Montag, 17. Juni 2013

Die Würde, Schönheit und Frucht des heiligen Rosenkranzes

Eine Rede auf das Fest des  des heiligen Rosenkranzes, Maria von Sieg genannt


München, 1841. gedruckt bei Fr. S. Hübschmann, (Salvatorstrasse Nr. 20)




Selig welche das Wort Christi hören und beobachten. Luc. 11,28

Andächtige!

Es war gegen das Ende des zwölften und zu Anfang des dreizehnten Jahrhunderts, daß sich zu Albi in Frankreich eine Sekte der verderblichen Irrlehrer erhob, welche nicht nur allmählich Frankreich verwüstete, sondern auch drohte, sich über ganz Europa zu verbreiten.

Diese Irrlehrer, gemeinhin die Albigenser genannt, läugneten die Gottheit Christi, erlaubten alle Lüste, verwarfen die heiligen Sakramente und gottesdienstlichen Gebräuche und verspotteten das Ansehen der Kirche.
Schon wurde durch sie in einem großen Theile Frankreich, Italiens und Spaniens die Taufe abgeschafft, die Person Jesu Christi und seiner heiligen Mutter in ihren Bildnissen  verspottet, die künftige Auferstehung und Vergeltung der Posse verlacht, schon wurden Kirchen eingerissen und die abscheulichsten Laster öffentlich verübt.
In diesem schrecklichen Elende wandte sich ein heiliger Priester und Ordensstifter, Dominikus mit Namen, an jene Himmlische Frau, auf deren Fürbitte der Heiland einst auf Erden noch Wunder gewirkt hatte (Joan. 2,5), an die jungfräuliche Mutter Maria, und bat sie um Hilfe, da es ihr gegeben ist, alle Ketzereien in der ganzen Welt zu vernichten, damit er durch ihre Fürbitte und die Gnade Gottes die verkehrten Herzen bekehren und den Drachen des Unglaubens und Irrglaubens besiegen könnte. Maria die barmherzige Mutter der Christen erhörte den demüthigen Diener Gottes, und gab ihm ein Mittel, welches so nachdrücklich wirkte, daß sich Tausende zu dem wahren Glauben wieder bekehrten und der verderblichen Irrlehre mächtiger Einhalt gethan ward.
Und was war dies für ein Mittel, Geliebte?
Maria ermahnte, wie die priesterlichen Tagzeiten uns belehren, den heiligen Mann, den heiligen Rosenkranz, den er längere Zeit schon mit den seinigen gebetet hatte, öffentlich anzuempfehlen und einzuführen. 

 

Und Dominikus predigte den Rosenkranz als besonderes Schutzmittel gegen Irrtum und Laster und bald blühte das verödete Christenland wieder zum herrlichen Rosengarten heran.
Ist dem wirklich so? möchte man staunend fragen. Den heut zu Tag so verachteten Rosenkranz, das einfältige Gebet aller Weiblein, das Gebet der ungebildeten
Menschenklasse, sollte die Himmelskönigin, die von der göttlichen Weisheit erfüllte Frau zum Mittel gewöhlt haben, den Glauben wieder zu beleben, und den guten Sitten wieder aufzuhelfen?
Und doch ist es so! Was von der Welt schwach war, das hat Gott gewählt, um die Starken der Welt zu Schanden zu machen . (I. Cor. 1, 27, 28).

Lassen wir uns nicht täuschen von dem Urtheile der Welt. Gar vieles, was vor ihr groß ist, das ist wahrhaft klein, und vieles was sie verachtet, ist groß vor Gott. Sie urtheilt gewöhlich nur oberflächlich und dem Scheine nach, und so geschieht es, daß sie über die Wahrheit, die in der Tiefe verborgen liegt, hinwegschaut. So macht sie es mit dem heiligen Rosenkranze. unsere Weisen und Aufgeklärten verachten ihn und glauben, jedes andere Gebet sey dem Rosenkranze vorzuziehen; aber wie sehr sind sie da im Irrthume und wie verkennen sie den goldenen Schatz, der im Rosenkranze verborgen liegt.
Ich dagegen sage und will es euch heute beweisen:
Der heilige Rosenkranz ist eines der besten Gebete und ist es auch für uns, wenn wir uns dessen auf die rechte Weise bedienen.
Diesen Satz will ich in zwei Theile zerlegen. Ich will euch nämlich
1) zeigen, daß der Rosenkranz eines der besten Gebete sey;
2) zeigen, wie wir uns desselben bedienen sollen, damit er für uns eines der besten Gebete sey.

