Römischer Katechismus (Catechismus). Nach dem Beschlusse des Conciliums von Trient und auf Befehl des Pabstes Pius V. herausgegeben. Passau, Druck und Verlag von Friedrich Winkler 1839
Vierter Teil - Zwölftes Hauptstück - Von der dritten Bitte - Dein Wille geschehe
I. Warum man nach der Bitte um das Reich Gottes sogleich beifüge, dass sein Wille geschehe.
Da aber Christus der Herr gesagt hat: Nicht ein
jeder, der zu mir sagt: Herr, Herr, wird in das Himmelreich eingehen, sondern
wer den Willen meines Vaters thut, der im Himmel ist, der wird in das
Himmelreich eingehen; [Matth. 7,21] so muss
jeder, der in das Himmelreich kommen will, Gott bitten, dass sein Wille
geschehe. Desswegen ist diese Bitte hieher gesetzt, gleich nach der Bitte um das
himmlische Reich.
II. Auf welche Weise man zur wahren Erkenntniss dieser Bitte gelangen könne.
Damit: aber die Gläubigen einsehen, wie nothwendig uns das sey, was
wir in dieser Bitte verlangen, und welche Menge heilsamer Geschenke wir durch
deren Gewährung erhalten, so sollen die Seelsorger zeigen, von welchem Elende
und Jammer das Menschengeschlecht unterdrückt war, wegen der Sünde der
Stammeltern.
III. Welche Uebel die Sünde der ersten Eltern dem menschlichen Geschlechte zugezogen habe.
1) Wie die Geschöpfe nach ihrem Ziele streben. 2) Der Mensch eilte vom
Anfange geraden Weges Gott zu; Aber durch die Erbsünde ging die Gerechtigkeit
verloren, und seine Neigung wurde verdorben.
I. Vom Anfange hat Gott den erschaffenen Wesen das Verlangen nach
eigenem Wohle anerschaffen, so dass sie vermöge einer gewissen natürlichen
Neigung ihren Endzweck suchten, und ihm nachstrebten, von dem sie niemals,
ausser es tritt ihnen von aussen her ein Hinderniss entgegen, abweichen.
II. Diese Kraft aber, nach Gott, dem Urheber und Vater ihrer
Glückseligkeit zu verlangen, war beim Menschen ursprünglich um so herrlicher und
vortrefflicher, weil er mit Vernunft und Klugheit versehen war. Allein diese von
Natur ihm angeborne Liebe, welche die übrigen unvernünftigen Wesen bewahret
hatten, da sie in der nämlichen Lage und in demselben Zustande, wie sie am
Anfange als gute Wesen erschaffen wurden, verblieben, und heute noch verbleiben,
hat das unglückselige Menschengeschlecht nicht bewahret; denn es verlor nicht
nur die Güter der ursprünglichen Gerechtigkeit, womit es von Gott über die Gaben
seiner Natur vermehret und geschmückt war, sondern es verdunkelte auch noch den
der Seele angebornen besondern Eifer nach der Tugend. Der Prophet sagt: Alle sind abgewichen, allesamt unnütz geworden, keiner ist, der
Gutes thut, keiner, auch nicht einer.
Denn der Sinn und die Gedanken da
menschlichen Herzens sind zum Bösen geneigt von Jugend auf; [Ps. 52,4] so dass man hieraus leicht erkennen kann,
Niemand aus sich selbst sey klug für sein Heil, sondern Alle seyen zum Bösen
geneigt, und die bösen Begierden der Menschen seyen unzählbar, da sie vorschnell
sind, und von heftiger Neigung hingerissen werden zum Zorne und Hasse, zur
Hoffart, zum Ehrgeize, ja fast zu jeder Galtung von Sünden.VI. Obwohl der Mensch mit vielem Elende überhäufet ist, so kennt er doch seinen Zustand nicht.
