Mittwoch, 9. Oktober 2013

Von der Christlichen Gerechtigkeit - Hl. Petrus Canisius

Kurzer Inbegriff der christlichen Lehre oder Katechismus des ehrwürdigen Lehrers Petrus Canisius der Gesellschaft Jesu Theologen - Aus dem lateinischen Originalwerke in das Deutsche übersetzt - Dritte sehr verbesserte und um sieben Druck Bogen vermehrte Auflage  (1826)


Fünftes Hauptstück.

Von der Christlichen Gerechtigkeit

I. Was gehört nun zur christlichen Gerechtigkeit?

 Ueberhaupt zwey Dinge, welche in diesen Worten enthalten sind: (a) Stehe ab vom Bösen, und thue Gutes: wie auch Jesaias lehrt: (b) Höret auf übel zu handeln und lernet Gutes thun. Das ist es was St. Paulus (c) ermahnt, daß man den alten Menschen mit seinen Werte solle ausziehen, und anziehen den neuen Menschen in Gerechtigkeit und Heiligkeit. Das erste besteht darin, daß man die Sünden, welche die größten Uebel der Menschen sind, erkenne und fliehe; das zweyte aber darin, daß man das Gute wolle und vollbringe.

 Damit wir aber diese beyden Pflichten der Gerechtigkeit (d) erfüllen können, so ist die Gnade Gottes, die Jesus Christus uns erworben und verheißen hat, allezeit notwendig. (e) In dem aber diese vorangeht und mitwirkt, so geschieht in uns das, was Johannes bekräftiget: (f) Der die Gerechtigkeit thut, der ist gerecht wie auch Er (Gott) gerecht ist. Und er setzt weiter bey: Wer Sünde thut, der ist aus dem Teufel.

 II. Was ist die Sünde?


 Nach dem Zeugnisse des h. Augustinus (a) ist die Sünde der Wille, zu behalten oder zu erlangen, was die Gerechtigkeit verbiethet, und davon sich zu enthalten man die Freiheit hat. Und an einem andern Orte lehrt er: (b) Die Sünde ist ein Wort, oder Werk, oder eine Begierde wider Gottes Gesetz. Der heilige Ambrosius aber sagt: (c) Was ist die Sünde als eine Uebertretung des göttlichen Gesetzes, und ein Ungehorsam gegen die himmlischen Gebothe?





III. Wie vielfach der ist die Sünde?

 Dreyfach, die (a) ursprüngliche (oder Erbsünde), die Todsünde, und die läßliche Sünde. Die erste nennen wir die (b) ursprüngliche (oder Erbsünde), weil sie von dem ersten Vater des menschlichen Geschlechtes von Adam auf uns übergegangen (ererbt) und schon ben der (c) Empfängniß uns zugezogen, und durch die Taufe in Christus gehoben wird. Davon spricht Paulus auf diese Weise: (d) Durch Einen Menschen ist die Sünde in diese Welt eingegangen, und durch die Sünde der Tod, und so ist der Tod zu allen Menschen durchgedrungen, in dem alle gesündiget haben. Und wiederum giebt er offenbares Zeugniß, da er zu den Getauften redet, und zeigt, daß die Kraft der christlichen Taufe auf Reinigung auch dieser Sünde sich erstrecke: (e) Ihr seyd abgewaschen, ihr send geheiliget, ihr seyd gerechtfertiget in dem Namen unsers Herrn Jesus Christus und in dem Geiste unsers Gottes.

 Die Todsünde aber, wie man sie nennt, ist eine wirkliche Sünde, welche das geistliche Leben raubt, und der Seele des Sünders den Tod bringt, welcher Tod von Gott und dem Reiche (f) Gottes trennt und der ewigen Strafe schuldig macht. Daher steht geschrieben: (g) Der Sold der Sünde ist der Tod. (h) Die Ungerechtigkeit ist ein Gewinn des Todes und die Gottlosen ringen darnach mit Händen und Worten.

 Endlich die läßliche Sünde ist wohl auch eine wirkliche Sünde, aber sie macht den Menschen nicht zum Feinde Gottes, und die Gläubigen erlangen von Gott leicht Nachlassung derselben. Von dieser spricht St. Johannes: (i) Wenn wir sagen, daß wir keine Sünde haben, so betrüge wir uns selbst, und die Wahrheit ist nicht in uns. Dann gesteht auch der heil. Jakobus offenherzig: (k) Wir alle sündigen in vielen Stücken. Und wenn wir dem weisen Manne glauben, (l) so fällt der Gerechte siebenmal des Tages und steht wiederum auf .

