10. Februar
Scholastika war die Schwester des ehrwürdigen Vaters Benedikt. Von
Kindheit an war sie dem Herrn geweiht. Einmal im Jahre pflegte sie
Benedikt zu besuchen. Dann kam der Mann Gottes ihr bis zu einer Besitzung
seines Klosters, nicht weit von der Pforte, entgegen. Eines Tages kam
sie ihrer Gewohnheit gemäß wieder, und ihr ehrwürdiger Bruder kam mit
einigen Jüngern zu ihr herab. Sie verbrachten den ganzen Tag mit dem
Lobpreis Gottes und mit heiligen Gesprächen; erst beim Eintreten der
Dunkelheit nahmen sie gemeinsam etwas Speise zu sich. Während sie noch
bei Tische saßen, als unter den frommen Gesprächen die Zeit schon
ziemlich fortgeschritten war, bat ihn seine gottgeweihte Schwester: Ich
bitte dich, bleibe diese Nacht über bei mir, damit wir bis zum Morgen
über die Freuden des himmlischen Lebens sprechen können! Er antwortete
ihr: Was redest du da , Schwester? Ich darf auf keinen Fall außerhalb
der Zelle bleiben. Der Himmel aber war ganz heiter und wolkenlos. Als
nun die gottgeweihte Jungfrau die abschlägige Antwort ihres Bruders
vernahm, legte sie die gefalteten Hände auf den Tisch und neigte ihr
Haupt herab über sie und betete zum allmächtigen Gott. Als sie ihr Haupt
wieder vom Tische erhob, brach ein gewaltiges Gewitter los und ein
solcher Platzregen fiel, daß weder der ehrwürdige Benedikt, noch die
Brüder, die bei ihm waren, vor die Tür des Hauses, wo sie saßen, den Fuß
setzen konnten. Die gottgeweihte Frau hatte nämlich, während sie ihr Haupt in
ihre Hände legte, einen Strom von Tränen auf den Tisch vergossen und
hatte dadurch das heitere Wetter in Regen verwandelt. Denn gleich nach
ihrem Gebet setzte dieses Unwetter ein; und beides, das Gebet und das
Unwetter, folgten so unvermittelt aufeinander, daß es schon donnerte, als
sie ihr Haupt vom Tisch erhob; so geschah also beides, das Erheben
ihres Hauptes und das Einsetzen des Regens, im gleichen Augenblick. Als
nun der Mann Gottes sah, daß er bei diesem Gewitter und diesem heftigen
Regem nicht zum Kloster zurückkehren könne, ward er traurig und sagte
klagend: Möge es dir der allmächtige Gott verzeihen, Schwester; was hast
du getan? Sie antwortete ihm: Schau, ich habe dich gebeten, und du
wolltest nicht auf mich hören; da habe ich meinen Gott gebeten, und er
hat mich erhört; nun geh also, wenn du kannst, entlaß mich und kehre in
dein Kloster zurück! Weil er aber nicht aus dem Hause gehen konnte,
blieb er unfreiwillig dort zurück, nachdem er es freiwillig nicht hatte
tun wollen. So geschah es also, daß sie die ganze Nacht durchwachten und
mit heiligen Gesprächen über das geistliche Leben sich gegenseitig
labten. Am anderen Tage kehrte die ehrwürdige Frau in ihre Zelle zurück und
auch der Mann Gottes ging wieder in sein Kloster. Drei Tage darauf stand
er in seiner Zelle und als er hinausblickte, sah er, wie die Seele
seiner Schwester den Leib verließ und in Gestalt einer Taube in den
Himmel flog. Voll heiliger Freude über ihre Glorie dankte er dem
allmächtigen Gott in Hymnen und Lobliedern und verkündigte ihr
Hinscheiden seinen Jüngern. Und sogleich schickte er einige hin, um
ihren Leib zum Kloster zu bringen und sie in dem Grabe, das er für sich
selbst bereitet hatte, beizusetzen. So geschah es, daß die beiden, die
stets ein Herz in Gott waren, auch im Grabe für immer beisammen waren.
(aus dem Deutschen Brevier übersetzt von Dr. Johann Schenk 1937)
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