Obschon wir bestandig in diesen Uebeln uns befinden, so gibt es
doch, worin das grösste Elend unsers Geschlechtes besteht, sehr viele, die uns
keineswegs Uebel zu seyn scheinen. Dieser Umstand beweiset das übergrosse
Unglück der Menschen, da sie, von Begierden und Leidenschaften geblendet, nicht
sehen, dass das, was sie für heilsam erachten, meistentheil unheilvoll sey; ja
sie stürmen sogar auf jene Verderblichen Uebel los, gleich als wären sie ein
wünschenswerthes und begehrungswürdiges Gut; vor dem aber, was wahrhaft gut und
ehrbar ist, schrecken sie zurück, gleich als wäre es das Gegentheil. Diese
Meinung und dieses verderbte Urtheil verflucht Gott mit jenen Worten: Wehe euch, die ihr das Gute bös, und das Böse gut nennet, die
Finsterniss zu Licht, und des Licht zu Finsterniss machet, das Bittere in Süss
und das Süss in Bitter verwandelt. [Isai. 5,20]
V. Wie uns die heiligen Schriften dieses unser Elend vor Augen legen.
Um uns daher unser Elend vorzustellen, vergleichen Uns die heiligen
Schriften mit jenen, welche den gesunden Geschmackssinn verloren haben; wesshalb
geschieht, dass sie heilsame Nahrung verschmähen, und nach dem Gegentheile
verlangen. Ferner vergleichen sie uns mit Kranken; wie jene, wenn sie nicht die
Krankheit vertrieben haben, die Pflichten und Verrichtungen gesunder und
unverdorbener Menschen nicht übernehmen können; so sind auch wir nicht im
Stande, Gott wohlgefällige Handlungen ohne den Beistand der göttlichen Gnade zu
verrichten.
VI. Wie gross im verdorbenen Zustande der Natur die menschliche Schwäche sey, um etwas Gutes zu thun.
Wenn wir auch so beschaffen zu Etwas gelangen, so ist es gering,
und hat zur Erlangung der himmlischen Seligkeit wenig oder gar kein Gewicht.
Allein Gott, wie es recht ist, lieben, und anbeten, was zu gross und erhaben
ist, als dass es wir darniedergedrückte aus menschlicher Kraft erlangen sollten,
das können wir nicht, wrnn uns nicht der Beistand der göttlichen Gnade
erhebet.
VII. Wir sind in göttlichen Dingen durchaus den Knaben gleich.
Zur Bezeichnung des unglücklichen Zustandes des
Menschengeschlechtes ist auch jenes Gleichniss sehr passend, welches sagt, wir
seyen Knaben gleich, die ihrer eigenen Willkühr überlassen, blindlings sich zu
allem verleiten lassen; ich sage, Knaben sind wir, und unverständig, kindischen
Reden und Handlungen ergeben, wenn uns der göttliche Beistand verlässt. Die
Weisheit schilt uns so: Wie lange ihr Einfältige, liebet ihr
die Einfalt: wie lang wollen die Thoren das verlangen, was ihnen schadet?
[Prov. 1,22] Und der Apostel ermahnet uns,
wie folgt: Werdet nicht Kinder am Verstande. [I. Cor. 14,20] Wir schweben sogar in einer grössern
Thorheit und Irrthum, als jenes kindliche Alter, dem es so sehr an menschlicher
Klugheit gebricht, die es aber doch durch sich mit der Zeit erreichen kann; da
wir die göttliche Klugheit, die zur Seligkeit nothwendig ist, nur unter der
Leitung und durch den Beistand Gottes erlangen können. Wenn uns aber Gottes
Hilfe nicht unterstützet, so verwerfen wir, was wahrhaft gut ist, und stürzen
uns selbst in freiwilliges Verderben.
VIII. Welches Heilmittel gegen so grosse Uebel in dieser Bitte vorgeschlagen werde.
Wenn nun Jemand, nachdem Gott die Finsterniss der Seele zerstreut
hat, dieses Elend der Menschen sieht, und von seiner Erstarrung befreit, das
Gesetz der Glieder fühlet, und empfindet, wie die Begierlichkeiten der Sinne dem
Geiste widerstreben, und die ganze Geneigtheit unserer Natur zum Bösen erkennet;
wer soll da nicht mit brennendem Eifer ein für dieses Uebel, womit uns die
verderbte Natur darniederdrückt, heilsames Mittel suchen, und nach jener
heilbringenden Lehre verlangen, nach welcher das Leben des Christen eingerichtet
und geordnet werden muss? Das ist´s also, um was wir flehen, wenn wir Gott
bitten: Dein Wille geschehe. Denn da wir durch Verweigerung des Gehorsames und
durch Nichtachtung des Willens Gottes in dieses Elend gerathen sind: so ist uns
nur jenes einzige Heilmittel gegen so grosse Uebel von Gott dargeboten, dass wir
einmal nach Gottes Willen, welchen wir durch die Sünde verachtet haben, leben,
und alle unsere Gedanken nach dieser Vorschrift bemessen. Und damit wir dieses
erlangen können, beten wir inbrünstig zu Gott: Dein Wille geschehe.
