31.Mai
Lesung 4 -6
Angela Merici wurde in dem Städtchen Desenzano am Gardasee in der
Diözese Verona, im Gebiet von Venedig von frommen Eltern geboren. Von
früher Jugend an hütete sie mit großer Sorgfalt die Lilie der
Jungfräulichkeit; sie hatte sich vorgenommen, sie allzeit zu bewahren.
Jeder weibliche Schmuck war ihr abhold; absichtlich entstellte sie ihr
schönes Antlitz und ihr herrliches Haar, um nur dem himmlischen
Seelenbräutigam zu gefallen. In der Blüte der Jugend verlor sie ihre
Eltern; nun versuchte sie vor Verlangen nach einer strengeren
Lebensweise in die Einsamkeit zu flüchten, aber von ihrem Onkel wurde
sie daran gehindert. Sie aber lernte es, zu Hause das zu üben, was ihr
in der Einsamkeit nicht vergönnt war. Sie trug ein Bußkleid und geißelte
sich häufig; Fleisch nahm sie nur, wenn sie krank war, Wein nur an den
Festen der Geburt und der Auferstehung des Herrn; oft nahm sie mehrere
Tage lang überhaupt nichts. Sie übte fleißig das Gebet und gönnte sich
nur einen kurzen Schlaf auf dem bloßen Boden. Als einst der Teufel in
der lichten Gestalt eines Engels sie zu täuschen versuchte, erkannte sie
ihn sogleich und schlug ihn in die Flucht. Schließlich verzichtete sie
auf ihr väterliches Erbe, nahm das Gewand des Dritten Ordens vom
heiligen Franziskus und übte neben der Jungfräulichkeit auch die
evangelische Armut. Dem Nächsten versagte sie keinen Liebesdienst; was von den
Lebensmitteln, die sie sich erbettelte, übrig blieb, schenkte sie den
Armen. Freudig diente sie den Kranken; vielerorts tröstete sie die
Betrübten, erlangte den Verurteilten Begnadigung, versöhnte die
Entzweiten, zog die Sünder aus dem Schmutz der Laster. Der Ruf der
Heiligkkeit ging ihr überall voraus. Häufig stärkte sie sich mit dem
Brot der Engel; dies war ihre einzige Sehnsucht; dabei ward sie von
solcher Liebesglut zu Gott entflammt, daß sie oftmals ihrer Sinne
entrückt wurde. Die heiligen Stätten Palästinas besuchte sie mit großer
Andacht. Auf dieser Reise verlor sie bei der Landung an der Küste von
Kydon das Augenlicht, erhielt es aber bei der Rückkehr am gleichen Ort
wieder. Mit Gottes Hilfe entging sie der Gefangennahme durch die
Barbaren und einem drohenden Schiffbruch. Schließlich ging sie nach Rom,
um den festen Felsen der Kirche zu verehren und um den großen
Jubiläumsablaß zu gewinnen. Es war unter dem Pontifikat Klemens VIII.
Der Papst kam mit ihr ins Gespräch, erkannte ihre Heiligkeit und rühmte
sie sehr. Er ließ sie auch nicht eher von Rom fort, als bis er erkannte,
daß sie von Gott für etwas anderes berufen sei. Nach Brescia zurückgekehrt, mietete sie sich ein Haus neben der
Kirche der heiligen Afra und gründete dort nach einer bestimmten
Lebensweise auf Grund einer heiligen Regel eine neue Genossenschaft von
Jungfrauen, wie es ihr durch eine himmlische Stimme und eine Erscheinung
aufgetragen worden war. Sie stellte sie unter den Schutz der heiligen
Ursula, der unbesiegbaren Führerin einer Jungfrauenschar, und nannte sie
nach deren Namen. Kurz vor ihrem Tode sagte sie den dauernden Bestand
dieser Genossenschaft voraus. Fast 70 Jahre alt, ging sie, reich an
Verdiensten, am 27. Januar 1540 in den Himmel ein. Ihr Leichnam lag 30
Tage lang unbestattet, blieb aber biegsam, genau so wie ein lebendiger
Körper. Schließlich wurde sie in der Kirche der heiligen Afra neben den
anderen Heiligenreliquien, an denen diese Kirche reich ist, bestattet.
An ihrem Grabe geschahen bald sehr viele Wunder. Die Kunde hiervon
verbreitete sich immer mehr; bald hieß sie nicht nur in Brescia und
Desenzano, sondern auch in anderen Städten allgemein die Selige, und ihr
Bild wurde auf den Altären aufgestellt. Ja, selbst der heilige Karl
Borromäus erklärte wenige Jahre später zu Brescia öffentlich, sie
verdiene es, vom Apostolischen Stuhl in die Zahl der heiligen Jungfrauen
aufgenommen zu werden. Die Verehrung, die ihr vom Volke schon längst
erwiesen wurde, die von den Bischöfen gebilligt und selbst von mehreren
Päpsten huldvoll in Schutz genommen worden war, hat Papst Klemens XIII.
in einem feierlichen Dekret genehmigt und bestätigt. Papst Pius VII. hat
sie dann, als sie durch neue Wunder verherrlicht wurde, nach
ordentlicher Prüfung dieser Wunder am 24. Mai 1807 in der Peterskirche
feierlich heilig gesprochen und in die Zahl der heiligen Jungfrauen
aufgenommen.
(aus dem Deutschen Brevier übersetzt von Dr. Johann Schenk 1937)
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