Römischer Katechismus (Catechismus). Nach dem Beschlusse des Conciliums von Trient und auf Befehl des Pabstes Pius V. herausgegeben. Passau, Druck und Verlag von Friedrich Winkler 1839
Fünfzehntes Hauptstück - Von der sechsten Bitte - Und führe uns nicht in Versuchung.
I. Wie gross die Gefahr sey, wir möchten nach erlangter Verzeihung der Sünden wiederum in die Sünde zurückfallen.
Welche ihren Lebenswandel erst seit Kurzem gebessert haben, sind
grossem Versuchungen ausgesetzt.
Es unterliegt keinem Zweifel, dass, wenn die Kinder Gottes, nach
erlangter Verzeihung der Sünden, brennend von Eifer Gott anzubeten und zu
verehren, nach dem Himmelreiche sich sehnen, und alle Liebespflichten Gott
erweisend, ganz seinem väterlichen Willen und der Vorsehung sich hingeben,
gerade da der Feind des Menschengeschlechtes alle Kunstgriffe gegen sie am
meisten ausdenkt, alle möglichen Zurüstungen macht, um sie zu unterjochen, so
dass man fühlen muss, sie möchten, in ihrem Vorsatze wankend gemacht, ihre
Gesinnung ändern, wieder in die Laster zurücksinken, und weit schlechter werden,
als sie vorher waren. Auf sie möchte man mit Recht jene Worte des Apostelfürsten
anwenden können: Es wäre ihnen besser gewesen, wenn sie den
Weg der Gerechtigkeit nicht erkannt hätten, als dass sie, nachdem sie ihn
erkannt, wieder abweichen von dem heiligen Gebote, das ihnen gegeben ist.
[2.Petr. 2,21]
II. Wie uns Christus durch diese Bitte gegen die Fallstricke des listigsten der Feinde schützen wollte.
Desswegen hat uns Christus der Herr diese Bitte vorgeschrieben,
damit wir uns täglich Gott anempfehlen und seine väterliche Sorgfalt und seinen
Schutz anflehen, nicht im geringsten zweifelnd, dass wir, vom göttlichen
Beistande verlassen, in die Fallstricke des listigsten Feindes fallen und
gefangen werden. Und er befahl nicht bloss in diesem vorgeschriebenen Gebete,
Gott zu bitten, dass er uns nicht in Versuchung gerathen lasse, sondern auch in
jener Rede [Joa. 13,10] ,
welche er kurz vor seinem Tode an die heiligen Apostel hielt, indem er sagte,
sie seyen zwar rein, aber sie doch mit folgenden Worten an diese Pflicht
ermahnte: Wachet und betet, damit ihr nicht in Versuchung
fallet. [Matth. 26,41] Diese wiederholt
vorgebrachte Ermahnung Christi des Herrn legt den Seelsorgern die Pflicht eines
grossen Fleisses auf, die Gläubigen zum häufigen Gebrauch dieser Bitte
anzueifern; damit sie bei diesen grossen Gefahren die den Menschen von ihrem
Feinde, dem Teufel, stündlich bereitet werden, Gott, der sie allein abhalten
kann, beständig bitten: Und führe uns nicht in Versuchung.
III. Aus welchen Gründen die Menschen die Nothwendigheit dieser Bitte vorzüglich erkennen können.
Beispiel der menschlichen Schwäche an den Aposteln. Schwachheit des
Petrus.
Das gläubige Volk aber soll einsehen, wie sehr es dieses göttlichen
Beistandes bedürfe, wenn es sich seiner Schwachheit und Unwissenheit erinnert,
wenn es gedenket jenes Ausspruches Christi des Herrn: Der
Geist ist zwar willig, aber das Fleisch ist schwach; [Matth. 26,41] wenn es ihm einfällt, wie schwierig und
verderblich die Lage der Menschen ist, wenn sie bei den Versuchungen des Teufels
nicht von der himmlischen Macht aufrecht erhalten werden. Kann es wohl ein
deutlicheres Beispiel der menschlichen Schwachheit geben, als jenen heiligen
Chor der Apostel, welche zwar vorher muthvoll waren, aber bei dem ersten
furchtbaren Auftritte den Heiland verliessen und entflohen? Besonders merkwürdig
ist auch jenes Beispiel des Apostelfürsten, welcher bei einem so feierlichen
Bekenntnisse einer besondern Stärke und besonderer Liebe zu Christus dem Herrn,
nachdem er kurz vorher, voll Selbstvertrauen, gesagt hatte: Wenn ich auch mit
dir sterben müsste, so will ich dich doch nicht verläugnen, sogleich durch die
Rede eines einzigen Weibes erschreckt, mit einem Eide betheuerte, er kenne den
Herrn nicht. Es entsprachen nämlich seine Kräfte nicht bei der grössten
Bereitwilligkeit des Geistes. Wenn nun die heiligsten Männer, durch die
Gebrechlichkeit der menschlichen Natur, auf die sie vertrauten, schwer
sündigten, was müssen erst die übrigen befürchten, welche so weil von ihrer
Heiligkeit entfernet sind?
