Achtes Hauptstück - Vom siebenten Artikel des apostolischen Glaubensbekenntnisses.
Von dannen er kommen wird, zu richten die Lebendigen und die Todten.
I. Die Wohllhaten Christi gegen seine Kirche, und Bedeutung des siebenten Artikels.
Jesus Christus, unser Herr, hat drei ausgezeichnete Verrichtungen
und Aemter, um seine Kirche zu schmücken und zu verherrlichen, nämlich das Amt
der Erlösung, des Schutzes und des Gerichtes. Da wir aber aus den vorigen
Artikeln wissen, dass er das Menschengeschlecht durch sein Leiden und Sterben
erlöset, und durch seine Himmelfahrt unsere Vertheidigung und Beschulung auf
ewig übernommen hat, so folgt in diesem Artikel die
Erklärung seines Gerichtes; und der Sinn und die Bedeutung desselben ist diese,
dass Christus der Herr an jenem grossen Tage über das ganze Menschengeschlecht
Gericht halten werde.
II. Zweifache Ankunft Christi.
Die heiligen Schriften bezeugen eine doppelte Ankunft Jesu Christi;
eine, da er um unserer Erlösung willen das Fleisch annahm, und im Schoose der
Jungfrau Mensch geworden ist; die zweite, da er am Ende der Welt kommen wird, um
alle Menschen zu richten. Diese Ankunft heisst in den heiligen Schriften
der Tag
des Herrn, von dem der Apostel sagt: Der Tag des Herrn wird
kommen, wie der Dieb in der Nacht. [I. Thess. 5,2]
Und der Erlöser selbst: Von jenem Tage und jener
Stunde weiss Niemand etwas. [Matth. 24,36]
Und deutlich spricht über jenen grossen Tag der Apostel: Wir werden Allen vor dem Richterstuhle Christi erscheinen müssen,
damit Jeder empfange nach dem, wie er im Körperleben gehandelt hat, es sey gut
oder böse. [II. Cor. 5,10] Die heilige
Schrift ist voll von Zeugnissen, welche die Seelsorger allenthalben finden
werden, nicht nur um diesen Gegenstand zu beweisen, sondern auch, um ihn den
Gläubigen vor Augen zu stellen, dass, gleichwie vom Anfange der Welt an jener
Tag des Herrn, wo er Mensch geworden ist, immer Allen der sehnlichst
erwünschteste war, weil in diesem Geheimnisse die Hoffnung ihrer Erlösung
beruhte, wir ebenso, nach dem Tode des Sohnes Gottes und nach seiner
Himmelfahrt, den zweiten Tag des Herrn mit grösster Sehnsucht wünschen sollen,
indem wir da die selige Hoffnung und die Ankunft der
Herrlichheit des grossen Gottes erwarten. [Tit.
2,13] III. Wie oft ein jeder Mensch von Christus gerichtet werde.
Das Gericht eines jeden Menschen ist zweifach; das besondere und das
allgemeine.
Bei Erklärung dieses Gegenstandes muss der Seelsorger aufmerksam
mächen, dass es zwei Zeitpunkte gebe, an welchen jeder Mensch vor das Angesicht
Gottes kommen und Rechenschaft geben muss von jedem Gedanken, jeder That und jedem Worte, und dass er dann
sogleich das Urtheil des Richters vernehmen werde. Der erste Zeüpunkt ist, wenn
ein Jeder voii uns aus diesem Leben scheidet; denn sogleich wird er vor den
Richterstuhl Gottes gestellt, und da wird Alles aufs Strengste untersucht
werden, was er entweder gethan, oder gesagt, oder jemals gedacht hat. Und diess
nennt man das besondere Gericht. Der zweite Zeitpunkt ist aber da, wenn an
demselben Tage und an Einem Orte zugleich alle Menschen vor Gottes Richterstuhl
stehen werden, damit ein Jeder, im Angesichte aller Menschen aller Jahrhunderte,
erfahre, was über ihn beschlossen und abgeurtheilt worden ist. Dieser
Urteilsspruch wird für die gottlosen und lasterhaften Menschen nicht der
geringste Theil der Strafen und Peinen seyn; und im Gegentheile werden die
Frommen und Gerechten eine nicht geringe Belohnung und Frucht daraus ziehen,
indem da offenbar werden wird, wie Jeder in diesem Leben beschaffen war. Diess
nennt man das allgemeine Gericht.
IV. Warum dem besondern Gerichte ein allgemeines folgen müsse.
Ursachen, warum dem besondern Gerichte ein allgemeines folgt. Die
Belohnungen und Strafen der Todten vermehren sich, je nachdem sie dem Guten oder
Bösen nachgestrebt haben.
