Donnerstag, 9. Mai 2013

Von der Auferstehung des Herrn - Legenda Aurea

Von der Auferstehung des Herrn - Legenda Aurea 

 


Unser Herr ist erstanden an dem dritten Tage nach seinem Leiden. An seiner Auferstehung aber merken wir sieben Stücke. Das erste ist, wie dies wahr sei, daß er drei Tage und drei Nächte in dem Grabe lag und doch an dem dritten Tage erst. Und das zweite, warum er nicht alsbald von dem Tode erstund, da er starb, sondern bis zum dritten Tage wartete. Das dritte, wie er auferstund. Das vierte, warum er so bald auferstund und seine Auferstehung nicht aufschob bis zum Tage der allgemeinen Auferstehung. Das fünfte, warum er auferstund. Das sechste, wie oft er nach seiner Auferstehung erschien. Das siebente, wie er die heiligen Väter, die im Limbus waren, herausführte, und was er daselbst tat.


Zu dem ersten, daß Christus drei Tage und drei Nächte im Grabe sei gewesen so setzt man den Teil für das Ganze und spricht mit Sanct Augustino, daß man von dem ersten Tage muß nehmen den Abend, den zweiten ganz, von dem dritten den Morgen, so sind es drei Tage; und deren jeglicher hat seine Nacht, die ihm voraufgeht. Beda aber schreibt uns, daß seit der Passion des Hernn die Ordnung des Tages und der Nacht verwandelt ist. Denn vor der Zeit zählte man den Tag vor der Nacht; so zählt man nun, nach der Passion des Herrn, die Nacht vor dem Tage. Das ist zu einem Zeichen, daß der Mensch zuerst gefallen war von einem Tage der Gnade in die Nacht der Sünde; so ist er nun durch Christi Tod und Auferstehung aus der Nacht der Sünde erstanden in das Licht und den Tag der Gnade.

Zum andern, daß er nicht alsbald, da er gestorben war, auferstund, sondern bis zum dritten lage wartete, das war ziemlich aus fünf Gründen. Erstlich sollte damit bezeichnet werden, daß er mit dem Licht seines eigenen Todes wollte erleuehten die Finsternis unseres zwiefältigen Todes: darum lag er einen ganzen Tag und zwei Nächte in dem Grab; der Tag bedeutet das Licht seines Todes, die beiden Nächte unsern zwiefältigen Tod, Diesen Grund meint die Glosse über Lucas 14,46 "Und also mußte Christus leiden und am dritten Tage von den Toten auferstehn, daß in seinem Namen Buße und Vergebung der Sünden gepredigt werde, von Jerusalem angefangene Zweitens, daß er daran bewährte die Wahrheit seines Todes. Denn wie auf zwei oder drei Zeugen die Wahrheit einer Aussage steht, so steht auf drei Tagen die Wahrheit eines Geschehnisses. Und also, daß er den Tod bewahre und von seiner Wahrheit zeuge, darum wollte er drei Tage in dem Grabe liegen. Drittens, daß er daran erzeigte
seine Gewalt; denn wäre er alsbald auferstanden, so ware nicht die Gewalt offenbar worden, die er hatte, sein Leben zu geben und wieder zu nehmen. Dies meint die Glosse über 1. Corinther 15,3 "Daß Christus für unsre Sünden gestorben ist, wie geschrieben steht, daß er begraben ward und am dritten Tage wieder auferstund, wie geschrieben steht" da sie spricht "Es ist zuerst gesagt von dem Tod, damit, wie sein Tod wahrhaftig erwiesen ward, auch seine Auferstehung erwiesen werde". Viertens, daß damit alles bezeichnet würde, was Christus erlöste, Davon schreibt Petrus von Ravenna "Drei Tage wollte unser Herr begraben sein, zu einem Zeichen, daß er erneue die im Himmel sind, die auf Erden wiederbringe, und die in der Unterwelt erlöse". Fünftens sollte der dreifache Zustand der Gerechten damit bezeichnet werden. Davon spricht Sanct Gregorius über Ezechiel "Unser Herr hat an dem Freitag den Tod gelitten, an dem Samstag hat er im Grabe geruht, an dem Sonntag ist er vom Tode erstanden; das soll uns ein Zeichen sein, daß alles Leben dieser Zeit ein Freitag ist, da wir Angst und Schmerzen sollen leiden; der Samstag ist, wann wir im Grabe ruhen, denn nach dem Tode hat unsere Seele Ruhe; der Sonntag ist, wann wir von dem Tode erstehen, das ist an dem achten Tage, und fröhlich sind an Leib und Seele. Leiden am Freitag, Ruhe am Samstag, Freude am Sonntag".