Ich spreche heute, Geliebte, von einer verachteten Wahrheit, die den sich weise Dünkende verborgen, den Kleinen aber offenbart ist.
Darum will ich ich aber auch nicht hoher Worte bedienen, sondern zu den Kleinen will ich sprechen, damit mich alle verstehen, und dich Herr, rufe ich an im Namen aller Kleinen, gib uns vor allem Demuth, dass wir die Wahrheiten, die wir heute betrachten, mit willigem Herzen aufnehmen und Frucht bringen lassen.
Ich beginne mit dem heiligsten Namen.

I.


Der heilige Rosenkranz ist eines der besten Gebete. J, liebe Christen, es ist so, wie ich sage: Der heilige Rosenkranz ist eines der besten Gebete.
Schauet immer hin auf eure in Gold prangernde Andachtsbücher; preistet die erhabenen Stellen, die sie enthalten, die wohlklingenden Verse, die verschiedenen Gebetsformen; es bleibt dabei; der heilige Rosenkranz ist eines der besten Gebete, und er ist dieses
1. weil die Gebete, aus denen er besteht, den besten Urheber haben;
2. weil diese Gebete des besten Inhalts voll sind;
3. weil diese Gebete die beste Wirkung haben.

Ich beweise auch diese drei Punkte, und es folgt dann von selbst, dass der heilige Rosenkranz eines der besten Gebete sey.
Woher stammen denn die Gebete des heiligen Rosenkranzes? Ich habe schon im Eingange gesagt, das der heilige Dominikus den Rosenkranz eingeführt und daß die heilige Jungfrau ihn anempfohlen hat. Hätte der heilige Rosenkranz keinen anderen Urheber, so wäre sein Ursprung schon glänzend genug; denn welche eurer Gebetsweisen kann eines solchen Urheber sich rühmen? Aber liebe Christen, die Gebete des heiligen Rosenkranzes haben einen viel herrlicheren Ursprung. Gott selber ist der Urheber; die Gebete desselben sind ein lauteres Wort Gottes. Oder woher stammt denn das Vater unser, das wir fünfzehn mal dabei beten? Ist nicht der Herr selber es gewesen, der seine Jünger es gelehrt hat (Matth. 6,9.)? Und die 150 Rosen des englischen Grußes, woher stammen sie? - Drei Theile hat der englische Gruß: aber alle drei gehen auf Gott zurück.
Die Worte: "Gegrüßt seist Du Maria, Du bist voll der Gnaden, der Herr ist mit Dir"! hat zwar nur der engel gesprochen (Luc. 1,28.); aber war´s nicht Gott, der sie ihm eingegeben? Die Worte: "Du bist gebenedeit unter den Weibern, und gebenedeit ist die Frucht Deines Leibes"; hat zwar nur Elisabeth gesprochen, (Luc. 1,42.); aber war es nicht der heilige Geist der sie ihr eingegeben? Die Worte endlich: "Heilige Maria, Mutter Gottes, bitt für uns arme Sünder, jetzt und in der Stunde unseres absterbens, Amen" hat zwar nur die katholische Kirche hinzugesetzt; aber hat die Kirche nicht immer im Geiste Gottes gesprochen? Sehet also liebe Christen, wie die Gebete des heiligen  rosenkranzes auf Gott selber auf ihren Urheber zurückgehen. Wenn nun aber die Gebete des Rosenkranzes einen so erhabenen Ursprung haben, geht nicht schon daraus hervor, daß der Rosenkranz eines der besten Gebete sey? Sie sind aber auch
2. des besten Inhalts voll.
Wo giebt es ein schöneres, ein kräftigeres, ein inhaltreicheres Gebet, als das Vater unser ist? Einfach und kindlich, aufrichtig und arglos, wie das Kind ist, nähern wir uns damit dem himmlischen Vater, und wir beginnen darin nicht mit uns, mit selbstsüchtigen Bitten, sondern auf uns vergessend denken wir nur an die Verherrlichung Gottes, daß sein Name geheiligt werde, sollte auch bei dem unserrigen Schmach treffen: Daß sein Reich komme, sollte auch unsere Herrlichkeit dabei untergehen; daß sein Wille geschehe, sollte auch der unserige dabei gebrochen werden. Erst in der vierten Bitte denken wir auch an unsere Bedürfnisse, und an welche? daß wir reich werden? daß uns der Herr Güter und Wohlleben gebe? Oh nein! wir bitten nur um das tägliche Brot, und weil wir arme Sünder sind und wissen, daß wir nichts verdienen, beten wir zu Schlusse, daß Gott unsere Sünden vergeben, uns in keine neue fallen lassen, und vor allem Übel bewahren wolle. Welch ein Inhalt, wie durchaus würdig des Christen! Wie sieht es dagegen in vielen unseren Gebetsbüchern aus? In faden Floskeln liest man darin oft nur unchristliches, heidnisches Gerede, und weil sie vom Kerne und Geiste des Christenthums nichts haben, lassen sie das Herz kalt und unbekehrt. Wie aber mit dem Gebete des Herrn, verhält es sich auch mit den englischen Gruße; auch dieser ist des besten Inhalts voll.
Zwar möchte es scheinen, dass der englische Gruß nichts sey als eine Verehrung Mariens; aber es ist nicht so, es scheint nur. Erwäget ihr nämlich die worte des englischen Grués genauer, so werdet ihr alsbald sehen, dass Maria darin nur gegrüßt und gebenedeit wird, weil sie die Mutter des Herrn geworden ist. Ihr werdet einsehen, daß der englische Gruß eigentlich uns vorzüglich ein Jubel über die Menschwerdung des Sohn Gottes ist.
Und wie nun? Wirst du diesen jubel tadeln? Wirst du ihn nicht das beste nennen, was der Christ mit seiner Sprache thun kann? Woher stammt all unser Heil, was macht uns selig auf Erden, was bringt uns zu den himmlischen Freuden? Nicht die Menschwerdung des Herrn?
Wirst du also nicht eingestehen müssen, dass hienach der englische Gruß des besten Inhalt voll ist? Oder wirst du die Fürbitte tadeln, um die wir am Schlusse die jungfräuliche Mutter bitten?
 Aber wenn Christus unser Bruder ist, hat er dann nicht auch Maria zu unserer Mutter gemacht? Und wenn sie wirklich unsere Mutter ist, liegt es dann nicht von selbst in dem Kindersinne, unsere Nöthen ihr zu klagen, und um ihren Beistand sie anzuflehen, da wir als Sünder gar ferne von Gott stehen? Wie schön ist was der heilige Bernhard sagt: Fürchtest du dich zum Vater zu gehen? Er hat dir Jesus als Mittler gegeben. Was wird ein solcher Sohn bei einem solchen Vater nicht erwirken? - Denn der Vater liebt den Sohn. Zitterst du aber auch vor diesem, fürchtest du an ihm die göttliche Majestät, weil er Gott geblieben, obgleich er Mensch geworden ist, so nimm deine Zuflucht zu Maria, denn in ihr ist die lautere Menschheit, der Sohn wird allerdings die Mutter, und der Vater wird den Sohn erhören. Kindlein! so giebt es eine Leiter für die Sünder.

