Luk. 4, 38-44
Auslegung des hl. Bischofs Ambrosius
Siehe die Güte unseres Herrn und Heilandes! Nicht von Unmut ergriffen, 
nicht aufgebracht über ihre Bosheit, nicht beleidigt wegen ihrer 
Ungerechtigkeit, verläßt er Judäa; im Gegenteil, ohne an das Unrecht 
weiter zu denken, nur an seine Güte sich erinnernd, sucht er sogar bald 
durch Lehren, bald durch Austreiben von bösen Geistern, bald durch 
Wunderheilungen, das ungläubige Volk zu gewinnen. Ganz treffend hat der 
hl. Lukas die Befreiung eines Mannes vom bösen Geiste vorausgeschickt 
und fügt dann erst die Heilung einer Frau an. Denn der Herr war zwar 
gekommen, beide Geschlechter zu erlösen; aber das zuerst Geschaffene 
mußte auch zuerst erlöst werden, ohne das andere zu übergehen, das mehr 
aus Unbeständigkeit als aus Bosheit gesündigt hatte. Daß der Herr am 
Sabatte seine Heilung begann, deutet darauf hin, daß die neue Schöpfung 
da beginnen sollte, wo die alte aufgehört hatte; auch sollte von 
vornherein klar sein, daß der Sohn Gottes nicht unter dem Gesetze, 
sondern über dem Gesetze steht und daß das Gesetze nicht aufgehoben, 
sondern vollkommen erfüllt werde. Denn nicht durch das Gesetz, sondern 
durch das Wort ist die Welt erschaffen worden. Wir lesen ja auch: Durch 
das Wort des Herrn sind die Himmel gefestigt. Das Gesetz wird also nicht
 aufgehoben, sondern vollkommen erfüllt, auf daß die Erneuerung der 
schon wankenden Menschen erfolgen könne. Daher sagt auch der Apostel: 
Zieht aus den alten Menschen und zieht den neuen an, der nach Gott 
geschaffen ist. Und ganz richtig, begann er an einem Sabbat, um sich als
 den Schöpfer zu zeigen, der seinen Werken noch weitere hinzufügte und 
das fortsetzte, was er begonnen hatte. Genauso wie ein Werkmeister; wenn
 der sich ein neues Haus bauen will, dann fängt er auch nicht beim 
Fundamente, sondern beim Giebel an, das alte einzureißen. So legte der 
Heiland auch da zuerst die Hand wieder an, wo er früher aufgehört hatte;
 alsdann begann er mit kleineren Werken, um allmählich zu den größeren 
überzugehen. Vom Teufel befreien, das können auch die Menschen, wenn 
auch nur im Auftrag Gottes; Toten zu gebieten, wieder aufzustehen, das 
steht nur in Gottes Macht. Vielleicht ist uns auch diese Frau, die 
Schwiegermutter des Simon und Andreas, ein Hinweis, wie unser Fleisch an
 verschiedenen Arten sündhaften Fiebers krankt und von übermäßigen 
Begierden böser Lust erhitzt wird. Und ich möchte dieses Fieber der 
Leidenschaften nicht geringer achten als das wirkliche Fieber; denn 
jenes brennt in der Seele, dieses im Leib. Ein solches Fieber in uns ist
 der Geiz, ein solches Fieber ist die böse Lust, ein solches Fieber ist 
die Ausschweifung, ein solches Fieber ist der Ehrgeiz, ein solches 
Fieber ist die Rachsucht.
(aus dem Deutschen Brevier übersetzt von Dr. Johann Schenk 1937)
 
 
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