IV. Wie vielen und grossen Gefahren von Versuchungen das Leben der Menschen ausgesetzt sey.
Desswegen soll der Seelsorger dem gläubigen Volke die Kämpfe und
Gefahren vorstellen, in denen wir beständig schweben, so lange die Seele in
diesem sterblichen Leibe wohnet, da sie von allen Seiten her das Fleisch, die
Welt und der Teufel umlagern. Wer muss nicht zu seinem grossen Unglücke
erfahren, was der Zorn, was die unreine Lust in uns vermöge? Wer wird nicht von
diesen Lockungen gereizt? Wer empfindet nicht diese Stacheln? Wer wird nicht von
diesen Feuerfackeln erhitzt? Und zwar sind die Streiche, die Angriffe so
verschieden und mannigfaltig, dass es sehr schwer ist, keine Wunde davon zu
tragen. Allein ausser diesen, die in uns wohnen und mit uns leben, gibt es noch
jene so erbitterten Feinde, von denen geschrieben steht: Wir
haben nicht blos zu kämpfen gegen Fleisch und Blut, sondern wider die
Oberherrschaften und Mächte, wider die Beherrscher der Welt in dieser
Finsterniss, wider die Geister der Bosheit in der Luft. [Ephes. 6,12]
V. Aus der Lehre des h. Paulus wird erkläret, wie gefährlich die Angriffe der bösen Geister gegen uns seyen.
Zu den innerlichen Kämpfen kommen die äusseren Anfälle und
Gewalttätigkeiten der bösen Geister, welche uns sowohl offen angreifen, als auch
auf Schleichwegen in unsere Seelen sich einschleichen, so dass wir uns kaum vor
ihnen verwahren können. Der Apostel nennet sie wegen der Vortrefflichkeit ihrer
Natur Fürsten (denn sie übertreffen an vortrefflicher Natur die Menschen und
alle übrigen Geschöpfe, die in die Sinne fallen); auch Mächte, nennet er sie,
weil sie nicht nur durch die Kraft ihrer Natur, sondern auch durch Macht sich
auszeichnen; und Beherrscher der Welt der Finsternisse: denn sie regieren nicht
die lichte und beleuchtete Welt, das heisst, die Guten und Frommen, sondern die
dunkle und finstere, nämlich die, welche durch den Unrath eines lasterhaften und
schändlichen Lebens geblendet, am Teufel, dem Fürsten der Finsterniss, ihr
Wohlgefallen haben. Er nennet sie auch Geister der Bosheit, denn es gibt eine
Bosheit des Fleisches und des Geistes. Die Bosheit des Fleisches entzündet das
Verlangen nach Geilheit und Wollust, die durch die Sinne eindringen. Die Bosheit
des Geistes besteht in den bösen Gesinnungen, und bösen Begierden, welche zum
höheren Seelenvermogen gehören; und diese sind um so sündhafter, als die
übrigen, je höher und vortrefflicher das Gemüth ist und die Vernunft. Weil nun
diese Bosheit des Satans vorzüglich dahin strebt, uns der himmlischen Erbschaft
zu berauben, so setzte der Apostel desswegen bei in der Luft. Hieraus kann man
ersehen, dass die Kräfte der Feinde gross seyen, unbeugsam ihr Sinn, und grausam
und grenzenlos ihr Hass gegen uns; dass sie auch einen immerwährenden Krieg mit
uns führen, so dass kein Friede mit ihnen seyn, kein Waffenstillstand
geschlossen werden kann.
VI. Wie gross die Kühnheit und die Durchtriebenheit des Teufels bei den Versuchungen sey.
Wie viel sie wagen, zeigt die Sprache des Satans beim Propheten:
Zum Himmel werde ich hinansteigen. [Isai. 14,13] Er hat die ersten Menschen im Paradiese
angegriffen; er fiel die Propheten an; er verlangte die Apostel, um sie zu sieben, [Luc. 22,313]
wie der Herr beim Evangelisten sagt, wie den Waizen. Er scheute sich
nicht, selbst vor das Angesicht Christi des Herrn zu treten. Daher drückte der
heilige Petrus seine unersättliche Begierde, seinen unermüdeten Fleiss mit
folgenden Worten aus: Euer Widersacher, der Teufel, geht
umher wie ein brüllender Löwe, und suchet, wen er verschlingen könne.