Hier muss nothwendig erklärt werden, welches die Ursache sey, dass
ausser dem besondern Gerichte über jeden Einzelnen, auch noch ein zweites über
alle Menschen abgehalten wird. Da die Eltern oft Kinder hinterlassen, welche
ihnen nachahmen, da Einige Bücher und Schüler hinterlassen werden, welche
Anhänger und Vertheidiger ihrer Beispiele, Reden und Handlungen sind, wodurch
die Strafen der Verstorbenen nothwendig venmehrt werden; da ferner dieser Nutzen
oder Schaden, der über Viele sich verbreitet, nicht eher endet, als bis der
jüngste Tag kömmt, so war es billig, über diese allgemeine Beschaffenheit
rechtschaffener oder böser Handlungen und Reden eine allgemeine Untersuchung
anzustellen, was aber nicht anders geschehen konnte, ausser durch ein
gemeinschaftliches Gericht über alle Menschen. Dazu kommt noch, dass der Ruf der
Frommen oft leidet, die Bösen aber als unschuldig gelobt werden, und es fordert
also die göttliche Gerechtigkeit, dass die Frommen, denen
mit Unrecht die Hochschätzung der Menschen entrissen wurde, vor der öffentlichen
Versammlung und dem Gerichte aller Menschen ihren guten Ruf wiedererlangen.
Da ferner die guten und die bösen Menschen, was sie immer in diesem
Leben thaten, nicht ohne den Körper verrichteten, so folgt hieraus, dass die
guten oder bösen Thaten auch den Körper angehen, der das Werkzeug ihrer
Handlungen war. Sehr zweckgemäss ist es also, dass den Körpern zugleich mit
ihren Seelen die verdienten ewigen Belohnungen oder Strafen zugetheilt werden,
was ebenfalls ohne Auferstehung aller Menschen und ohne allgemeines Gericht
nicht geschehen könnte. Endlich, weil gezeigt werden muss, dass im Glück und
Unglück, das vermischt die Guten und Bösen trifft, nichts ohne Gottes
unendlicher Weisheit und Gerechtigkeit geschehe, so war es billig, dass nicht
nur den Guten Belohnungen und den Bösen Strafen in der zukünftigen Welt
festgesetzt werden, sondern sie mussten auch in einem allgemeinen Gerichte
beschlossen werden, damit sie dadurch Allen bekannter und glänzender wurden, und
dass Gott von Allen das Lob der Gerechtigkeit und Vorsehung ertheilt wurde, da
sogar oft heilige Menschen ungerechter Weise sich beklagten, wenn sie die
Gottlosen in Reichthun und Ueberfluss und in Ehre und Ansehen lebend bemerkten.
Der Prophet sagt: Beinahe haben meine Füsse gewankt, beinahe
gleiteten meine Schritte aus, weil ich über die Gottlosen eiferte, da ich den
Frieden der Sünder sah, [Ps. 72,2] und kurz
darauf: Sehet, wie dieSünder Ueberfluss haben und Reichtimm
in der Weltl; also habe ich ohne Ursache mein Herz von Unrecht bewahrt, und
meine Hände unter Unschuldigen gewaschen, und war gegeisselt den ganzen Tag und
meine Züchtigung war noch in der Frühe. [Galat.
72,13] Diess ward vielfach von Vielen beklagt. Es war daher nothwendig,
dass ein allgemeines Gericht gehalten wurde, damit nicht vielleicht die Menschen
sagen mögen: Gott gehe um die Angeln des Himmels herum, und sorge sich nicht um
irdische Dinge. [Joh.
22,14] Diese Wahrheit ist mit Recht unter die zwölf Artikel des
christlichen Glaubens gesetzt worden, damit dadurch die gestärkt werden deren
Seelen im Glauben, an Gottes Vorsehung und Gerechtigkeit schwanken. Ueberdiess
sollen durch die Vorstellung dieses Gerichtes die Guten
ermuntert -und die Bösen erschreckt werden, damit jene, nachdem sie die
Gerechtigkeit Gottes erkannt haben, nicht abfallen, diese aber durch die Furcht
der kommenden ewigen Strafe vom Bösen abgehalten würden. Als daher unser Herr
und Heiland vom jüngsten Tage sprach, erklärte er, dass einst ein allgemeines
Gericht seyn werde, und beschrieb die Zeichen, wann diese Zeit herannahen wird,
damit man einsehe, dass, wenn jene kommen, das Ende der Welt nahe sey; und dann,
als er in den Himmel auffuhr, sandte er Engel, welche die Apostel, die über
seine Abwesenheit trauerten, mit diesen Worten trösteten: Dieser Jesus, der vor euch in den Himmel hinauffuhr, wird ebenso
kommen, wie ihr ihn in den Himmel hingehen gesehen habt. [Act. 1,11]
V. Christo ist nach beiden Naturen die Gewalt, das Menschengeschlecht zu richten, ertheilt.
Christus ist auch als Mensch zum Richter über Alle bestellt.