Das dritte Stück, das wir merken sollen, ist, wie Christus erstund. Da sehen wir erstlich seine Gewalt, denn er ist von seiner eigenen Kraft erstanden. Davon heißt es Johannes 10,18 "Ich habe Macht, mein Leben zu lassen, und habe Macht, es wieder zu nehmen". Und Johannes 2,19 "Zerstöret diesen Tempel, so will ich ihn wiederbauen in dreien Tagen". Er ist zum andern seliglich aufer standen, da er alles Leid hinter sich ließ. Davon heißt es Matthäus 26,32 "Wann ich aber auferstanden bin, werde ich vor euch hergehen nach Galilaea"; Galilaea aber ist gesprochen ein Übergang: also ging Christus nach seiner Auferstehung seinen Jüngern voraus nach Galilaea, das ist, von den Leiden zu den Freuden, von der Zergänglichkeit in die Ewigkeit. Hievon spricht Leo der Papst "Nach dem Leiden unsres Herrn wurden die Banden des Todes zerbrochen, da war die Krankheit verwandelt in eine Kraft, die Sterblichkeit in Unsterblichkeit, die Schande in göttliche Ehren Zum dritten ist er auferstanden mit Nutzen; denn, er führte den Raub mit sich. Davon heißt es Jeremiae 4,7 " Er steigt herauf der Löwe aus seinem Lager und der Räuber der Völker macht sich auf". Und Johannis 12,32 "Wann ich erhöhet werde von der Erde" das ist; meine Seele ziehe aus dem Limbus und meinen Leib aus dem Grabe, "so will ich alle Dinge nach mir ziehem. Zum vierten ist er auferstanden wunderbarlich; denn er  stund aus dem verschlossenen Grab. Gleichwie er aus dem verschlossenen Schoß seiner Mutter ging und zu den Jüngern durch verschlossene Türen trat, so mochte er auch aus einem verschlossenen Grab gehen. Davon liest man in der Historia Scholastica, daß im jahre 1111 einem Mönch von Sanct Laurentius extra muros der Gürtel, damit er gegürtet war, unaufgelöst vor seine Füße fiel; und da er sich darob verwunderte, sprach eine Stimme in den Lüften "Also
mochte Christus aus dem geschlossenen Grabe erstehn". Zum fünften ist Christus wahrhaftig auferstanden, mit seinem eigenen wahren Leib, und hat solches bezeugt zu sechs Malen. Er bezeugte es durch den Engel, welcher nimmer lügt; und durch sein Erscheinen zu etlichen Malen; an diesen beiden merken wir, daß er wahrhaft auferstund; er bezeugte es durch sein Essen, daß es keine Zauberei mochte sein; durch sein Tasten, daß er einen wahrhaften Leib hatte; durch die Wundmale, daß es derselbe Leib war, in dem er gestorben war; er bezeugte es durch sein Eingehen durch die verschlossene Tür, damit ward bewährt, daß
er in verklärtem Leib war auferstanden; denn über alles dieses waren Zweifel gewesen bei den Jüngern. Zum sechsten ist Christus erstanden unsterblich, denn er wird hinfort nimmermehr sterben. Davon spricht Sanct Paulus "Christ ist erstanden von dem Tode, hinfort stirbet er nicht mehr (Rom. 6.9). Denoch schreibt Dionysius in dem Briefe an Demophilus, daß Christus, da er schon gen Himmel war gefahren, zu einem heiligen Manne, Carpus mit Namen, sprach "Ich bin bereit zum andern Male für die Erlösung der Menschen zu sterben". Daraus erkennen wir, daß er, wann es not wäre, wiederum für die Menschheit würde sterben. Carpus hat dieses dem heiligen Dionysius, wie wir in demselbigen Briefe lesen, also erzählt: Es hatte ein Ungläubiger einen Christen von seinem Glauben gebracht. Davon ward Carpus also betrübt, daß er in eine Krankheit fiel. Er war aber so heilig, daß er niemals Messe hielt, es ward ihm denn ein himmlisches Gesicht zu teil. Aber da er für die
Bekehrung der beiden sollte beten, flehte er täglich zu Gott, daß er ihr Leben ende und sie ohn Erbarmen wolle verbrennen. Es geschah um Mitternacht, da er erwacht war und dies Gebet tat, daß das Haus, darinnen er war, sich plötzlich in zwei Teile teilte; und er sah einen großen Ofen, und da er die Augen aufhub, sah er den Himmel offen und Jesum darin mir der Menge der
himmlischen Heerscharen. Er sah auch vor dem Ofen die beiden Männer stehn, die zitterten vor Angst, und wurden von Schlangen, so aus dem Ofen kamen, umwunden und gebissen und zu dem Ofen gezerrt, und etliche andere Männer waren an dem, sie hinein zu stoßen. Als Carpus das sah, ergötzte er sich also an ihrer Pein, daß er die Erscheinung in der Höhe nicht wollte ansehen; er war gänzlich in das Anschauen des Gerichts versenket und war ihm allein leid, daß sie nicht gar schnell in den Ofen wurden gestoßen. Da er nun auch einmal aufsah gen Himmel, erblickte er dieselbe Erscheinung wie zuvor. 'Aber siehe, da stund Christus auf von seinem himmlischen Thron, denn die Sünder erbarmten ihn, und stieg mit seinen Engeln herab zu ihnen, reckte seine Hand aus und hub sie selbst empor; und zu Carpus sprach er "Hebe nur deine Hand auf und schlage mich fürbaß, ich bin bereit zum andern Male für die Erlösung der Menschen zu leiden. Und dasselbige ftür einen Freund, und nicht für die Sünde der anderen Menschen" Dieses Gesicht, davon Dionysius schreibt, haben wir hieher gesetzt, um jenes Wortes willen von Christi zweitem Tode.

