehrest, von
der du genommen bist. Denn du bist Staub, und sollst zum Staube wiederkehren.
[Gen. 3,17-20] Uns widerfuhr daher von Allem
das Gegentheil, was dem Adam und seinen Nachkommen zu Theil geworden wäre, wenn
er dem Befehle Gottes gehorcht hätte. Also aber ist Alles verkehrt und äusserst
verschlimmert worden. Das Traurigste dabei ist, dass durch die grössten Kosten,
durch die beschwerlichste Arbeit und Schweiss gar oft kein Nutzen erzielet wird,
da die Saat nicht aufkeimet, oder der junge Keim durch Unkraut erstickt wird,
oder durch Regenschauer, Wind, Hagel, Brand und Frost geschlagen und
niedergeworfen, zu Grunde geht; so dass alle Arbeit eines Jahres in kurzer Zeit
durch irgend ein unglückliches Ereigniss der Witterung zernichtet wird. Diess
kömmt von dem Uebermnasse unserer Sünden, wegen welcher Gott sich von uns
abwendet, und unsern Arbeiten seinen Segen nicht ertheilet; und es bleibt immer
der schreckliche Ausspruch, den er über uns am Anfange gethan hat.
VI. Die Menschen sind zur Arbeit verbunden, um ihren Bedürfnissen abzuhelfen, jedoch arbeiten sie vergeblich, wenn ihnen Gott nicht gnädig ist.
Daher sollen die Seelsorger auf die Abhandlung dieser Stelle grosse
Mühe verwenden, damit das gläubige Volk wisse, dass die Menschen aus eigener
Schuld in diese Noth und in dieses Elend gestürzt seyen, damit sie einsehen, man
müsse zwar schwitzen und sich abmühen, um das zu erwerben, was zum Leben
notwendig ist; jedoch, wenn Gott unsere Arbeiten nicht segnet, so sey alle
Hoffnung trügerisch, und eitel die Anstrengung. Denn, weder
der ist etwas, welcher pflanzt, noch der, welcher begiesst, sondern Gott, der
das Gedeihen gibt. [I. Cor. 3,7] Und: Wenn der Herr das Haus nicht bauet, so arbeiten die Bauleute
umsonst. [Ps. 126,1]
VII. Man muss Gott bitten, dass er das, was wir bedürfen, geben möge; was er reichlich thut.
Die Seelsorger sollen also lehren, es gebe beinahe unzählige Dinge,
bei deren Ermanglung wir entweder das Leben verlieren, oder es in
Unannehmlichkeit dahinbringen. Denn wenn das christliche Volk diese
Notwendigkeit der Dinge und die Schwäche der Natur erkennet, so wird es
gezwungen werden, dem himmlischen Vater sich zu nahen, und ihn um irdische und
himmlische Güter zu bitten. Es wird nachahmen jenen verlornen Sohn, der, als er
in fernen Landen in Noth gerieth, und ihm Niemand, da er Hunger hatte, Eicheln
gab, endlich wieder in sich ging, und einsah, er könne nirgends als bei seinem
Vater ein Rettungsmittel, gegen die Uebel, die ihn darniederdrückten,
erlangen.
Bei dieser Stelle wird auch das gläubige Volk vertrauensvoller zum
Gebete sich wenden, wenn es bei der Betrachtung der göttlichen, Güte sich
erinnert, dass die väterlichen Ohren immer der Stimme der Kinder sich öffnen.
Denn da er uns ermahnet, um Brod zu bitten, verheisset er es auch reichlich
denen zu geben, die recht darum bitten. Indem er uns lehret, wie wir beten
sollen, ermahnet er uns, und durch Ermahnen treibt er an, und durch das
Antreiben verspricht er, und durch das Versprechen macht er uns hoffen, dass wir
gewiss erhöret werden.