Die heiligen Schriften erklären, dass Christo dem Herrn nicht bloss
als Gott, sondern auch als Menschen dieses Gericht übergeben sey. Denn obschon
die Gewalt des Richteramtes allen Personen der Dreieinigkeit gemein ist, so
schreiben wir sie doch besonders dem Sohne zu, weil wir ihm auch besonders die
Weisheit zueignen. Dass er aber als Mensch die Welt rickten werde, wird durch
das Zeugniss des Herrn bestätigt, welcher sagt: Wie der
Vater das Leben in sich selbst hat, so hat er auch dem Sohne verliehen, das
Leben in sich selbst zu haben, und er übergab ihm auch die Gewalt, Gericht zu
halten, weil er des Menschen Sohn ist. [Joh. 5,26]
VI. Warum nicht auch dem Vater und dem heiligen Geiste dieses Gericht beigelegt wird.
Christus wird als Richter mit körperlichen Augen gesehen werden
köunen.
Vorzüglich desswegen muss dieses Gericht von Christus dem Herrn
gehalten werden, damit die Menschen, wenn er über sie zu Gerichte sitzt, den
Richter, mit körperlichen Augen sehen, und mit den Ohren das Urtheil, das
gefällt wird, vernehmen, und das ganze Gericht mit den Sinnen auffassen können.
Auch, ist es sehr billig, dass jener Mensch, welcher
durch die ungerechtesten Urtheile der Menschen verurtheilt worden ist, von Allen
als der Richter Aller auf dem Richterstuhle sitzend gesehen werde, desswegen
fügte der Apostelfürst, nachdem er im Hause des Cornelius die Hauptstücke der
christlichen Religion erklärt und gelehrt hatte, dass Christus von den Juden an
das Kreuz geheftet und getödtet worden, am dritten Tage aber wieder zum Leben
auferstanden sey, hinzu: Und er befahl uns, dem Volke zu
predigen und zu bezeugen, dass er es ist, welcher von Gott zum Richter der
Lebendigen und Todten aufgestellt ist. [Act. 10,42]
VII. An welchen Zeichen man erkenne, dass das jüngste Gericht bevorstehe.
Die heiligen Schriften erklären, dass vorzüglich diese drei Zeichen
dem Gerichte vorangehen: Verkündigung des Evangeliums in der ganzen Welt, Abfall
und Antichrist. Denn der Herr sagt: Dieses Evangelium vom
Reiche wird in der ganzen Welt verkündet werden, zum Zeugnisse allen Völkern;
und dann wird das Ende erfolgen. [Matth. 24,14]
Und der Apostel ermahnet uns, damit wir uns von Niemanden verführen
lassen, zu glauben, als stünde der Tag des Herrn bevor, weil
das Gericht nicht seyn wird, ehevor nicht der Abfall gekommen ist, und der
Mensch der Sünde entdeckt sey. [II. Thess. 3,3]
VIII. Wie das Gericht gehalten wird, und auf welche Weise über Alle das Urtheil gefällt wird.
1) Form des Gerichtes, 2) Spruch des Richters, erfreulich den Frommen,
schrecklich den Bösen.
I. Die Form und die Art des Gerichtes kann den Seelsorger aus den
Weissagungen des Propheten Daniel und aus der Lehre der heiligen Evangelien und
des Apostel Paulus leicht ersehen. Ueberdiess muss der Urteilsspruch, der vom
Richter ausgesprochen werden wird, genauer erwogen werden.
II. Christus, unser Erlöser, wird die zu seiner Rechten stehenden
Frommen mit freudigen Augen ansehen, und mit der grössten Milde das Urtheil so
über sie aussprechen: Kommt, ihr
Gesegneten meines Vaters; nehmet das Reich in Besitz, welches euch vom Anfange
der Welt her bereitet ist. [Matth. 25,34]
Dass man nichts Lieblicheres hören kann, als diese Worte, werden jene
einsehen, welche sie mit dem Verdammungsurtheile der Bösen vergleichen, und bei
sich überlegen, dass durch diese Worte die Frommen und Gerechten von ihren
Mühsalen zur Ruhe, aus dem Thale der Thränen zur höchsten Freude, aus dem Elende
zu ewiger Glückseligkeit welche sie sich durch ihre Liebeswerke verdienten,
berufen werden.
IX. Mit welchen Arten von Strafen, die zur Linken gestellten Bösen werden belegt werden.
1) Strafe des Verlustes. Strafe des Gefühles. 2) Die Theilhaber der
Strafe werden die Peinen der Hölle nicht mildern. 3} Gerechtigkeit jenes so
herben Richterspruches.