IX. Auch die Gerechtfertigten, die Gott schon gehorchen, müssen also beten.
Die Gerechtfertigten schweben während dieses Lebens wegen der
Geneigtheit zum Bösen immer in Gefahr.
Um diess müssen auch jene eifrig bitten, in deren Gemüthern Gott
schon herrschet, und die schon durch die Strahlen des göttlichen Lichtes
erleuchtet sind, durch welches Gnadengeschenk sie dem Willen Gottes gehorchen.
Wenn sie auch so ausgerüstet sind, so widerstreiten doch ihre eigenen Begierden
wegen der Geneigtheit zum Bösen, die den menschlichen Sinnen angeboren ist; so
dass wir, wenn wir auch wirklich Gott ergeben sind, hier dennoch immer wegen
unser selbst in grosser Gefahr schweben, wir möchten gelockt und gereizt von
unsern Begierden, die da kämpfen in unsern Gliedern,
[Jak. 4,1] wiederum den Weg des Heiles
verlassen. Wegen dieser Gefahr ermahnte uns Christus mit folgenden Worten: Wachet und betet, damit ihr nicht in Versuchung fallet. Der Geist
ist zwar willig, aber das Fleisch ist schwach. [Matth. 26,41]
X. In den Gerechtfertigten lebt noch die Begierlichkeit, welche Niemand gänzlich ausrotten kann.
Das Gemüth der Gerechtfertigten heilet die Gnade Gottes, nicht aber ihr
Fleisch. Der Zunder der Sünde oder die Begierlichkeit bleibt immer in unsern
Gliedern.
Es liegt nicht in der Gewalt des Menschen, nicht einmal dessen, der
durch die Gnade Gottes gerechtferliget ist, die Begierden des Fleisches so im
Zaume zu halten, dass sie nachhin in ihm nimmermehr rege werden; denn die Gnade
Gottes heilet zwar die Seele derjenigen, die gerechtfertiget sind; aber nicht
ihr Fleisch. Hierüber schrieb der Apostel: Ich weiss, dass
in mir, das ist in meinem Fleische, nichts Gutes wohnet. [Röm. 7,18] Sobald der erste Mensch seine ursprüngliche
Gerechtigkeit, wodurch er gleich einem Zaume die Begierden lenkte, verloren hat;
so konnte sie nachher die Vernunft keineswegs so beherrschen, dass sie nicht das
begehrten, was selbst der Vernunft widerspricht. Daher schreibt der Apostel, in
diesem Theile des Menschen wohne die Sünde, das ist, der Zunder der Sünde, damit
wir einsehen, er kehre nicht auf einige Zeit bei uns ein wie ein Gast, sondern
so lange wir leben, bleibe er als ein Bewohner unsers Körpers immerfort in
unsern Gliedern hangen. Also sind wir beständig von häuslichen und innerlichen
Feinden bekämpft, und erkennen leicht, dass wir unsere Zuflucht zur Hilfe Gottes
nehmen müssen, und bitten, es möge in uns sein Wille geschehen. Nun aber soll
den Gläubigen kund gegeben werden, was der Inhalt dieser Bitte sey.
XI. Was man in dieser Bitte unter Willen Gottes verstehe.
Hier übergeben wir vieles, was die scholastischen Lehrer vom Willen
Gottes mit Nutzen und weitschichtig abgehandelt haben, und sagen, man müsse hier
jenen Willen verstehen, den sie den Willen des Zeichens zu nennen pflegten, d.
h. man müsse hier unter Willen verstehen das, was uns Gott zu thun und zu meiden
befohlen und ermahnet hat. Desshalb ist hier unter dem Worte Willen alles
begriffen, was uns zur Erwerbung der himmlischen Seligkeit geboten ist, es mag
nun den Glauben, oder die Sitten betreffen; endlich alles, was uns immer
Christus der Herr selbst oder seine Kirche zu thun befohlen oder verboten hat.