VIII. Was man unter dem Worte Brod verstehe, und welchen Sinn diese Bitte habe.
Nachdem die Gemüther des gläubigen Volkes angeeifert und entflammt
sind, soll folgen die Erklärung dessen, was man in dieser Bitte begehre; und,
zwar erstens, was jenes Brod sey, um das wir bitten. Man muss also wissen, dass
in den heiligen Schriften unter diesem Worte Brod vieles verstanden werde, doch
besonders folgende zwei Dinge: erstens alles , was zur Nahrung und zu den
übrigen Dingen, um Leib, und Seele zu erhalten, angewendet wird; dann alles, was
uns zum Leben und zum Heile des Geistes und der Seele von Gott verliehen worden
ist. Wir bitten aber hier um die Hilfsmittel zu diesem Leben, das wir auf Erden
zubringen, nach dem Ausspruche der heiligen Väter, welche dieser Meinung
waren.
IX. Es wird bewiesen, dass man um zeitliche Güter bitten dürfe.
Desswegen muss man jenen kein Gehör geben, die da sagen, den
Christen sey es nicht erlaubt, Gott um irdische Güter dieses Lebens zu bitten.
Diesen Irrthum widerlegen, ausser dem einstimmigen Ausspruche der Väter sehr
viele Beispiele sowohl des alten, als auch des neuen Testamentes. Als Jahob ein
Gelübde gelobte, betete er so: So Gott mit mir ist, und mich
behütet auf dem Wege, darauf ich wandle, und mir Brod zu essen gibt, und Kleider
anzuziehen, und so ich wieder in meines Vaters Haus komme; dann soll der Herr
mein Gott seyn, und dieser Stein, den ich zum Zeichen aufgerichtet, soll Haus
Gottes, genannt werden, und von allem, was du mir gibst, will ich den Zehnten
opfern. [Gen. 28,20] Auch Salomon betete um
einen sichern Lebensunterhalt, da er so sprach: Armuth und
Reichthum gib mir nicht: gib mir, was ich brauche, mich zu nähren. [Prov. 30,8] Und es befiehlt ja selbst der Heiland des
Menschengeschlechtes, um das zu bitten, von dem Niemand zu läugnen vermag, dass
es körperlichen Gebrauch betreffe, da er spricht: Bittet
aber, dass eure Flucht nicht im Winter oder am Sabbathe geschehe. [Matth. 24,20] Was sollen wir vom heiligen Jakobus sagen,
da er spricht: Ist Jemand unter euch traurig, so bete er:
ist Jemand guten Muthes, so singe er Loblieder? [Jak. 5,13] Was vom Apostel der so an die Römer schrieb:
Ich bitte euch, Brüder, bei unserm Herrn Jesu Christo und
bei der Liebe des, heiligen Geistes, dass ihr mir helfet bei Gott mit eurem
Gebete für mich, dass ich von den Ungläubigen, die in Judäa sind errettet
werde. [Röm. 15,30] Da es also sowohl von
Gott den Gläubigen erlaubt ist, um diese Unterstützung der zeit lichen Güter zu
bitten, und diese vollkommene Form zu beten, von Christus dem Herrn gelehret
wurde, so bleibt gar kein Zweifel, dass diese Bitte eine von jenen sieben sey.
X. Was hier unter dem Worte Brod für körperliche Bedürfniste verstanden werden.
Wir bitten überdiess um das tägliche Brod, das heisst, um das
Nothwendige zum Lebensunterhalte, so dass wir unter dem Worte Brod hinlänglich
genug Kleider zur Bedeckung, und Speise zum Essen, sey es nun Brod; oder
Fleisch, oder Fische oder etwas anderes, verstehen. Wir sehen, dass sich auch
Elisäus dieser Bedeweise bedient habe, [4, Reg. 6,20] als er den König ermahnte, den assyrischen
Soldaten Brod zu verschaffen, welchen eine grosse Menge von Speisen verabreicht
wurde. Auch von Christus dem Herrn steht geschrieben: Er
trat in das Haus eines Obersten von den Pharisäern, um da Brod zu essen am
Sabbate, [Luc. 14,1] welche Worte andeuten,
was zu Speise und Trank gehöret. Zur vollständigen Deutung dieser Bitte muss
ferner beobachtet werden, dass man unter dem Worte Brod nicht eine übermässige
und ausgesuchte Menge von Speisen und Kleidern, sondern die nothwendige und
einfache Nahrung und Kleidung verstehen müsse, wie der Apostel schrieb: Wenn wir Nahrung und Kleidung haben, so lasset uns damit zufrieden
seyn; [I. Tim. 6,5] und Salomon, wie schon
angeführt wurde: Gib mir, was ich brauche, mich zu nähren.