I. Dann wird sich der Herr zu denen, die zu seiner Linken sind
wenden, und seine Gerechtigkeit gegen sie mit diesen Worten ergiessen: Weg von
mir, ihr Verfluchten! in das ewige Feuer, welches dem Teufel und seinen Engeln
bereitet ist. Durch die ersten Worte: Weg von mir, wird die härteste Strafe
angedeutet, mit der die Sünder bestraft werden, da sie die Anschauung Gottes
beraubt weit weg Verstossen werden, und keine Hoffnung sie trösten kann, dass
sie je einmal der Seligkeit geniessen. Diess nannten die Theologen Strafe des
Verlustes, weil nämlich die Verworfenen in der Hölle ewig des Lichtes der
göttlichen Anschauung beraubt seyn werden. Der Zusatz Verfluchte vermehrt ihr
Elend und ihren Jammer unsäglich. Denn wenn sie, verbannt aus der göttlichen
Gegenwart, doch wenigstens eines geringen Segens würdig erachtet würden, so
hätte ihnen diess wahrlich zu grossem Troste gereichen können; aber da sie
nichts dergleichen zu erwarten haben, was ihr Unglück mildern könnte, so wird
sie mit vollem Rechte bei ihrer Verbannung die göttliche Gerechtigkeit mit allem
Fluche verfolgen. Dann folgt: ins ewige Feuer, welche zweite Art der Strafe die
Theologen Strafe des Gefühles nannten, und zwar desswegen , weil sie durch
körperliches Gefühl empfunden wird, wie durch Schläge und Geissein und andere
empfindlichere Gattungen von Peinen, unter welchen ohne Zweifel die Qualen des
Feuers das grösste Schmerzgefühl bewirken werden. Da zu
diesem Uebel noch hinzukömmt die ewige Dauer desselben, so erhellt daraus, dass
sich alle Arten von Strafen auf die Verdammten zusammenhäufen. Diess erklären
noch deutlicher jene Worte, welche im letzten Theile des Richtersprnches
enthalten sind: das dem Teufel und seinen Engeln bereitet ist.
II. Wenn wir den Vergleich anstellen, dass wir alle Beschwerden
leichter ertragen, wenn wir bei unserm Unglücke einen Gefährten und Theilnehmer
haben, durch dessen Klugheit und Sanftmuth wir einiger Massen unterstützt werden
können; wie gross wird der Jammer der Verdammten seyn, die sich bei solchen
Leiden nie von der Gesellschaft der verworfensten, Geister losreissen können?
III. Und dieser Urtheilsspruch wird von unserm Herrn und Heiland
auf die gerechteste Weise gegen die Gottlosen gefällt, da sie alle Werke der
wahren Gottesfurcht vernachlässiget, und dem Hungrigen und Durstigen weder
Speise noch Trank gereicht, den Fremdling nicht beherbergt, den Nackten nicht
bekleidet, den Gefangenen und den Kranken nicht besuchet haben.
X. Ueber das Gericht soll den Gläubigen öfter geprediget werden.
Die Lehre" vom Gerichte Gottes soll den Gläubigen öfter
eingeschärft werden. Denn die gläubig aufgenommene Wahrheit dieses Artikels hat
die Kraft, die bösen Begierden des Gemülhes zu bezähmen, und die Mensehen von
Sünden abzuhalten. Daher spricht der Ecclesiasticus: Bei
allen deinen Verrichtungen bedenke das Ende, und du wirsf in Ewigkeit nicht
sündigen. [Ecclesiastic. 7,40] Und wahrlich,
es wird kaum Jemand so schnell zum Laster hingerissen, dass ihn nicht jener
Gedanke zur Liebe der Frömmigkeit zurückliefe, der Gedanke nämlich, dass er
einst vor dem gerechtesten Richter, nicht allein von allen seinen Thaten und
Reden, sondern auch von den geheimsten Gedanken Rechenschaft ablegen, und die
verdiente Strafe abbüssen müsse. Der Gerechte aber muss dadurch zur Liebe der
Gerechtigkeit immer mehr ermuntert, und durch die höchste Freude erfüllet
werden, wenn er auch sein Leben in Armuth,
Verachtung und Leiden hinbringen mag, wenn er an jenen Tag denkt,
wo er vor allen Menschen nach dem Kampfe mit den Mühsalen dieses Lebens als
Sieger wird erkläret und, aufgenommen in das himmlische Vaterland, mit jenen
göttlichen und ewigen Ehren belohnet werden wird. Zum Schlusse sollen die
Gläubigen ermahnet werden, dass sie ein frommes Leben führen, und mit allem
Eifer sich in der Tugend üben, damit sie die Ankunft jenes grossen Tages des
Herrn mit mehr Sicherheit erwarten, und sogar, wie es guten Christen geziemt,
mit grösster Begierde darnach verlangen können.
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