Das vierte Stück ist, warum Christus nicht wartete der allgemeinen Auferstehung aller Menschen. Das geschah um drei Dinge. Erstlich um seines Leibes Würdigkeit; denn da dieser Leib von Gott war oder Gott geeint, so war es nicht ziemlich, daß er so lange der unreinen Erde sollte untertan sein. Darum heißt es Psalm 15,10 "Du wirst nicht leiden, daß dein Heiliger verwese" das ist: dein heiliger, gottgeschaffner Leib. Desgleichen Psalm 131,8 "Herr, mache dich auf zu deiner Ruhe, du und die Lade deiner Heiligkeit". Lade der Heiligkeit aber heißt hier der Leib, der die Gottheit umschloß. Zum andern sollte der Glaube
dadurch bewährt werden; denn wäre er nicht so bald erstanden, so wähe der Glaube vergangen, und niemand hätte ihn als wahren Gott angebetet. Das sehen wir daran, daß bei des Herrn Leiden alle, außer seiner Mutter, den Glauben verloren; da sie aber sahen, daß er sei auferstanden, wurden sie wieder gläubig. Corinther 15,17 "Ist aber Christus nicht auferstanden, so ist unser Glaube vergeblich" Zum dritten sollte uns Christi Auferstehung ein Vorbild sein unsrer eigenen Auferstehung. Denn wäre er nicht erstanden, wer sollte dann hoffen, daß eine Auferstehung sei? Darum spricht der Apostel, daß auch wir werden auferstehen so Christus ist erstanden; denn seine Auferstehung ist das Vorbild unsrer Auferstehung. Und Sanct Gregorius spricht "Unser Herr hat uns an ihm selbst als an einem Beispiel erzeigt, was er uns gelobt hat zu einem Lohn; denn so wir treulich daran glauben, daß er sei Auferstanden, so sollen wir auch am jüngsten Tage den Lohn der Auferstehung erhoffen". Und spricht weiter "Nicht länger denn drei Tage wollte unser Herr tot sein; denn hätte sich seine Auferstehung verzogen, so hätten wir an der unsern müssen verzweifeln. Also haben wir Hoffnung zu unserer Auferstehung, wenn wir ansehen die Glorie
unsres Herrn".