[Petr. 5,8] Und nicht blos der Satan allein
versucht die Menschen, sondern bisweilen fallen uns die bösen Geister
haufenweise an. Diess bat jener böse Geist, der von Christus dem Herrn gefragt,
wie er heisse, antwortete: Legion ist mein Name;
[Marc. 5,9] nämlich die Menge der bösen
Geister, welche jenen Unglücklichen gepeinigt hatte; und von einem andern steht
geschrieben: Er nimmt sieben adere Geister zu sich, die
ärger sind, als er selbst, und sie fahren ein, und wohnen darin. [Matth. 12,45]
VII. Warum die Lasterhaften weniger, die Frommen aber mehr von den Teufeln angefochten werden.
Es gibt viele, welche die ganze Sache für unwahr halten, weil sie
die Antriebe und Angriffe der bösen Geister auf sich nicht merken; und es ist
auch kein Wunder, dass sie die bösen Geister nicht angreifen, da sie sich ihnen
freiwillig ergeben haben. In ihnen ist keine Frömmigkeit, keine Liebe, nicht
jene des Christen würdige Tugend. Daher geschieht, dass sie ganz in der Macht
des Teufels sind; Und er bedarf keiner Versuchung, um die zu verderben, in deren
Seelen er, nach ihrem eigenen Willen, wohnet. Dagegen aber die sich Gott
geweihet haben, und auf Erden ein himmlisches Leben führen, diese sind besonders
den Angriffen des Satans ausgesetzt, diese hasset er bitterlich, diesen legt er
in jedem Augenblicke Fallstricke. Die heilige Geschichte ist mit Beispielen voll
heiligen Menschen angefüllt, welche er bei vollem Muthe entweder durch Gewalt,
oder durch List zum Falle gebracht hat. Adam, David, Salomon, und andere, die
man schwerlich alle aufzählen könnte, haben die gewaltigen Angriffe der Teufel
erfahren, und ihre listige Schlauheit, welcher Menschenverstand und
Menschenkraft nicht widerstehen knnn. Wer soll sich also durch seinen eigenen
Schutz für hinlänglich sicher halten? Daher muss man mit frommen und reinem
Sinne zu Gott beten, dass er uns nicht über unsere Kräfte versuchen lasse [I. Cor. 10,13] , sondern dass
er bei der Versuchung auch den Ausgang gebe, damit wir ausharren können,
VIII. Die Teufel können die Menschen nicht versuchen, so viel oder so lange sie wollen.
Hiebei muss man aber die Gläubigen zu bestärken suchen, dass sie,
wenn einige aus Schwachheit des Gemüthes oder aus Unkenntniss der Sache die
Gewalt der bösen Geister fürchten, im Gewirre dieser Versuchungen zu dieser
Bitte ihre Zuflucht nehmen. Denn der Teufel kann uns bei aller seiner Macht und
Hartnäckigkeit, bei dem tödtlichen Hasse gegen unser Geschlecht, nicht versuchen
und peinigen, so stark oder so lange er will, sondern alle seine Macht wird
durch den Wink und durch die Zulassung Gottes gelenket. Allgemein bekannt ist
das Beispiel des Hiob, bei dem der Satan, wenn Gott nicht gesagt hatte: Siehe, alles, was er hat, ist in deiner Hand; [Job. 1,12] nichts angerühret hatte: hätte aber dagegen
der Herr nicht beigefügt: Nur an ihn strecke nicht aus deine Hand, so wären er
und seine Kinder und sein Vermögen durch einen einzigen Schlag des Teufels zu
Grunde gegangen. Die Macht der Dämonen aber ist so gebunden, dass jene, von
welchen die Evangelisten schreiben, ohne Zulassung Gottes, nicht einmal in die
Schweine hätten fahren können.