[Prov. 38,8]
XI. Warum wir hier nicht einfachhin um Brod, sondern um das tägliche Brod bitten.
An diese Mässigkeit und Sparsamkeit erinnert uns auch das
unmittelbar darauf folgende Wort; denn wenn wir unser sagen, so bitten wir um
Brod, zu unserm Bedürfnisse, nicht zum Ueberflusse. Wir nennen es nicht
desswegen unser, weil wir es uns durch unsere Bemühung, ohne Gott, erwerben
können, denn es heisst beim David: Alle warten auf dich,
dass du ihnen Speise gebest zu seiner Zeit. Du gibst ihnen, und sie sammeln; du
thust auf deine Hand, und alles wird gesättigt mit Gutem; [Ps. 103,27] und, Aller Augen warten
auf dich, Herr: und du gibst ihnen Speise zu rechter Zeit; [Ps. 144,15] sondern weil es nothwendig, und uns von Gott,
dem Vater Aller, der alle Geschöpfe durch seine Vorsehung erhält, ertheilet
ist.
XII. Wir müssen uns durch unsere Arbeit das Brod verdienen, das wir haben wollen, wenn wir um unser Brod bitten.
Es heisst auch desswegen unser Brod, weil wir es rechtlich
erwerben, nicht durch Unrecht, Betrug oder Diebstahl uns verschaffen müssen;
denn was wir uns auf unerlaubte Weise zueignen, gehört nicht unser, sondern ist
fremdes Eigenthum, und gar oft ist die Erlangung oder der Besitz solcher Güter
unheilvoll, oder doch gewiss ein Verlust. Dagegen liegt im ehrbaren und sauer
verdienten Gewinne frommer Menschen nach dem Ausspruche des Propheten Ruhe und
grosses Glück. Er sagt: Von der Arbeit deiner Hände wirst du
essen: Heil dir, es wird dir gut gehen! [Ps. 127,2]
Und denen, die durch erlaubte Arbeit ihren Unterhalt suchen, verspricht
Gott die Frucht seiner Güte in folgender Stelle: Segen wird
der Herr über deine Kornböden senden, und über alle Werke deiner Hände; und er
wird dich segnen. [Deut. 28,8]
Wir bitten aber Gott nicht nur, dass er uns erlauben möge, das zu
gebrauchen, was wir durch unsern Schweiss und unsere Kraft mit dem Beistande
seiner Güte erworben haben; denn diess nennen wir eigentlich unser: sondern wir
verlangen auch die gute Gesinnung, dass wir das rechtlich Erworbene ebenso recht
und weise gebrauchen können.
Tägliches
XIII. Warum auch das Wort täglich beigefügt werde.
Auch dieses Wort bezeichnet die Mässigkeit und Sparsamkeit, von der
wir vorhin geredet haben. Denn wir begehren nicht mancherlei oder küstliche
Nahrung, sondern eine solche, welche das Bedürfniss der Natur befriedigt, auf
dass sich bei dieser Bitte jene schämen sollen, welche gemeine Speise und
gemeinen Trank verschmähen, und nach den ausgesuchtesten Sorten von Speisen und
Weinen haschen. Ebenso werden durch diesen Ausdruck Tägliches jene getadelt,
über welche Isaias folgende fürchterliche Drohungen aussprach: Wehe euch, die ihr Haus an Haus reihet, und Acker mit Acher
verbindet, bis kein Platz mehr übrig ist. Wollt ihr denn allein im Lande wohnen?