Von diesem Willen sagt der Apostel: Werdet nicht
unverständig, sondern verstehet, was der Wille Gottes ist. [Ephes. 5,27]
XII. Welchen Sinn die dritte Bitte enthalte.
Wenn wir also bitten, dein Wille geschehe: so verlangen wir vor
Allem, dass uns der himmlische Vater die Kraft verleihe, den göttlichen Befehlen
zu gehorchen, und ihm in Heiligkeit und Gerechtigkeit immerdar zu dienen; dass
wir alles nach seinem Winke und Willen thun; dass wir jene Pflichten üben,
welche uns die heilige Schrift vorschreibt; dass wir unter seiner Leitung und
unter seinem Beistande alles Uebrige leisten, was die thun müssen, die nicht aus
dem Willen des Fleisches, sondern aus Gott geboren sind nachfolgend dem
Beispiele Christi, der gehorsam bis zum Tode, ja bis zum Tod
am Kreuze, [Philipp. 2,8] auf dem bereit
seyen, alles lieber zu erdulden, als auch nur im mindesten von seinem Willen
abzuweichen.
XIII. Welchem es vorzüglich verliehen ist, von Eifer und Liebe zu dem, um was hier gebeten wird, heftig zu entbrennen.
1) Wie erhaben die Würde derer sey, die Gott gehorsamen. 2) Mit welcher
Inbrunst alle Heiligen um das Geschenk des Gehorsames gebeten haben.
I. Niemand ist heftiger entzündet vom Eifer und Liebe, dass ihm
diese Bitte gewähret werde, als der, dem verliehen ist, die erhabene Würde
derjenigen zu schauen, welche Gott gehorchen. Denn dieser sieht ein, dass man
mit aller Wahrheit sage, Gott dienen und ihm gehorchen heisse herrschen. Der
Herr spricht:Wer den Willen meines Vaters thut, der im
Himmel ist, derselbe ist mir Bruder, Schwester und Mutter; [Matth. 12,50] das heisst, mit diesem bin ich durch alle
Bande der Liebe und Güte innigst vereint.
II. Es gibt aber beinahe keinen Heiligen, der Gott nicht um das
vortreffliche Geschenk dieser Bitte innigst gebeten hat; und alle bedienten sich
dazu zwar herrlicher, aber sehr oft verschiedener Gebete; unter ihnen sehen wir
den David, der auf mancherlei Weise wunderschön und lieblich darum geflehet hat.
Bald sagt er: 0 wären meine Wege dahin gerichtet, deine
Rechte zu bewahren. [Ps. 118,5] Bald: Führe
mich auf den Pfad deiner Gebote. Ferner: Leite meine Schritte nachdeinem Worte,
und lass kein Unrecht über mich herrschen. Dann gehört hieher: Gib mir Verstand,
dass ich deine Gebote lerne.... Lehre mich deine Gerichte.... Gib mir Verstand,
dass ich deine Zeugnisse erkenne. Oft behandelt und bespricht er den nämlichen
Inhalt mit andern Worten. Diese Stellen müssen genau beachtet, und den Gläubigen
erkläret werden, damit alle einsehen, welche Menge und welcher Ueberfuss
heiliger Dinge im ersten Theile dieser Bitte enthalten sey.
XIV. Was wir durch diese Bitte überdiess andeuten.
1) Hier bittet man auch, dass wir die Werke des Fleisches von Herzen
verabscheuen möchten. 2} Wenn solche, die In wollüstige und Irdische Begierde
verstrickt sind, diese Begierden nicht ablegen, so beten sie nicht in Wahrheit,
dass Gottes Wille geschehe.
I. Wir verabscheuen zweitens, wenn wir beten, dein Wille geschehe,
die Werke des Fleisches, von welchen der Apostel schrieb: Offenkundig sind die Werke des Fleisches, als da sind: Hurerei,
Unreinigkeit, Unzucht, Geilheit, [Galat. 5,19]
und: Wenn ihr nach dem Fleische lebet, werdet ihr
sterben. [Röm. 8,13] Wir bitten, Gott möge
uns das nicht vollbringen lassen, wozu die Sinne, die Begierde, und unsere
Schwachheit uns bereden, sondern dass wir unsern Willen nach seinem Willen
richten.