An dem fünften Stück, warum Christus auferstund, merken wir, daß es geschah um vierlei großen Nutzens willen. Denn seine Auferstehung macht rechtfertig die Sünder, sie lehrt Erneuung der Sitten, sie giebt eine Hoffnung des Lohnes und wirkt die Auferstehung aller Menschen. Sie geschah erstlich zur Rechtfertigung der Sünder. Davon heißt es Römer 4,25 "Welcher ist um
unsrer Sünden willen dahingegeben und um unsrer Gerechtigkeit willen auferwecket". Zum andern soll sie uns lehren einen neuen Wandel. Davon heißt es Römer 6,4. "Gleichwie Christus ist auferweckt von den Toten durch die Herrlichkeit des Vaters, also sollen auch wir in einem neuen Leben wandeln". Zum dritten giebt sie uns eine Hoffnung auf himmlischen Lohn. Davon heißt es 1.Petri 1,3 "Der uns nach seiner großen Barmherzigkeit zu einer Hoffnung des Lebens erweckt hat durch Christi Auferstehung von den Totem. Zum vierten wirkt seine Auferstehung die Auferstehung aller Menschen. Davon heiß es 1. Corinther 15,20 "Nun aber ist Christus auferstanden von den Toten, und der Erstling worden unter denen, die da schlafen; sintemal durch einen Menschen der Tod und durch einen Menschen die Auferstehung der Toten kommt." Aus dem Vorgesagten wird offenbar, daß Christi Auferstehung von unsrer Auferstehung in vier Dingen war unterschieden. Erstlich ist er am dritten Tage erstanden, unsre Auferstehung aber wird erst sein am Ende der Tage. Zum andern ist er durch eigene Kraft auferstanden; wir aber erstehen allein durch ihn. Davon spricht Ambrosius "Wie mochte der von einem andern mögen erweckt werden, der selbst die andern hat erweckt". Das dritte ist, daß wir zu Asche werden; sein Leib aber zerfiel nicht. Zum vierten ist seine Auferstehung unserer Auferstehung eine Ursache, ein Beispiel und ein geistlich Gleichnis. Von dem ersten spricht die Glosse über den Psalm "Am Abend wird Weinen sein, am Morgen aber Freude< (Ps. 29,6). "Die Auferstehung Christi ist die wirkende
Ursache der Auferstehung der Seele in diesem und des Leibes in jenem Leben". Von dem zweiten heißt es 1. Corinther 15 "Ist aber Christus erstanden, so werden auch wir auferstehen". Von dem dritten legen wir Römer 6,4 "Gleichwie Christus auferstanden von den Toten durch die Herrlichkeit des Vaters, also sollen wir in einem neuen Leben wandeln".

Das sechste Stück ist, wie oft Christus nach seiner Auferstehung erschienen ist. Da sollen wir merken, daß er an dem Ostertag selbst zu fünf Malen erschienen ist, und an den anderen Tagen auch fünf Male.

Das erste Mal erschien er der Maria Magdalena; als uns geschrieben ist Johannis am 20. Capitel; und Marci am letzten, da es heißt "]esus aber, da er auferstanden war, früh am ersten Tage der Woche, erschien er am ersten der Maria Magdalena" (Marc. 16,9); die bezeichnet uns die Büßenden. Warum er ihr aber zuerst erschienen ist, des sind fünf Ursachen. Die erste ist, daß sie gar brennend liebte; Lucas 7,47 "Ihr sind viele Sünden vergeben, denn sie hat viel geliebt" Zum andern wollte er zeigen, daß er für die Sünder sei gestorben: Matthäus 9,15 "Ich bin gekommen, zu berufen die Sünder und nicht die Gerechten"
Zum dritten wollte er zeigen, daß die Huren eher ins Himmelreich sollten kommen denn die Weisen: Matthäus 9,13 "Wahrlich ich sage euch, die Zöllner und Huren werden eher in das Himmelreich kommen denn ihr". Zum vierten: wie eine Frau war die Künderin des Todes, so sollte auch eine Frau die Künderin sein, als die Glosse spricht. Zum fünften: wo die Sünde über-
geflossen war, da sollte auch die Gnade überflüssig sein.Solches lesen wir Romer 5,20.

Zum andern erschien er den Frauen, die von dem Grabe gingen, da er zu ihnen sprach "Seid gegrüßet" und sie traten zu ihm und rührten seine Füße an; davon lesen wir Matthäi am letzten. Die bezeichnen uns die Demütigen welchen der Herr erscheint, ihres Geschlechtes wegen, und der Liebe wegen, da sie seine Füße anrührten.