Es wird aber im Rosenkranz der englische Gruß nicht wie er für sich ist, gebetet, sondern es werden ihm auch die Geheimnisse zur Betrachtung eingelegt. Zuerst die Geheimnisse der Kindheit Jesu, wohl gemerkt der Kinheit, nicht des Mannesalters Jesu, weil der Christ sein ganzes Leben lang ein Kind nach JEsu Sinn und Geist sein soll; dann die Geheimnisse des Leidens und der Glorie. Welch ein Inhalt, wie würdig der Betrachtung der Christen, wie unumgänglich nothwendig für ihn, sich sein musterbild stetig vor Augen zu halten! Kann es ein Gebet von besserem Inhalt geben?

Aber sagst du, der Inhalt wäre schon recht, wenn nur die Wiederholung nicht wäre; aber 150 Ave nacheinander zu beten, ist doch gar zu ermüdend!
O diese Worte beweisen wohl, dass du die unendliche Wohlthat noch nicht lebendig einsiehst. Denn wäre dieses, so würdest du nicht müde werden, immer und immer wieder von vorne anzufangen und in Jubel auszubrechen über die göttliche Menschwerdung und die göttliche Mutterschaft; und begreifest du denn nicht das Geheimnis der Wiederholung? Ist dir unbekannt, dass die Widerholung das natürliche Gesetz aller Dinge ist? Die Sonne geht auf und unter, Jahr aus, Jahr ein; alle Geschäfte gehen in beständiger Wiederholung ihren gewohnten Gang, du selbst wiederholst Tag für Tag deinen Lebenslauf, und wenn dir lieb ist ein Freund, wirst du nicht müde, ihn immer und immer deiner Liebe zu versichern, und den Diener zankest du, wenn er die ehrenbezeugung, die er dir schuldig ist, nicht immer und immer wiederholt. Soll denn nur das Gottliebende Gemüth nicht wiederholen dürfen, was es empfindet?