II. Diesem Willen fremd sind wollüstige Menschen, welche auf
irdische Dinge ihre Sorge und ihre Gedanken heften. Denn das Gelüsten reisst sie
hin, sich dessen zu bemächtigen, nach was sie gieren, und sie setzen ihre
Glückseligkeit in den Genuss ihrer schändlichen Begierde, so dass sie sogar den
glückselig preisen, welcher erlangt, was immer er wünschet. Wir dagegen bitten
Gott, wie der Apostel sagt, Lasst uns nicht der Sinnlichkeit
pflegen zur Erregung der Lüste, [Röm. 13,14]
sondern sein Wille geschehe.
XV. Es ist besser, zu wünschen, es möge das geschehen, was Gott will, als das, was wir verlangen.
Es kömmt uns freilich schwer an, Gott zu bitten, dass er unsere
Begierden nicht befriedige; denn eine solche Gemüthsstimmung ist schwierig, weil
wir selbst gewissermassen das, um was wir bitten, zu hassen scheinen; und
solche, die ganz dem Bauche ergeben sind, halten es auch für eine Thorheit. Doch
gerne sollen wir uns dem Rufe der Thorheit unterziehen um Christi willen, der da
spricht: Wenn mir Jemand nachfolgen will, so verläugne er
sich selbst, und nehme sein Kreuz auf sich, und folge mir nach; [Matth. 16,24] besonders da wir wissen, es sey viel
besser, das zu wünschen, was recht und gerecht ist, als das zu erlangen, was der
Vernunft, der Tugend und den Gesetzen Gottes widerspricht. Und sicherlich ist
der schlechter daran, welcher erhält, was er unbedachtsam und auf den Antrieb
seines Gelüstens verlangte, als jener, dem nicht zu Theil wird, was er frommen
Sinnes mit Recht gewünscht hat.
XVI. Auch das, was den Begriff von Frömmigkeit nicht hat, soll man von Gott nicht erbitten.
Wir bitten nicht blos darum, dass uns Gott nicht gewähren möge, was
wir selbst nach unserm eigenen Willen verlangen; da bekannt ist, dass unsere
Neigung verderbt ist; sondern wir bitten sogar, dass er uns auch das nicht gebe,
was wir auf Anrathen und Antrieb des Teufels, der sich als Engel des Lichtes
verstellt, als gut bisweilen begehren. Gewiss ganz gerecht und liebevoll war
jener Eifer des Apostelfürsten, da er den Herrn von dem Entschlüsse, dem Tode
entgegenzugehen, abzuhalten versuchte; und doch tadelte ihn der Herr heftig, da
er von menschlichen Begriffen und nicht durch göttliche Vernunft geleitet wurde.
Was schien für den Herrn liebevolleres verlangt werden zu können, als das, was
die heiligen Männer Jakobus und Johannes, erzürnt über die Samaritaner, die den
Lehrer nicht gastfreundlich aufnehmen wollten, von ihm begehret haben, er möchte
Feuer vom Himmel herabfallen lassen, das jene hartherzigen und grausamen
Menschen vertilgen sollte? Und doch sind sie von Christus dem Herrn mit
folgenden Worten getadelt worden: Ihr wisset nicht, wessen
Geistes ihr seyd! Der Menschensohn ist nicht gekommen, Seelen zu verderben,
sondern selig zu machen. [Luc. 9,55.57]
XVII. Wenn das, was wir verlangen, die Erhaltung der Natur betrifft, so muss man um die Gewährung desselben vorzüglich unter der Bedingung bitten, wenn es der Wille Gottes ist.