Zum dritten erschien er Simon Petro; doch wo und wann das geschah, das lesen wir nicht; es mag gewesen sein, da Petrus mit Johannes von dem Grabe wiederkehrte; denn es mochte etwan sein, daß er sich von Johannes hatte getrennt, und ihm dann der Herr erschien. Davon ist geschrieben Lucas am letzten, Oder er mag ihm erschienen sein, da Petrus allein zu dem Grabe kam; als wir in der Historia Scholastica lesen. Oder auch in der Grotte oder Höhle; denn man liest in derselben Geschichte, daß Petrus, da er Christum verleugnet hatte, in die Grotte floh, welche jetzt Gallicantus heißt, das ist gesprochen Hahnenschrei; daselbst habe er drei Tage lang geweint aus Trauer, daß er den Herrn verleugnet hatte; daselbst erschien ihm auch der Herr und tröstete ihn. Petrus aber ist verdolmetschet der Gehorchende; und also bezeichnet er die Gehorsamen, denen der Herr erscheint.

Zum vierten erschien er den zween Jüngern auf dem Wege nach Emaus. Emaus aber ist verdolmetschet Begierde des Rats, und bezeichnet die Armen im Geist, oder die Armen Christi, welche den Rat erfüllen wollen "Gehe hin und verkaufe alles was du hast. und gieb es den Armen".

Zum fünften erschien er den Jüngern, da sie einmüthig bei einander waren das bezeichnet die geistlichen Menschen, die die Tore ihrer fünf Sinne ver schlossgn halten. Von dieser Erscheinung leSen wir Johannis am 20. Capitel

In dieser fünferlei Weise ist der Herr am Ostertage erschienen. Und diese fünf Erscheinungen bezeichnet der Priester in der Messen, so er sich fünfmal umkehrt zu dem Volke; die dritte Umkehr aber geschieht mit Stillschweigen denn sie bezeichnet die Erscheinung, die Sanct Petro geschah, welche so heimlich war, daß man nicht weiß wann oder wo.

Zum sechsten erschien er an dem achten Tage den Jüngern, da sie versammelt waren, und Thomas bei ihnen war, welcher gesagt hatte, er glaube nicht, er sähe denn. Und damit werden bezeichnet die, so im Glauben zweifelhaft sind. Davon lesen wir Johannes am 20. Capitel.

Zum siebenten erschien er den Jüngern, da sie fischten. Davon ist geschrieben Johannis am letzten; dabei versteht man die Prediger, denn sie sind Fischer der Menschen.

Zum achten erschien er den Jüngern auf dem Berge Thabor, davon ist geschrieben Matthäi am letzten. Das bezeichnet die Schauenden; weil Christusauf demselbigen Berge verklärt ward.

Zum neunten erschien er den Elfen, da sie zu Tische saßen, da strafte er ihren Unglauben und ihrer Herzen Härtigkeit; davon ist geschrieben Marci am letzten. Dabei verstehen wir die Sünder, die da sind in der Elfzahl der Ubertretung, welche der Herr unterweilen in seiner Barmherzigkeit aufsucht.

Zum zehnten und letzten Male erschien er den Jüngern auf dem Olberge, davon wir Lucas am letzten lesen. Hiemit werden bezeichnet die Barmherzigen, und die, welche das Öl der Barmherzigkeit lieben. Und von diesem Berg fuhr er gen Himmel. "Denn die3 Barmherzigkeit ist zu allen Dingen nütze und hat die Verheißung dieses und des zukünftigen Lebens" (1., Timotheus 4,8).

Es sind noch drei andere Erscheinungen, welche am Ostertage sollen geschehen sein; aber in der Schrift lesen wir davon nichts.
Einmal erschien er Jacobus dem Gerechten, welcher ist Jacobus des Alpheus Sohn; von dieser Erscheinung findest du geschrieben in der Legende des  Jacobus selbst.
Das andre Mal erschien er dem Joseph von Arimathia, wie wir im Evangelium Nicodemi lesen. Denn da die Juden vernahmen, daß Joseph des Herrn Leib von Pilato hatte erbeten und ihn in sein Grab hatte gelegt, da ergrimmten sie wider ihn, griffen ihn und legten ihn in eine Kammer, die beschlossen sie mit Fleiß und versiegelten sie; und wollten ihn nach dem Sabbat töten. Aber in der Nacht der Auferstehung siehe, so hub Christus das Haus auf an den vier Enden, trat zu ihm, trocknete seine Tränen und küßte ihn, und führte ihn heraus, ohne daß die Siegel zerbrochen wurden, hin in sein Haus nach Ari-
mathia.