Gewiß aber ist es, daß eine Sünde schwerer (m) sey, als die andere, und es ist nicht nur der menschlichen, sondern auch der göttlichen Gerechtigkeit gemäß, daß der schweren Sünde auch eine (n) größere Strafe gebühre. Daher hat Christus zwischen der Schuld und Strafe dessen, der wissentlich und unwissentlich sündiget, so entschieden, da er spricht: (o) Jener Knecht, welcher den Willen seines Herrn gewußt, und sich nicht bereitet und nicht nach desselben Willen gethan hat, der wird mit vielen Streichen geschlagen werden; der ihn aber nicht gewußt, und doch gethan, hat was Streiche verdient, wird mit wenigen geschlagen werden. An einem andern Orte aber, da der Nämliche von den Sünden des Zorns und seinen Graden redet, trug er diesen Spruch vor: (p) Ein jeder der seinem Brüder zürnet, wird des Gerichtes schuldig; wer aber zu seinem Bruder sagt: Racka! der wird des Rathes schuldig; wer aber sagt: du Narr! der wird des höllischen Feuers schuldig. Hier wuchs mit den Graden der Schuld die Stufe des Spruches, daß wir uns der Worte des h. Gregorius (q) bedienen, indem der Zorn ohne Worte dem Gerichte, der Zorn im Worte dem Rathe, wo über die Sache das Urtheil gesprochen wird, der Zorn aber in Wort und Reden dem höllischen Feuer übergeben wird.

 VI. Warum soll man die Sünde fliehen?

 Erstens weil Gott Niemand gottlos zu seyn befahl, und Niemanden Erlaubniß gab, zu sündigen, sondern Alle haßt, welche Sünde thun (a). wie es die Schrift offenbar bezeugt. Es giebt auch nichts das Gott mehr verhaßt ist, der sonst alles was ist, (b) liebt, und außer der Sünde nichts mit Haß und Strafe verfolg,t diese aber weder (c) im Himmel, noch (d) auf Erde ungestraft hingehen läßt.

 Dann hat die Sünde, damit sie recht verabscheuungswürdig erscheine, Christus dem Herrn, welcher keine Sünde (e) gethan hat (f), Ursache gegeben sich dem Kreuze zu unterziehen und den bittersten Tod zu erdulden; denn (g) Er ist um unserer Missethaten willen verwundet, und um unserer Sünden willen zerschlagen worden, der Herr hat die Ungerechtigkeit unser Aller auf Ihn gelegt: (h) Er ist die Versöhnung für unsere Sünden, nicht nur aber für die unserigen, sondern auch für die der ganzen Welt.

 Und deßwegen hat er uns von unsern Sünden in seinem Blute (i) gewaschen, daß alle die mit ihm durch die Taufe auf den Tod (k) begraben sind, den Sünden (l) gestorben, der Gerechtigkeit leben, und durch seine Gnade beständig in einem (m) neuen Lebe wandeln.

 Uebrigens welche nach der Gnade, die sie in der Taufe Christi erlangt haben, wieder freiwillig sündigen, die sündigen gegen Christus, verfolgen Christum, kreuzigen Christum abermal, daher sie von Christus, dem gerechten Richter, nicht weniger als die lasterhaften Heiden gestraft werden müssen; denn so lehrt St Paulus: (n) Wenn wir freywillig sündigen, nachdem wir die Erkenntniß der Wahrheit erlangt haben, so bleibt uns forthin kein Opfer mehr für die Sünde, wohl aber eine schreckliche Erwartung des Gerichtes.

 Von diesen hat auch der heil. Apostel Petrus gesagt: (o) Es wäre ihnen besser, daß sie den Weg der Wahrheit nicht erkannt hätten, als daß sie nach der Erkenntniß sich wieder abwenden von jenen heiligen Gebothe, welches ihnen gegeben ist. Daher wer da steht, der sehe zu, (p) daß er nicht falle, denn wenn er fällt, werden die letzten Dinge ärger, als die ersten. Ueberdieß sind diejenigen (q) Feinde ihrer Seele, welche sündigen und Unrecht thun, wenn wir Raphael glauben. (r) Denn der Mensch tödtet durch die Sünde seine Seele. (s) Die Seele welche gesündiget hat, soll sterben.

  Nichts aber ist unglückseliger, als jener Tod durch welchen der Mensch von der Gemeinschaft aller Heiligen, von der Freude der Engel und Himmelsbewohner, und (t) endlich selbst von dem höchsten und ewigen Gute, in dessen Erkenntniß und Genuß wahrlich alles Heil und vollkommene Seligkeit des Menschen besteht, auf ewig getrennt wird.

 Zudem ist der Sünde Wesen und Bösartigkeit diese, daß sie die Menschen, auch die Gerechten (u), nicht nur von Gott und Gottes Gnade und Herrlichkeit ausschließt, sondern überdieß auch den größten und ewigen Uebeln sowohl des Leibes, als auch der Seele unterwirft, und sie macht dieselben nicht nur (x) in diesem, sondern auch in dem zukünftigen Leben höchst unglücklich, so, daß sie in die Gewalt der Teufel gebracht, den schweresten Strafen und allen Uebeln ewig hingegeben werden.

