Montag, 14. Oktober 2013

Von den vier Haupttugenden - Hl. Petrus Canisius

Kurzer Inbegriff der christlichen Lehre oder Katechismus des ehrwürdigen Lehrers Petrus Canisius der Gesellschaft Jesu Theologen - Aus dem lateinischen Originalwerke in das Deutsche übersetzt - Dritte sehr verbesserte und um sieben Druck Bogen vermehrte Auflage  (1826)


Fünftes Hauptstück.

Von der Christlichen Gerechtigkeit

   Von den Haupttugenden 


I. Was will der Name und das Wesen der Haupttugenden sagen?

 Einige Tugenden (a) heissen deßwegen Haupttugenden, weil sie gleichsam die Quellen sind, und das Haupt der andern, und wie die Thür im Angel hin und her sich bewegt, eben so soll alle ehrbare Lebensweise in diesen Haupttugenden sich bewegen, und das ganze Gebäude des guten Werkes(b) auf denselben, wie auf Grundpfeilern zu stehen scheinen. Derselben aber werden (c) vier gezählt: Klugheit, Gerechtigkeit, Mäßigung und Starkmuth, von welchen so geschrieben steht: (d) Sie ,die Weisheit, lehrt Nüchternheit und Klugheit, und Gerechtigkeit und Tugend, außer welchen den Menschen nichts nützlicher ist im Leben, wo nun durch die Nüchternheit (e) die Mäßigung, durch die Tugend die Starkmuth nicht undeutlich bezeichnet, und alle jene Haupttugenden uns so sehr gepriesen werden, daß wir für gewiß erkennen, daß sie eigentlich von der ewigen (f) Weisheit, die Gott ist, gegeben und mit überaus großem Nutzen und Heile von den Menschen empfangen und geübt werden. Diese Tugenden heißen auch (nach dem lateinischen Officiales), verpflichtende, weil von ihnen, wie der heilige Ambrosius (g) bemerkt hat, alle Arten von Pflichten abstammen, und alle Pflichten des gemeinen Lebens nach eines jeden Beruf abgeleitet werden.

II. Wie werden diese Haupttugenden bestimmt?


 Die Klugheit ist eine Tugend, welche dem Menschen vorschreibt, was er sittlicher Weise verlangen, oder was er fliehen soll. Die Gerechtigkeit ist eine Tugend, dadurch einem Jeden das Seinige gegeben wird. Die Mäßigung ist eine Tugend, welche die Lüste des Fleisches, die mit dem Geschmack- und Gefühlssinn empfunden werden, in den gehörigen Schranken erhält. Die Starkmuth ist eine Tugend, dadurch man die Mühseligkeiten und Gefahren des Todes mit festem Muthe sowohl übernimmt, als auch erträgt.

 Das ist der edle Wagen der Tugenden, auf welchem wir gen Himmel fahren; das sind die vier (a) Flüße des Paradieses, (b) wie St. August sie nennt, von welchem auch jener Spruch merkwürdig ist, wo er sagt: Das ist die Wissenschaft (c) menschlicher Dinge, welche weiß und erkennt das Licht der Klugheit, die Zierde der Mäßigkeit, die Kraft der Starkmuth, die Heiligkeit der Gerechtigkeit. Diese sind es, welche wir, keinen Unfall fürchtend, wahrhaft unser Eigenthum nennen dürfen.

 III. Wie wird die Klugheit in den heiligen Schriften uns empfohlen?

Klug ermahnt Jesus Sirach auf diese Weise: (a)  Sohn, thue nichts ohne Rath, und es wird dich nach der That nicht gereuen. Weiter: (b) Ein weises und verständiges Herz wird sich von Sünden enthalten und in den Werken der Gerechtigkeit Fortschritte machen. Dann lehrt uns die Quelle aller Weisheit und Klugheit, (c) Christus, jener wahre (d) Salomo, so: (e) Seyd klug wie Schlangen und einfältig wie die Tauben, damit wir erkennen, daß zur voll Klugheit beydes zugleich erfodert werde, nämlich Taubeneinfalt, welche uns unschuldig und sanftmüthig macht, und Schlangenklugheit, welche die Menschen behutsam und vorsichtig macht, so, daß sie weder selbst betrügen, noch von jemand betrogen werden. Solches geschieht, wenn wir nach der Lehre des heiligen Paulus uns fügen, der da spricht: (f) Sehet zu Brüder, daß ihr behutsam wandelt, nicht als Unweise, sondern als Weise, benutzend die Zeit; denn die Tage sind böse. Deßhalb seyd nicht unverständig, sondern erforschet wohl, was der Wille Gottes sey, (g) der gute nämlich, der wohlgefällige und vollkommene.

 Und hieher gehört das Wort Salomo's: (h) Wer mit Weisen umgeht, der wird weise; ein Freund der Narren wird ihnen gleich werden. Und jenes Wort: (i) Die Weisheit leuchtet im Angesichte des Klugen; endlich jenes Wort das der Nämliche bekräftiget: (k) Das Herz eines Klugen wird Erkenntniß gewinnen, und das Ohr der Weisen ist begierig der Lehre.

 IV. Ferner: er was lehrt die Schrift von der Gerechtigkeit?

(a) Die Gerechtigkeit erhöhet ein Volk; (b) durch Gerechtigkeit wird der Thron befestiget. Es ist besser, ein wenig mit Gerechtigkeit, als viel Einkommen mit Ungerechtigkeit. Die Pflicht dieser Gerechtigkeit erklärt uns der Apostel in den Worten: (c) Gebet jedermann was ihr schuldig seyd; Steuer, dem Steuer gebührt; Zoll, dem Zoll gebührt; Furcht, dem Furcht; Ehre dem Ehre gebührt.