Das dritte war, daß er Marien seiner Mutter erschien vor allen andern; das glaubt man gewißlich, ob auch die Evangehsten davon schweigen. Das wird auch bestätigt durch die Kirche von Rom, die des Tages einen Bittgang macht zu Sanct Marien. Glaubt man es aber nicht, dieweil kein Evangelist es bezeugt, so wäre dann Christus nach seiner Auferstehung ihr nicht erschienen, denn kein Evangelist sagt wann oder wo. Aber das sei fern, daß der Sohn die Mutter mit Versäumnis also habe entehret. Wol mag es sein, daß die Evangelisten nur darum schweigen, weil sie nichts anderes wollten denn Zeugen geben für die Auferstehung; die Mutter aber als Zeugen zu stellen für den Sohn, war nicht ziemlich. Denn wenn schon der anderen Frauen Rede für Fabel und Traum gehalten ward, so mußte der Mutter Zeugnis als ein Wahn erscheinen, den ihr die Liebe zu ihrem Sohne eingab; darum wollten die Evangelisten nicht davon schreiben, doch war es ihnen sicher ohne allen Zweifel. Denn die Mutter mußte er mit seiner Auferstehung noch eher erfreuen als die anderen, weil sie mehr bei seinem Tode gelitten hatte als die andern; und wahrlich, er durfte der Mutter nicht vergessen, da er also eilte, die anderen zu trösten. Das bezeugt
auch Ambrosius in dem dritten Buche von den Jungfrauen, da er spricht "Die Mutter sah die Auferstehung des Herrn, und sah und glaubte am ersten; Maria Magdalena sah sie auch, ob sie gleich noch zweifelte. Und, von der Auferstehung Christi handelnd, spricht er "Der jungfräulichen Mutter erschien er zu allererst nach seiner Auferstehung, auf daß sie des großen Wunders Zeuge sei; sie war einst der Weg des kommenden, so sollte sie auch des wiederkommenden Wegweiser sein.

Das siebente und letzte Stück ist, was unser Herr in der Vorhölle wirkte, und wie er die Altväter daraus erlösete. Hievon schreibet das Evangelium nicht; doch sprechen davon etlichermaßen Sanct Augustinus in einer Predigt und Nicodemus in Seinem Evangelium. Augustinus spricht:

"Alsbald Christus gestorben war, so fuhr die Seele vereinbart mit der Gottheit in den Abgrund der Höllen. Da er nun nahete der Höllen mit einem fruchtbaren lichten Schein, als ob er die Hölle wollte herauben ihrer Finsternis, und die bösen Höllenscharen ihn sahen, erschraken sie und huben an zu fragen "Wer ist der Starke, der Furchtbare, der Lichte, Herrliche? Die Welt, die uns Untertan ist, hat uns nie einen solchen Toren gesendet, sie hat der Hölle nie eine solche Gabe geschenkt. Wer ist, der also unerschrocken in unser Land gehet, und nicht allein unsere Pein nicht fürchtet, er löset auch unsere Gefangenen aus unsern Banden. Sehet, wie sie uns schmähen, weil das Heil kommen ist, die zuvor unter unsrer Gewalt seufzten in schwerer Pein: sie fürchten uns nimmer und drohen uns gar. Niemalen ist solche Hoffart an den Toten gesehen werden
und solche Freude an den Gefangenen. Weh und weh, wer hat uns diesen hergetragen? O Sathan unser Fürst, all deine Freude ist verschwunden, all deine Wonne ist in Betrübnis verkehret. Da du Christum hast an das Holz gehenket, da hast du nicht erkannt, wie großen Schaden du der Hölle hast getan". Nach diesen grimmigen Rufen der Höllenknechte gebot unser Herr den Riegeln der Hölle, daß sie sich auftäten. Da brachen die eisernen Riegel und es kamen herfür unzählige Völker der Heiligen, die fielen nieder zu den Füßen des Herrn und riefen mit weinenden Stimmen "Bist du kommen, Heiland der Welt, wie haben wir dein so lange geharret, nun bist du um unsertwillen herab in die Hölle gefahren. Wir bitten dich, daß du uns mit dir führest, so du wieder auffährst, und uns nicht hinter dir lassest. Herr, fahre auf mit deinem Raube, den du der Höllen hast genommen, wenn du den Teufel mit seinen eigenen Banden hast gebunden. Gieb der Welt Freude wieder, komm uns zu Hilf, verlösche die grimme Pein; erbarme dich und erlöse die Gefangenen, dieweil du hie bist, entbinde die Schuldigen, und beschirme die Deinen, so du auffährst". Solches schreibet Sanct Augustinus.