 Daher soll man die Beyspiele in den heil. Schriften merken, welche von Sündern, die gestraft worden sind, hin Und her zerstreut erzählt werden, als von (y) Kain, (z) Pharao, (a) Nabuchodonosor, (b) den Sodomiten, (c) Aegyptiern, (d) Israeliten und von den Uebrigen, deren Laster der gerechte Gott auf wunderbare und schreckliche Weise gezüchtiget hat. Wir sollen auch acht haben auf die Sprüche, welche lehren, daß man die Pest der Sünden fliehen und verabscheuen solle, nämlich: (e) Wer Sünde thut, ist ein Knecht der Sünde. (f) Gott haßt beyde, den Gottlosen und seine Bosheit. (g) Die Sünde macht die Völker unglücklich. (h) Fliehe vor Sünden wie vor einer Schlange. (i) Du bist nicht ein Gott, dem Gottlosigkeit wohlgefällt, und der böse ist, wohnt nicht bey Dir, noch bleiben die Ungerechten vor deinen Augen. (k) Wer in Einem Stücke sündiget, verdirbt viel Gutes . (l) Alle Tags deines Lebens habe Gott im Herzen, und hüte dich, daß du je in eine Sünde willigest, und die Gebothe unsers Gottes übertretest.

 Solches (alles) dient dazu, daß der Mensch Gott, den strengsten Rächer der Sünden, erkenne in dieser Erkenntniß ihn fürchte, in der Furcht sein Heil sorgfältig wirke, und in dieser Sorgfalt den schrecklichen Strafen der Sünden entgehe. (m) Denn der Sünder hat viele Plage.

V. Welcher Weg führt zur Grube der Sünde?

 Man kommt vorzüglich auf drey (a) Stufe zur Sünde; Durch Eingebung, Lust und Einwilligung, durch Eingebung des Feindes, da uns ein böser Gedanke eingegeben, oder man von der Welt, dem Fleische oder dem Satan in Versuchung geführt wird; durch unsere Lust aber, wenn das, was die böse Versuchung eingegeben hat, dem Gemüthe sehr wohlgefällt; endlich auch durch eigne Einwilligung, wenn der zur Sünde gereizte Wille wohlbedacht einstimmt. Durch diese Einwilligung wird die Sünde wahrlich schon (b) vollbracht, so, daß sie den Menschen nicht nur unrein und sündig macht, und geistlich tödtet, sondern auch vor Gott der Hölle schuldig macht, auch wenn sie nicht immer im Werke vollbracht wird. Daher ist jenes Wort nicht umsonst gesagt worden: (c) In der bösen Eingebung liegt der Same der Sünde, in der Lust ihre Nahrung; in der Einwilligung das Vollbringen derselben.
 Wenn wir die gewöhnlichen Stufen der Sünde noch genauer betrachten, so kommt zuerst aus der (d) Eingebung der Gedanke, aus dem Gedanken die Bewegung des Gemüthes, aus der Bewegung des Gemüthes die Lust, aus der Lust die Einwilligung, aus der Einwilligung das Werk, aus dem Werke die Gewohnhei,t aus der Gewohnheit die Verzweiflung, aus der Verzweiflung die Verteidigung der Sünde, aus der Vertheidigung der Sünde Prahlerey, aus der Prahlerey die Verdammniß.

 Das ist endlich jene lange und schreckliche Kette der Sünden, dieß sind die (e) Stricke und Fesseln, mit welchen der Satan den Menschcn gebunden hält, jetzt in alle Arten von Übeln, und zuletzt in den Abgrund der Hölle auf die unglücklichste Weise stürzt. Und deßhalben liegt sehr viel daran, diese Stufen und Arten der Sünden aufs fleißigste zu unterscheiden und zu beobachten, damit wir nicht betrogen und gefährdet werden.

VI. Wie werden die Sünden leicht vermieden?

 Zuerst, wenn wir vorher sehen, welche Uebel und Gefahren äuf die Sünde folgen; hernach wenn wir dem ersten Anfänge und den bösen Eingebungen, dadurch wir zum Sündigem leicht gereizt werden, sogleich (a) begegnen und tapfer widerstreiten; endlich (b) wenn wir uns bestreben, die den Sünden entgegen gesetzten Tugenden zu üben, und das Alles unter dem Beystande Christi,

 Daher ermahnt uns Jesus Sirach: (c) Folge nicht deinen bösen Lüsten, und brich deinen Willen. Wenn du deiner Seele ihre Begierden lassest, so wird sie dich deinen Feinden zur Freude machen. Daher heißt auch der göttliche Spruch: (d) Ist es nicht so? Wenn du recht thuest, so wirst du den Lohn empfangen; wenn aber unrecht, so wird die Sünde sogleich vor der Thüre seyn; aber ihre Begierde soll unter dir seyn, und du sollst über sie herrschen.

 Und hier hat die geistliche (e) Bewaffnung ihre Stelle, von welcher Paulus die Kämpfer Christi wider die Sünde und alle Nachstellungen des Teufels gerüstet wissen will, auf daß sie gegen die Sünde streiten, am bösen Tage widerstehen und alle (feuerigen) Pfeile des Bösewichtes auslöschen können.

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