[Isai. 5,6] Unerklärlich ist die Leidenschaft
jener Menschen, von welchen Salomon geschrieben hat: Der
Geizige wird des Geldes nicht satt. [Eccles. 5,9]
Hieher gehört auch der Ausspruch des Apostels: Die
reich werden wollen, fallen in Versuchung und Fallstricke des Teufels.
[I. Tim. 6,3]
Wir nennen es ferner tägliches Brod, weil wir es geniessen, um die
Lebenssäfte zu ersetzen, die täglich durch die Wirkung der natürlichen Wärme
verzehrt werden. Ferner bedeutet dieses Wort, dass wir immerdar darum beten
sollen, um in dieser Gewohnheit Gott zu lieben und zu verehren, zu verharren,
und innigst überzeugt zu werden, dass, wie es auch wahr ist, unser Leben und
Heil von Gott abhänge.
Gib uns.
XIV. Was diese zwei Worte, gib uns, bedeuten.
Jedermann sieht, wie vielen Stoff zur Ermahnung der Gläubigen diese
zwei Worte darbieten, damit sie die unendliche Macht Gottes, in dessen Hand
Alles ist, fromm und heilig anbeten und verehren und jene gotteslästerliche
Prahlerei des Satans verabscheuen: Mir ist Alles übergeben;
und ich gebe es, wem ich will. [Luc. 4,6]
Denn durch den Wink Gottes allein ist Alles verteilet, wird erhalten und
gedeihet.
XV. Warum die Reichen, obschon sie an allen Dingen Ueberfluss haben, diese Worte gebrauchen sollen.
Aber, möchte jemand einwenden, was haben die Reichen nothwendig, um
das tägliche Brod zu bitten, da sie Ueberfluss haben an allen Dingen? Es ist für
sie nothwendig, so zu beten, nicht damit ihnen gegeben werde, was sie durch
Gottes Güte schon reichlich haben, sondern damit sie nicht verlieren, was sie im
Ueberflusse besitzen. Desswegen sollen sie wie der Apostel schreibt, daraus
lernen, nicht hochmüthig zu seyn, nicht zu vertrauen auf
ungewissen Reichthum, sondern auf den lebendigen Gott, der uns Alles reichlich
darbietet zum Genüsse. [I. Tim. 6,17]
Der heilige Chrysostomus führet als Ursache für die Notwendigkeit
dieser Bitte an, dass uns nicht nur die Speise ausreiche, sondern dass uns
dieselbe Gottes Hand mittheile, welche, indem sie dem täglichen Brode gesunde
und so heilsame Kraft verleihet, dadurch bewirkt, dass sowohl die Speise dem
Körper nütze, als auch der Körper der Seele diene.
XVI. Warum wir sprechen, G i b u n s, und nicht gib mir.
Aber was ist wohl die Ursache, warum wir gib uns in der mehrfachen
Zahl sprechen, nicht aber gib mir? Weil die christliche Liebe das Eigene hat,
nicht dass jeder bloss für sich selbst bekümmert ist, sondern dass er überdiess
für den Nächsten arbeite, und bei der Sorge für den eigenen Nutzen auch anderer
gedenke. Dazu kömmt, weil die Gaben, welche Einem von Gott verliehen werden, ihm
nicht desswegen mitgetheilet sind, dass er sie allein besitze, oder in ihnen
schwelge, sondern dass er auch andern mittheile von dem, was er über sein
Bedürfniss besitzet. Die heiligen Basilius und Ambrosius sagen: Das Brod, das du
vorenthältst, gehört den Hungrigen; das Kleid, das du im Kasten verschliessest,
gehört den Nackten, das Geld, das du in die Erde verscharrest, ist ein Lösegeld
und ein Kaufpreis der Unglücklichen.
Heute.