Nun lesen wir aber in dem Evangelium Nicodemi, daß Carinus und Leucius, des alten Simeon Söhne, mit Christo auferstunden, und dem Annas, Caiphas,Nicodemus,Joseph und Gamaliel erschienen; die beschwuren sie, daß sie ihnen sollten sagen, was Christus in der Hölle habe gewirket. Da erzählten sie und sprachen also

"Wisset fürwahr, da wir in der Finsternis saßen mit unsern Alrvordern, den Patriarchen, erschien ein güldener Glast und Schein der Sonnen und ein königlich Licht gleich dem Purpur über uns. Als das Adam sah, der Stammvater des Menschengeschlechts, freuete er sich und sprach "Dies ist der Glanz des, der alles Licht hat geschaffen und der uns gelobet hat, sein ewig Licht zu senden. Und Isaias rief und sprach "Dies ist das Licht des Vaters, Gottes Sohn, von dem ich geweissagt habe, da ich noch auf Erden ging: Das Volk, das im finstern wandelte, sahe ein großes Licht" Hienach kam unser Vater Simeon und sprach mit großen Freuden "Lobet den Herrn, denn ich habe Christum, das neugeborene Kindlein in meinen Armen empfangen im Tempel; und der Geist trieb mich, daß ich sprach: Nun haben meine Augen dein Heil gesehen, das du berei-
tet hast vor den Völkern, ein Licht zu erleuchten die Heiden und ein Ruhm deines Volkes Israel". Darnach kam einer gleich einem Einsiedler, den fragten wir, wer er wäre. Er sprach "Ich bin Johannes, der Christum hat getaufet, und vor ihm ist gegangen, seinen Weg zu bereiten; ich wies auf ihn mit meinem Finger und sprach: Sehet, das ist das Lamm Gottes, das der Welt Sünde tragt. Und bin nun herab zu euch gestiegen, daß ich euch künde sein Kommen: denn es steht nahe bevor". Da sprach Seth "Als ich einst ging an die Tür des Paradieses, und unsern Herrn bat, daß er mir durch einen Engel sende das Öl der Barmherzigkeit, daß ich den Leib meines Vaters Adam damit salbte; denn er war siech; da erschien mir Michael der Erzengel und sprach: Laß dein Weinen und mühe dich nicht um das Öl vom Baume des Mitleidens; das mag dir nicht werden, es seien denn verflossen 5500 Jahre". Als das die Patriarchen und Propheten hörten, waren sie gar froh mit großem Schalle; Sathan aber, der Fürst und Herr des Todes, sprach zu der Hölle "Bereite dich, daß du empfahest Jesum, der sich berühmt, er sei Gottes Sohn, so er doch ein Mensch ist, der den Tod hat gefürchtet, da er sprach: Meine Seele ist betrübt bis in den Tod. Er hat viele geheilt, die ich krumm hatte gemacht, und hat die Hinkenden aufgerichtet" Da antwortete die Hölle und sprach "Wenn du so gewaltig bist: wer ist dieser Jesus, der den Tod fürchtet und doch deiner Gewalt widersteht? Er will dich betrügen, so er
spricht, daß er den Tod fürchte, und will dich damit fahen; so wirst du ewiglich Weh leiden". Antwortete Sathan "Ich habe ihn versucht, und habe das Volk wider ihn bewegt, ich habe den Speer gespitzt, Essig und Gallen gemischt, und das Kreuz bereitet: der Tod ist ihm gar nahe, ich will dir ihn bald bringen". Da sprach die Hölle "Ist er nicht der, der Lazarum erweckte, den ich gefangen hielt?" Sprach Sathan "ja, er ist’s". Da sprach die Hölle "Ich beschwöre dich bei deinen und bei meinen Kräften, daß du ihn nicht zu mir führest; denn da ich das Wort seines Gebotes hörte, erzitterte ich also, daß ich Lazarum nicht mochte halten, sondern er schüttelte sich wie ein Adler und