 Hieher gehört was im Psalm von einem gerechten und frommen Manne gesungen wird: (d) Selig wer mit seiner Zunge nicht Betrug übt, noch seinem Nächsten Uebles thut, und keine Schmach annimmt wider seinen Nächsten; wer seinem Nächsten schwöret und betrügt ihn nicht, wer sein Geld nicht auf  (e) Wucher giebt, und nicht Geschenk nimmt wider den Unschuldigen.

 Aus diesem ist leicht einzusehen, daß der Name Gerechtigkeit hier enger genommen werde, als wo wir überhaupt von der christlichen Gerechtigkeit abgehandelt haben.

 V. Wie lehrt die Schrift von der Mäßigung?

 Um die Unmäßigkeit zu vermeiden, befiehlt uns die Schrift, (a) das Fleisch in seinen Lüsten nicht zu pflegen, und (b) unsere Herzen durch Schlemmen mit Fraß und Trunkenheit nicht etwa zu beschweren. Uebrigens ermahnt sie zur Uebung der Mäßigkeit, wo sie (c) will, daß wir nüchtern seyn und wachen sollen, das ist durch heilige Nachtwachen und Gebethe tüchtig werden, damit wir dem Satan keinen Raum (d) geben. Es ermahnet daher auch Jesus Sirach: (e) Genieß was dir vorgesetzt wird, wie ein mäßiger Mensch, damit man dir nicht gehäßig werde, wenn du viel essest. Der Nämliche schweigt auch nicht über Vermeidung der Trunkenheit: (f) Wenn derWein übermäßig getrunken wird, so giebt er Zank, Zorn und vielerley Verderben;  ja sogar wie der Nämliche sagt: (g) Wein und Weiber bringen auch die Weisen zum Abfall. Er setzt daher über den mäßigen Genuß des Weines auch dieses bey: (h) Der Wein mäßig genoßen erfreuet Seele und Herz, ein Mäßiger Trunk ist zur Gesundheit des Leibes und der Seele. Darum lesen wir auch an einem andern Orte geschrieben: (i) Selig das Land, dessen Fürsten zu rechter Zeit essen zur Stärkung und nicht zur Schwelgerey. (k) Wer aber mäßig lebt der wird sein Leben verlängern. Diese Tugend aber der Mäßigkeit erstreckt sich auch (l) weiter, als auf den mäßigen Gebrauch der Speise und des Trankes. Wenn je einer, so hat uns Johannes (m) der Täufer ein vollkommenes Beyspiel aller Mäßigkeit, des Abbruches, ja auch der Enthaltsantkeit gegeben, da er allen Ueberfluß der Speise und es Kleides sich abgeschnitten, mit der äußersten Sparsamkeit vergnügt, sein Leben in der Wüste zugebracht hat.

 VI. Was sagt die Schrift über bie Starkmuth?

 Um dieser sich zu befleißen, ermahnt sie uns hinreichend, da sie uns die unbillige (a) Furcht nimmt, und die Zuversicht, Freudigkeit, Standhaftigkeit und Großmuth eines christlichen Geistes preist, wie denn Salomo spricht: Der Gottlose flieht, ohne daß ihn jemand verfolgt; der Gerechte aber ist beherzt wie ein Löwe und ohne Furcht. (b) Und der heil Petrus ermahnt wegen der des Glaubens und der Gottseligkeit so: (c) Fürchtet euch vor ihrem Schreien nicht und lasset euch nicht verwirren. Wer ist, spricht er, (d) der euch schaden könnte, wenn ihr euch des Guten bestrebet? Aber wenn ihr auch leidet um der Gerechtigkeit willen (e) selig ihr! Paulus aber der selbst ein (f) unüberwindlicher Kämpfer Christ war ermuntert oft Andere zur wahren und christlichen Starkmuth; er spricht: (g) Brüder, meine Geliebten, seyd standhaft und unbeweglich, und allzeit reich in allem Werke des Herrn, und wisset, daß eure Arbeit nicht vergeblich ist im Herrn. Und wiederum: (h) Brüder, stärket euch in dem Herrn und in der Macht seiner Stärke. Ziehet an die Waffenrüstung Gottes, damit ihr wider die listigen Nachstellungen des Teufels stehen, und am bösen Tage Widerstand thun, und in Allem als Vollkommene bestehen möget.

 Einem starken Manne sind diese Worte eigen: (i) Auf Gott hoffe ich: ich fürchte mich nicht; was soll mir der Mensch thun? (k) Der Herr ist Beschützer meines Lebens; vor wem soll ich zittern? Wenn auch ein Heerlager wider mich zusammensteht, so wird sich mein Herz nicht fürchten. (l) Wenn ich schon mitten im Schatten des Todes wandle, so fürchte ich doch kein Unglück; denn du bist bey mir. (m) Wer will uns scheiden von der Liebe Christi? (n) Alles vermag ich in dem der mich stärkt. Das ist es was David der (o) starkmütigste König zu allen Kindern Gottes und zu seinen Mitkämpfern gesagt hat, und wodurch er sie, wie zum Kampfe begeistert: (p) Handelt mannhaft, und euer Herzstärke sich, Alle, die ihr auf den Herrn vertrauet. (q) In Gott wollen wir tapfere Thaten thun. Er selbst wird unsere Verfolger zernichten.

 Das ist nun ein Leben, das eines Christenmenschen würdig ist, welches klug, gerecht, mäßig und starkmuthig geführt wird. Darin besteht die goldne (r) Mittelstrasse, daß man nicht zu viel und nicht zu wenig thue. Das ist was die Schrift sagt: (s) Weiche weder zur Rechten noch zur Linke.

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