O gewiß, liebe Christen, die wiederholung benimmt dem heiligen rosenkranze nichts an seinem herrlichen Inhalte; er bleibt eines der besten Gebete, auch was den Inhalt betrifft.
Der rosenkranz ist aber auch eines de besten Gebete, wenn wir
3. auf die wirkung, den Erfolg seiner Gebete sehen.
Was wollen wir, liebe Christen, mit unseren Gebeten? Ohne Zweifel, dass wir erhört werden. Nun frage ich euch: Welches Gebet wird Gott lieber erhören, dasjenige welches er selbst, welches seine Kirche uns in den Mund gelegt hat, oder das Wortgeklingel, das wir oder andere erfunden haben? Wird wohl der Herr das Gebet zurückweisen, das seinen Ursprung von ihm hat? Werden wir nicht gleichsam eine heilige Gewalt anthun, uns zu erhören, wenn wir mit seinen worten, mit den Worten seiner Kirche ihn um ewas bitten? Wenn nun aber dies der Fall ist, so werden gewiss die Gebete des heiligen Rosenkranzes die beste Wirkung haben; denn sie gehen ja alle auf gott zurück. Es bestätigt dies auch wirklich die Erfahrung. Es gibt kaum ein Gebete, welches Gott so oft und so feierlich mit Erhörung gekrönt hat, als die Gebete des heiligen Rosenkranzes. die Geschichte ist voll der glänzenden Beispiele.
Eines habe ich euch im Eingange zu meiner Predigt erzählt. Ein ebenso glänzendes hat sich im Jahre 1571 zugetragen: Als da die Türken in ungeheurer Menge zu Wasser und zu Fuß heranrückten, um die christlichen Länder zu bekriegen; als alles schon zitterte, und dem sicheren Untergang entgegensah, da empfahl der heilige Papst Pius V. die Sache3 den Brüdern des heiligen Rosenkranzes und siehe, diese riefen zu Gott, und gerade an dem Tage, wo die marianischen Prozessionen gehalten wurden, da wurden die Feindlichen Heere zersreut, ihre Schiffe in´s Meer versenkt, und so verdanken wir dem heiligen Rosenkranze, daß die Barbarei nicht über Europa hereinbrach, unter welcher die türkischen Unterthanen seufzen. Durch so augenscheinliche Hilfe wurde auch der heilige apostolische Stuhl bewogen, zum Andenken und zur Danksagung für diese Hilfe in der katholischen Kirche ein feyerliches Fest, das Rosenkranzfest anzuordnen, was wir heute eben feiern. Dem heiligen Rosenkranze verdankt auch Karl VI. den Sieg über die Türken im Jahre 1716 und die christlichen Helden, Eugen und Savonen, Karl von LAudon, schämten sich nicht, mitten im Gewirre des KRieges den heil. Rosenkranz zu beten und seiner KRaft den Sieg zu zuschreiben. Und welche Beispiele ließen sich nicht noch anführen aus der Geschichte der Heiligen und aller frommen Bether?

Ja, der heilige Rosenkranz ist eine der besten andachten, nicht nur weil seine Gebete den besten Urheber und besten Inhalt haben, er ist es auch, weil seine Gebete mit dem besten Erfolge gekrönt worden sind. - Was sagst du nun, stolzer Verräter dieses heiligen Gebetes? Wo sind Gebete die einen erhabeneren Ursprung, einen heiligeren Inhalt, einen besseren Erfolg hätten? Frägst du nach ihrem Urheber - Gott und die Kirche haben sie gegeben; frägst du nach dem Inhalt - der Kern, der Geist des Christenthums ist der Inhalt. Frägst du nach ihrer Wirkung - Sie haben die Feinde des Christenthums gedemüthiget, und unzähligen Verehrern unzählige gnaden erwirkt. So schäme dich denn und schweige! Doch Geliebte! alles Gute ist für uns nur gut, wenn es auf die rechte Weise gebraucht wird, und das beste hört auf heilsam zu sein und kann sogar schädlich werden, wenn es nichtt recht gebraucht, oder gar mißbraucht wird. Darum soll der heilige Rosenkranz eines der besten Gebete auch für uns sein, so müssen wir uns dessen in der rechten Weise bedienen, wovon ich handle im zweiten Theile.


(der 2. Teil folgt demnächst)


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