fuhr von uns empor über alle Schnelligkeit" Da sie also sprachen, kam eine Stimme wie ein großer Donner und sprach "Ihr Fürsten, schließe: auf eure Pforten, tuet euch auf ihr ewigen Tore; denn der König der Ehren will eingehen" Da liefen die Teufel und beschlossen die ehernen Tore mit eisernen Riegeln. Und David sprach "Das hab ich zuvor geweissagt: Sie mögen dem Herrn danksagen für seine Barmherzigkeit, daß er die ehernen Tore zerbricht und die eisernen Riegel" Da kam die Stimme zum andern Male und sprach "Schließt auf eure Pforten, tuet euch auf ihr ewigen Tore". Als die Hölle sah, daß er zum andern Male rief, sprach sie, als wüßte sie es nicht "Wer ist dieser König der Ehren?" Antwortete David "Es ist der Herr stark und mächtig, der Herr machtig im Streit, das ist der König der Ehren". Da kam der König der Ehren, und erleuchtete die ewige Finsternis, Und reckte seine Hand aus, nahm Adam bei seiner Rechten und sprach "Friede sei mit dir und mit allen deinen Kindern, meinen Gerechten". Also stieg unser Herr auf von der Hölle und alle Heiligen folgten ihm nach. Und führte Adam an seiner Hand und übergah ihn Michael dem Erzengel, der führte sie alle in das Paradies. Da kamen ihnen entgegen zwei hochbetagte Männer; und die Heiligen fragten "Wer seid ihr. die ihr noch nicht gestorben seid, und nicht in der Hölle wohntet, sondern im Paradiese?"« Antwortete der eine und sprach
"Ich hin Enoch, der hieher ward versetzet, und dieser ist Elias, der im Feurigen Wagen gen Himmel fuhr; wir haben den Tod noch nicht gekostet, und sind aufgehalten bis auf die Zeit des Antichrist: wider den sollen wir Fechten und von ihm erschlagen werden, und nach drei Tagen und einem halben werden wir auffahren in den Wolken. Unter diesen Worten siehe, so kam ein Mann gegangen, der trug des Kreuzes Zeichen auf seiner Schulter; sie fragten ihn, wer er ware, und er sprach "Ich bin der Schächer, der mit Christo gekreuzigt ward, und an ihn glaubte und zu ihm sprach: Herr, gedenke an mich, wenn du in dein Reich kommst; er aber antwortete: Wahrlich ich sage dir, heute noch wirst du mit mir im Paradiese sein; und gab mir dieses Kreuzes Zeichen und sprach: damit gehe in das Paradies, und so der Engel, der des Paradieses hütet, dich nicht
will einlassen, so weise ihm das Zeichen des Kreuzes und sage ihm: Christus, der nun gekreuzigt ist, hat mich gesendet. Also tat ich und der Engel schloß mir bald auf und führte mich in das Paradies und hat mich gesetzt zur rechten Hand"

Da Carinus und Leucius dieses Zeugnis gegeben hatten, verwandelten sie sich alsbald und wurden nicht mehr gesehen.

Es spricht Gregorius von Nyssa, oder, als wir in etlichen Büchern lesen, Sanct Augustinus "Da unser Herr in die Hölle fuhr, ward die ewige Nacht gar licht, und die eisengewappneten Hüter des Höllentores murmelten unter einander gar heimlich in großer Furcht: Wer ist dieser Schreckliche in seinem großen Glanz? die Hölle hat nie solchen Mann empfangen, die Welt hat noch keinen solchen in unsere Höhle geworfen, Das ist ein Eroberer, kein Schuldiger; ein Räuber und Zerstörer kein Sünder. Wir sehen, daß er gleich ist einemRichter, nicht einem Verbrecher, er kommt zu kämpfen und nicht zu unterliegen; er will nicht bleiben, sondern von uns nehmem.

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