XVII. An was das beigesetzte Wert, Heute, erinnere.
Dieses Wort ermahnet uns an die gemeinsame Schwäche. Denn wer
hoffet nicht, dass er sich wenigstens auf einen Tag Lebensmittel erwerben werde,
wenn er auch nicht hoffen kann, sich mit den nöthigen Auslagen für das Leben auf
längere Zeit vorzusehen? Aber Gott erlaubt uns nicht einmal, dieses Vertrauen zu
haben, da er uns befohlen hat, ihn täglich um Speise zu bitten. Aus diesem
Ausspruche folgt nothwendig, dass wir, weil wir alle tägliches Brod bedürfen,
auch täglich das Gebet des Herrn verrichten sollen. So viel von dem Brode,
welches, mit dem Munde genossen, den Körper nähret und stärket, und das
gemeinsam allen mitgetheilt wird, den Gläubigen und Ungläubigen, den Guten und
Bösen, durch die wunderbare Güte Gottes, der seine Sonne
über die Guten und Bösen aufgehen und über die Gerechten und Ungerechten regnen
lässt. [Matth. 5,45]
XVIII. Was unter dem geistigen Brode, welches diese Bitte auch in sich schliesst, hier verstanden werden müsse.
1) Die Speise der Seele ist, so wie die des Körpers, vielfach. Das Wort
Gottes bedeutet Brod. 2) Wann Gott durch den Hunger seines Wortes den Menschen
drücke.
I. Es erübriget noch, von dem geistigen Brode zu reden, um das wir
hier ebenfalls bitten. Hierunter versteht man alles, was in diesem Leben zum
Heile und zur Wohlfahrt des Geistes und der Seele erfordert wird. Denn wie die
Speise, womit der Körper ernähret und erhalten wird, mannigfaltig ist, so ist
auch die Nahrung, welche das Leben des Geistes und der Seele erhält, nicht von
einerlei Art; auch das Wort Gottes ist eine Speise der Seele. Die Weisheit
spricht nämlich: Kommet, esset mem Brod, und trinket den
Wein, den ich euch gemischt habe. [Prov. 9,5]
II. Wenn aber Gott den Menschen die Kraft dieses Wortes entzieht,
was er gewöhnlich thut, wenn er von uns durch schwere Sünden beleidigt wird: da
sagt man, er drücke das Menschengeschlecht durch Hunger. Also heisst es bei
Arnos: Siehe, es kommen die Tage, spricht der Herr, da ich
Hunger sende ins Land: nicht Hunger nach Brod, noch Durst nach Wasser, sondern
zu hören das Wort des Herrn. [8,11] Wie es
aber ein sicheres Zeichen des baldigen Todes ist, wenn die Menschen keine Speise
mehr zu sich nehmen, oder die genossene nicht bei sich behalten können; so ist
es auch ein starker Beweis, dass die Hoffnung der Seligkeit verloren sey, wenn
die Menschen entweder das Wort Gottes nicht suchen, oder, wenn es da ist,
dasselbe nicht annehmen, und Gott mit jenen Worten lästern: Geh weg von uns, und die Erkenntniss deiner Wege wollen wir nicht.
[Job. 21,14] In dieser Seelenwuth und
Geistesblindheit befanden sich diejenigen, welche ihre rechtmässigen Vorsteher,
die katholischen Bischöfe und Priester verachten, von der heiligen römischen
Kirche abfallen, und sich der Lehre der Ketzer, die das Wort Gottes verfälschen,
ergeben haben.
XIX. Von dem wahren Himmelsbrode, welches Christus der Herr ist.
Christus der Herr ist aber auch ein Brod, die Speise der Seele;
denn er selbst sagt von sich: Ich bin das lebendige Brod,
das vom Himmel herabgekommen ist. [Joa. 6,41]
Es ist unglaublich, mit welcher Lust und Freude dieses Brod die Seelen
der Frommen erfüllet, vorzüglich dann, wenn sie von irdischen Beschwerden und
Ungemach heimgesucht werden. Als Beispiel hievon haben wir die heilige
Apostelschaar, von welchen es heisst: Sie aber gingen
freudig vom Angesichte des Rathes hinweg. [Act.
