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 Ehrwürdige Brüder,   
Gruß und Apostolischen Segen !
... Während Wir diese Wünsche In der Seele hegten, hat Uns neulich eine 
Abhandlung in der  neugegründeten Zeitschrift Roma e lÓriente (=Rom und 
der Orient), welche den Titel führt: Pes´ees Sur La question de I´union 
des Églises (= Gedanken über die Frage der Vereinigung der Kirchen), 
Anlass zu großer Betrübnis gegeben. Denn jene Schrift enthält so viele 
schwerwiegende Irrtümer nicht nur theologischer, sondern auch 
historischer Natur, dass man auf so wenig Seiten kaum mehr hätte 
aufhäufen können. 
Es wird darin nämlich ebenso unbesonnen als unrichtig die Meinung
 zugelassen, dass die Glaubenslehre vom Ausgang des Heiligen Geistes vom
 Söhne sich nicht aus den Worten des Evangeliums ergebe, noch dass sie 
durch das Zeugnis der alten Väter erhärtet werde; ähnlich wird höchst 
unverständig in Zweifel gezogen, ob die kirchliche Glaubenslehre vom 
Fegefeuer  und von der Unbefleckten Empfängnis der Allerseligsten 
Jungfrau Maria von den heiligen Männern früherer Jahrhunderte anerkannt 
worden sei; wo aber der Schriftsteller auf die Verfassung der Kirche zu 
sprechen kommt, da wiederholt er zunächst den schon von Unserem 
Vorgänger Innozenz. X. längst verworfenen Irrtum, der heilige Paulus 
werde wie ein  Bruder den heiligen Petrus für durchaus gleich gehalten. 
Darauf wird nicht weniger falsch die Überzeugung ausgesprochen, die 
Katholische Kirche sei in den ersten Jahrhunderten, nicht unter die 
Oberleitung eines einzigen, das heißt eine Monarchie gewesen, oder der 
Primat der Römischen Kirche stütze sich auf keine beweiskräftigen 
Argumente. Ja auch die katholische Lehre vom Allerheiligsten Sakrament 
des Altars wird dort die durch die schroffe Behauptung angetastet; man 
könne die Meinung annehmen, dass bei den Griechen die Konsekrationsworte
 ihre Wirkung nur gewinnen, wenn zuvor jenes Gebet gesprochen worden 
ist, welches sie Epiklese nennen; während doch feststeht, dass die 
Kirche kein Recht hat, in Hinsicht auf das Wesen der Sakramente 
Neuerungen einzuführen. In gleich großem Widerspruch hierzu steht, dass 
das Sakrament der Firmung für gültig zu halten sei, auch wenn es von 
einem beliebigen Priester gespendet werde. 
Schon aus dieser Zusammenstellung der Irrtümer, mit denen jene 
Abhandlung erfüllt ist, erkennt Ihr leicht, Ehrwürdige Brüder, dass 
damit allen, die sie lasen ein überaus grosser Anstoss gegeben ist; und 
Wir selbst waren sehr erstaunt, dass man sich herausnahm, die 
katholische Glaubenslehre in offenen Worten so zu entstellen und in 
mehreren Punkten bei der Darstellung der Geschichte über die Ursachen 
der Orientalischen Kirchenspaltung in dreister Weise die Wahrheit gar 
sehr zu verdrehen. Zunächst werden fälschlicherweise die  heiligen 
Päpste Nikolaus I. und Leo IX. beschuldigt: der erstere durch seinen 
Stolz und seinen Ehrgeiz, der letztere durch seine zu scharfen Rügen, 
zum großen Teil für die Spaltung verantwortlich zu sein - gleich als 
wäre der apostolische Ernst des ersteren zum Schutz der kirchlichen 
Rechte aus dem Stolz herzuleiten und, als sollte der Eifer des anderen 
für die Abwehr der gottlosen Grausamkeit genannt werden. Die 
geschichtliche Wahrheit wird auch mit Füßen getreten, wenn man jene 
heiligen Unternehmen, die Kreuzzüge genannt werden,  wie Raubzüge 
behandelt, oder wenn man was noch schlimmer ist, die Römischen Päpste 
beschuldigt, als wäre der Eifer, mit welchem sie versucht haben, die 
Völker des Orientes zur  Vereinigung mit der Römischen Kirche zu rufen, 
der Herrschsucht zuzuschreiben, nicht aber  der apostolischen 
Hirtensorge für die Herde Christi. 
Großes Erstaunen erregte die gleiche Schrift noch durch die 
Behauptung, dass die Griechen (beim Konzil) zu Florenz von den Lateinern
 gezwungen worden seien, die Vereinigung zu unterschreiben; oder dass 
sie durch falsche Beweisgründe veranlasst worden seien, den Glaubenssatz
 vom Ausgang des Heiligen Geistes auch vom Sohne anzunehmen. Ja, sie 
treibt es so weit, dass sie alle geschichtliche Wahrheit missachtet und 
in Zweifel zieht, ob die Allgemeinen Konzilien, welche nach der Trennung
 der Griechen gehalten worden sind das  heißt die Konzilien vom achten 
bis zum Vatikanischen (1870j wirklich als ökumenische gelten dürften. 
Und auf diese Grundlage wird eine Art einseitigen Einigungsvorschlages 
gemacht, dass künftighin in beiden Kirchen das allein als verbindlich zu
 gelten hätte, was gemeinsames Erbe aus der Zeit vor der Trennung ist, 
alles übrige solle als überflüssige oder  gar unechte Zutat ganz mit 
Schweigen übergangen werden. 
....
... Ihr sollt nicht nur Wissen, dass die erwähnten Vorschläge und Meinungen 
als falsch, verwegen und mit dem katholischen Glauben als unvereinbar 
von Uns verworfen werden, ...
am 26. Dezember 1910,
im achten Jahr Unseres Pontifikates.
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