Wir müssen aber nicht nur Gott bitten, dass uns nicht gegeben
werde, wenn das, was wir verlangen, böse ist; sondern auch dann, wenn es
wirklich nicht böse ist, wie z. B. wenn der Wille der ersten Neigung der Natur
nachgibt, so dass er das verlangt, was die Natur erhält, und verwirft, was ihr
entgegen zu seyn scheint. Wenn man daher dahin kömmt, dass wir um etwas solches
bitten wollen, dann sollen wir von Herzen sprechen, dein Wille geschehe; wir
sollen jenen selbst nachahmen, von dem wir das Heil und die Lehre des Heiles
erhalten haben; der, als er von der angebornen Furcht vor dem Leiden und dem
bittersten Tode bewegt wurde, doch in jenem Entsetzen vor dem höchsten Schmerze
seinen Willen dem Willen Gottes des Vaters unterwarf, und sprach: Nicht mein Wille geschehe, sondern der deinige. [Luc. 22,42]
XVIII. Da wir ohne Beistand Gottes die Sünde nicht meiden können, so flehen wir darum auch in dieser Bitte.
Aber das menschliche Geschlecht ist erstaunlich verdorben; da wir,
wenn wir auch unserer Begierlichkeit Gewalt anthun, und sie dem göttlichen
Willen unterwerfen, doch ohne Gottes Beistand, der uns vor dem Bösen beschützt,
und auf das Gute hinleitet, die Sünden nicht meiden können. Daher muss man zu
dieser Bitte seine Zuflucht nehmen, und Gott bitten, dass er selbst in uns das
Angefangene vollende; dass er die zügellosen Begungen der Begierde unterdrücke,
und das Gelüsten unter den Gehorsam der Vernunft bringe; endlich dass er uns
ganz nach seinem Willen gestalte. Wir flehen auch, dass die ganze Welt Kenntniss
des Willen Gottes erlange, damit das göttliche Geheimniss, seit Jahrhunderten
und Geschlechtern verborgen, bei allen bekannt und verbreitet sey.
Wie im Himmel, also auch auf Erden.
XIX. Was dieser Anhang bedeute.
Freiwillig und aus Liebe muss man Gott gehorchen.
Wir bitten auch um die Form und Vorschrift der Weise dieses
Gehorsams; nämlich er soll sich nach der Vorschrift richten, welche die seligen
Engel im Himmel beobachten, und die übrige Schaar der himmlischen Geister übet;
so dass, gleichwie jene freiwillig und mit der grössten Lust dem höchsten Herrn
gehorchen, ebenso auch wir dem Willen Gottes, so wie er es selbst will, freudig
nachkommen.
XX. Man muss Gott nicht um einer Belohnung willen, sondern aus Liebe zu ihm gehorchen.
Bei dem Dienste und dem Eifer, den wir Gott bezeigen, verlanget er
von uns die höchste Liebe und eine besondere Hochachtung, so zwar, dass wir,
wenn wir uns ihm auch in der Hoffnung der himmlischen Belohnungen ganz weihen,
doch diese desswegen hoffen, weil es seiner göttlichen Majestät gefallen hat,
dass wir diese Hoffnung haben sollen. Daher soll sich unsere ganze Hoffnung auf
jene Liebe Gottes stützen, welche als Lohn unserer Liebe die ewige
Glückseligkeit festgesetzt hat. Denn es gibt Menschen, die Jemandem liebevoll
dienen, aber nur des Lohnes wegen, worauf sie die Liebe beziehen. Ferner gibt es
einige, welche von reiner Hochachtung und Liebe bewogen, bei dem, welchem sie
dienen, auf nichts weiter sehen, als auf seine Güte und Tugend; bei deren
Betrachtung und Bewunderung sie sich für selig halten, dass sie ihm ihren Dienst
weihen dürfen.
XXI. Andere Deutungen dieses Anhanges.
Der Anhang, Wie im Himmel, also auch auf Erden, hat auch folgende
Bedeutung. Wir müssen uns nämlich eifrig bestreben, Gott gehorsam zu seyn, wie
wir sagten, dass es die seligen Geister seyen, deren Lob, wegen ihrer höchsten
Gehorsamleistung, David besingt: Lobet den Herrn, alle seine
Heerschaaren; ihr seine Diener, die ihr seinen Willen thut. [Ps. 102,21] Will man sich nach der Meinung des h. Cyprian
richten, so legt er jenen Anhang so aus, er sagt: Im Himmel, in den Guten und
Frommen, auf Erden, in den Bösen und Gottlosen: auch wir stimmen seiner Meinung
bei, dass man unter Himmel den Geist, unter Erde das Fleisch verstehe; damit
Alle und Alles in Allem dem Willen Gottes gehorchen.