5,41] Mit dergleichen Beispielen sind die Bücher vom Leben heiliger
Menschen angefüllet; und von diesen innerlichen Freuden guter Menschen spricht
Gott also: Wer überwindet, dem will ich vom verborgenen
Manna geben. [Apos. 2,17]
XX. Christus ist wirklich im Sakramente des Altares enthalten, und heisst desswegen im eigentlichen Sinne unser Brod.
Vorzüglich aber ist unser Brod Christus der Herr selbst, der im
Sakramente der Eucharistie wesentlich enthalten ist. Dieses unerklärbare
Unterpfand der Liebe gab er uns, ehevor er zum Vater zurückkehrte, und sprach:
Wer mein Fleisch isst, und mein Blut trinkt, der bleibt in
mir, und ich in ihm. [Joa. 6,57] Nehmet hin, und esset, das ist mein Leib. [I.Cor. 11,24]
Das, was den Nutzen des gläubigen Volkes betrifft, können die
Seelsorger aus der Stelle entnehmen, wo von der Kraft und Bedeutung dieses
Sakramentes besonders gehandelt wird. Aber dieses Brod heisst auch desswegen
unser Brod, weil es nur für die gläubigen Menschen, d. h. für die gehört, welche
Liebe mit Glauben vereinend, durch das Sakrament der Busse den Unrath der Sünden
wegwaschen; welche niemals vergessen, dass sie Kinder Gottes sind, und das
göttliche Sakrament mit der grösstmöglichsten Heiligkeit und Ehrfurcht empfangen
und anbeten.
XXI. Warum die Eucharistie unser tägliches Brod genannt werde.
Warum es aber tägliches Brod genannt werde, das geschieht aus einem
zweifachen Grunde, erstens, weil es bei den heiligen Geheimnissen der
christlichen Kirche täglich sowohl Gott dargebracht, als auch denen, die es mit
frommen und heiligem Sinne begehren, gereicht wird; zweitens, weil es täglich
empfangen werden, oder weil man doch so leben soll, dass wir es täglich, in so
weit diess geschehen kann, würdig empfangen können. Die, welche der
entgegengesetzten Meinung sind, und glauben, man dürfe diese heilsame Speise der
Seele nur nach langen Zwischenräumen empfangen, mögen vernehmen, was der heilige
Ambrosius sagt: „Wenn es ein tägliches Brod ist, warum empfängst du es erst nach
einem Jahre?"
XXII. Wie wir gesinnt seyn müssen, wenn wir das begehrte Brod nicht sogleich erlangen.
Bei dieser Bitte müssen die Gläubigen besonders daran erinnert
werden, dass sie, wenn sie die erforderliche Klugheit und allen Fleiss zur
Erwerbung ihrer Lebensbedürfnisse angewendet haben, den Ausgang der Sache Gott
überlassen und ihr Verlangen seinem Willen unterwerfen sollen, der nicht wird wanken lassen ewiglich den Gerechten. [Ps. 54,23] Denn entweder wird Gott gewähren, um was man
bittet, und die Menschen werden so ihren Wunsch erfüllet sehen; oder er wird es
nicht gewähren und das ist der sicherste Beweis, dass weder heilsam, noch
nützlich wäre, was Gott den Frommen versagt, da er grössere Sorgfalt trägt für
ihr Heil, als sie selbst. Diese Stelle können die Seelsorger mit jenen Gründen
gelegen, welche vom heil. Augustin im Briefe an Proba vortrefflich angeführet
sind.
XXIII. Was man hier für Betrachtungen anstellen könne.
Das Letzte bei der Abhandlung dieser Bitte ist, dass sich die
Reichen erinnern sollen, dass sie ihr Vermögen und ihren Reichthum Gott zu
verdanken haben, und bekennen sollen, sie seyen desswegen mit diesen Gütern
gesegnet, damit sie den Dürftigen davon mittheilen. Hiemit stimmt überein, was
der Apostel im ersten Brief an Timotheus sagt; woraus die Seelsorger eine Menge
göttlicher Vorschriften entnehmen können, um diese Stelle nützlich und heilsam
zu beleuchten. [I. Tim. 6,17-19]
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