Sonntag, 10. November 2013

Einundzwanzigster Sonntag nach Pfingssten - Predigt vom Hl. Thomas von Aquin

Zweite Rede 

Gestern um die siebente Stunde verließ ihn das Fieber (Joh. 4, 52.) Gewöhnlich auf den vorhergehenden Sonntag

 Im moralischen Sinne versteht man unter diesen Worten zweierlei; erstens die Krankheit des Sünders, nämlich das Fieber, und zweitens die Mittel, welche zur Heilung nothwendig sind: "Am siebenten Tage verließ ihn das Fieber." In Bezug auf den ersten Punkt ist zu bemerken, daß die Sünder an sieben Fiebern leiden. Das erste ist das beständige, nämlich die Wullust. Der Prophet (Oseas 4.) sagt: "Sie hurten und hörten nicht auf, weil sie Gott verließen und nicht auf ihn achteten." Das zweite ist das tägliche, nämlich Fraß und Völlerei, wodurch man täglich sündigt. So spricht Isaias von solchen Menschen (Isai. 56.): Laßt uns essen und trinken, und wie heute, so soll es morgen und noch viel länger so sein." Das dritte ist das dreitägige, welches den Zorn wegen der Zunahme der Hitze bedeutet. "Je nach dem Maaße des Holzes im Walde - spricht der Siracide (28.) - brennt das Feuer, und nach seiner Kraft vermehrt es seinen Zorn." Das vierte ist das viertägige Fieber und bedeutet die Trägheit, die von der Traurigkeit entsteht, wie es in den Sprüchen (25.) heißt: "Wie die Motte dem Kleide und der Wurm dem Holze, so schadet die Traurigkeit des Mannes dem Herzen." Und wiederum steht geschrieben (Deut. 28.): "Es schlage dich der Herr mit Mangel, Fieber und Kälte, Hitze, Wärme und verdorbener Luft und mit Rost." Das fünfte ist das Fieber, welches niemals oder schwer geheilt wird, nämlich der Geiz. Der heilige Hieronymus sagt: "Wenn die übrigen Laster im Menschen altern, so blüht allein die Habsucht." Das sechste ist das schnell vorübergehende, nämlich der Stolz. "Da sie sich erhoben - spricht der Psalmist (72.) - hast du sie gestürzt;" und Job (24.) spricht: "Sie sind eine kleine Zeit in der Höhe und bestehen nicht, und werden gedemüthigt wie Alles, und weggenommen, und wie Aehrenspitzen zerrieben." Das siebente ist das Faulfieber, das der Neid ist, wie es in den Sprüchen (14.) heißt: "Des Körpers Leben ist ein gesundes Herz; Knochenfäulniß ist der Neid."


In Bezug auf den zweiten Punkt ist zu bemerken, daß es sieben Mittel gibt, welche den Menschen von diesen sieben Fiebern heilen. Das erste ist die demüthige Anhörung des Wortes. "Er sandte sein Wort - heißt es (Ps.106) und es heilte sie," und (Weish. 16.): "Denn weder ein Kraut, noch eine Salbe heilte sie, sondern dein Wort, allmächtiger Herr, das Alles heilt; du bist es, der du über Leben und Tod Macht hast und zu den Pforten des Todes hinzu und davon hinwegführest." Das zweite ist die Reue über die Sünde. "Denn meine Missethat erkenne ich," spricht der Psalmist (50.)  Das dritte ist das demüthige Flehen zu Gott. "Mein Gott ich rief zu dir und du heiltest mich." (Ps. 29.) Das vierte ist die Eingießung des Glaubens. Im Evangelium (Luc.7.) heißt es: "Der Herr aber sprach zum Weibe: Dein Glaube hat dich gesund gemacht; gehe hin im Frieden." Das fünfte ist die Erweisung der Barmherzigkeit. "Wenn du einen Nackten siehst - spricht Isaias (58.) - so bedecke ihn und verachte sein Fleisch nicht. Und sodann wird dein Licht wie das Morgenroth hervorbrechen und deine Gesundheit wird sehr schnell hervorgehen und deine Gerechtigkeit wird vor deinem Angesichte vorhergehen und die Herrlichkeit Gottes dich umfangen." Das sechste ist das Verlassen der Sünde. "Wenn ihr umkehret und ruhet, werdet ihr gesund und selig sein" (Isai. 30.). Das siebente ist die vollkommene Reue des Herzens und die völlige Belehrung des Menschen zu Gott. Darum spricht der Psalmist (146.) vom Herrn: "Welcher die zerknirschten Herzen heilt," und Jeremias (3.): Bekehret euch, Söhne, und ich will euere Wunden heilen. Wahrhaftig ist in Gott unserm Herrn das Heil Israels." Dieß ist die siebente Stunde, in der im Allgemeinen das Fieber den Sünder verläßt. Aber alles dieses hat keine Wirksamkeit, wenn es nicht von jenem heiligen Heilmittel seine Wirkung empfängt, das alle unsere Wunden heilt, vom Leiden unseres Herrn Jesu Christi wie der Apostel (1. Petr. 2.) von Christus redet: "Welcher unsere Sünden in seinem Leibe am Holze ertrug, durch dessen Wunden wir geheilt wurden."

1. Rede

 (Aus dem Buch Des heiligen Thomas von Aquin, des englischen Lehrers, Predigten auf das ganze Kirchenjahr)