XXII. Wie diese Bitte auch eine Danksagung enthalte.
Diese Bitte enthält ebenfalls eine Danksagung. Denn wir ehren
seinen heiligsten Willen, und von grösster Freude durchströmt, preisen wir mit
den höchsten Lobsprüchen und Freudenbezeugungen alle seine Werke, indem wir
gewiss wissen, er habe Alles wohl gemacht. Da es ausgemacht ist, dass Gott
allmächtig ist, so folgt nothwendig, dass wir erkennen, Alles sey auf seinen
Wink entstanden. Wenn wir aber auch behaupten, er sey das höchste Gut, wie er es
ist; so bekennen wir, alle seine Werke seyen gut, da er allen seine Güte
mitgetheilet hat. Wenn wir auch nicht in allen Dingen den göttlichen Rathschluss
erforschen können, so bekennen wir doch in Allem, mit Hintansetzung aller
Ungewissheit und Ablegung jedes Zweifels, jenen Ausspruch des Apostels: dass seine Wege unerforschlich seyen. [Röm. 11,33] Aber wir verehren auch desswegen den Willen
Gottes im höchsten Grade, weil wir von ihm des himmlischen Lichtes sind
gewürdiget worden. Denn er hat uns errettet aus der Gewalt
der Finsterniss, und in das Reich des Sohnes seiner Liebe versetzet.
[Coloss. 1,13]
XXIII. Was man aus dieser Bitte für Betrachtungen ziehen soll.
Um endlich das zu erklären, was die Betrachtung dieser Bitte
betrifft, muss man zurückgehen auf das, was wir anfangs berührt haben, das
gläubige Volk müsse beim Vorbringen dieser Bitte voll Herablassung und Demuth
seyn, und bei sich überdenken jene Stärke, der Begierden, die der Natur
angeboren ist, und dem göttlichen Willen widerstreitet; es müsse bedenken, dass
es in Erfüllung dieser Pilicht von allen erschaffenen Wesen übertroffen werde,
von denen so schrieben steht: Alles dienet dir, [Ps. 118,91] und dass es sehr schwach sey, da es kein
gottgefälliges Werk nicht nur nicht vollbringen, sondern sogar nicht einmal
anfangen kann, wenn es nicht durch Gottes Beistand unterstützt werde. Da aber
nichts herrlicher ist, als, wie gesagt, Gott dienen, und nach seinem Gesetze und
seinen Vorschriften zu leben; was kann einem Christen erwünschter seyn, als auf
den Wegen des Herrn zu wandeln, als nichts su denken, nichts zu thun, was dem
göttlichen Willen zuwider wäre? Damit aber das gläubige Volk diese Uebung
erfasse, und auf diesem Vorhaben sorgfältiger verharre, so erhole der Seelsorger
aus den göttlichen Büchern die Beispiele derjenigen, bei welchen alles einen
schlechten Ausgang nahm, weil sie den Plan ihrer Unternehmungen nicht auf den
Willen Gottes bezogen.
XXIV. Welch grossen Vortheil, um ruhig zu leben, wir aus der Betrachtung dieser Bitte schöpfen können.
Zuletzt endlich soll man die Gläubigen ermahnen, dass sie sich im
Willen Gottes ganz und vollkommen beruhigen; es trage der mit Gleichmuth seinen
Stand, der niedriger gestellt zu seyn scheint, als es seine Würde erfordert, er
verlasse nicht seinen angewiesenen Stand, sondern er harre aus in seinem Berufe,
zu dem er berufen ist, und unterwerfe das eigene Urtheil dem Willen Gottes, der
besser für uns sorgt, als wir selbst wünschen können. Wenn wir durch häusliche
Armuth, durch körperliche Krankheit, durch Verfolgungen, durch andere
Beschwerden und Aengsten darniedergebeugt werden; so muss man fest glauben, es
könne uns nichts von allem Dem ohne Gottes Willen, welcher die Grundursache von
Allem ist, zustossen; und desswegen sollen wir nicht zu bekümmert seyn, sondern
mit ungebeugtem Muthe ertragen, und immerdar sprechen: Des
Herrn Wille geschehe, [Act. 21,14] und mit
Hiob ausrufen: Der Name des Herrn sey gebenedeiet! Wie es
dem Herrn gefallen hat, also ist's geschehen. [Job.
1,21]
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