IX. Was das Wort Versuchung bezeichne, und auf welche Weise wir von Gott versuchet werden.
Um die Kraft dieser Bitte einzusehen, muss erkläret werden, was
hier Versuchung, und, was versuchet werden bedeute. Versuchen heisst, den, der
versucht wird, auf die Probe stellen, um von ihm, indem wir herauslocken, was
wir wünschen, das Wahre zu erfahren. So versuchet Gott aber nicht. Denn was
sollte wohl Gott nicht wissen? Alles, [Hebr. 4,13] sagt er, ist nackt und offenbar vor seinen
Augen. Es gibt eine zweite Art von Versuchung, wenn man weiter fortschreitet,
und etwas anders suchet entweder zum Guten oder zum Bösen; zum Guten, wenn die
Tugend eines Menschen durch eine solche Sache versuchet wird, damit er, wenn er
sie erkannt und geprüft hat, an Vortheilen und Ehre zunehme, und sein Beispiel
andern zur Nachahmung vorgestellt werde, und endlich alle ebendesswegen zum Lobe
Gottes angeeifert werden. Auf diese Weise allein versucht Gott. Ein Beispiel von
einer solchen Versuchung steht im Deuteronomium: Der Herr,
euer Gott, prüfet euch, damit offenbar werde, ob ihr ihn liebet, oder nicht.
[Deut. 13,3] So sagt man, versuche auch Gott
die Seinigen, indem er sie mit Armuth, Krankheit und andern Arten von Drangsalen heimsucht; er thut diess, um ihre Geduld zu prüfen,
und damit sie für andere ein Beispiel christlicher Pflichterfüllung seyen. So
lesen wir, sey Abraham geprüft worden, dass er seinen Sohn opfern sollte [Gen. 28] ; dadurch ward er ein
einziges Beispiel des Gehorsams und der Geduld, zum ewigen Andenken der
Menschen. Ebenso heisst es vom Tobias Und weil du angenehm
vor Gott wärest, musste die Versuchung dich bewähren. [Tob. 12,13]
X. Wie der Teufel die Menschen versuche.
Zum Bösen werden die Menschen versucht, wenn sie zur Sünde oder zum
Verderben angereizt werden; diess ist das eigentliche Geschäft des Teufels. Denn
er versuchet die Menschen in der Absicht, sie zu hintergehen und ins Verderben
zu stürzen. Desswegen heisst er in den heiligen Schriften der Versucher. Bei
diesen Versuchungen aber erreget er bald in uns die innern Triebe, und bedienet
sich der Affekte und Leidenschaften der Seele als Gehilfinnen; bald reizt er uns
von aussenher, und bedient sich dann äusserer Dinge, entweder des Glücks, um
hoffartig, oder des Unglückes, um kleinmüthig zu machen; bisweilen gebrauchet er
verworfene Menschen als Kundschafter und Spione, besonders die Ketzer, welche,
sitzend auf dem Stuhle der Bosheit, giftigen Samen verderblicher Lehren
ausstreuen, damit sie solche Menschen, die zwischen Tugend und Laster nicht
wählen und unterscheiden können, und an sich zum Bösen geneigt sind, wankend
machen und ins Verderben stützen.
XI. Auf wie vielerlei Weise Jemand in Versuchung geführt werde.
Man sagt von uns, wir werden in Versuchung geführt, wenn wir den
Versuchungen unterliegen. Wir werden aber auf zweierlei Weise in Versuchung
geführt: erstens, wenn wir von unserm Standpunkte verrückt, in jene Sünde
fallen, zu der uns Jemand durch Versuchung angereizt hat. Auf diese Weise aber
wird von Gott Niemand versuchet; denn für Niemanden ist Gott der Urheber der
Sünde, ja er hasset alle, die Böses Ihun. [Ps. 5,7] So heisst es auch beim h. Jakobus: Niemund sage, wenn er versucht wird, dass er von Gott versucht
werde; denn Gott kann nicht zum Bösen versucht werden, versucht aber auch
Niemanden. [Jak. 1,13] Ferner sagt man, es
führe uns in Versuchung der, welcher, wenn er uns auch nicht selbst versucht,
und nichts unternimmt, wodurch wir versucht werden, dennoch unser Versucher
genannt wird, weil er, da es doch in seiner Macht stünde, nicht hindert, dass
wir nicht versucht, oder von den Versuchungen nicht überwältiget werden. Auf
diese Weise lässt Gott zwar die Guten und Frommen versuchen, aber er
unterstützet sie mit seiner Gnade, und verlässt sie nicht. Manchmal jedoch
werden wir wegen unserer Laster nach dem gerechten und verborgenen Urtheile
Gottes uns selbst überlassen und fallen.
XII. Die Wohlthaten Gottes führen uns zuweilen in Versuchung.
Ferner sagt man, Gott führe uns in Versuchung, wenn wir seine
Wohlthaten, die er uns zum Heile verliehen hat, zum Verderben missbrauchen, und
das Vermögen des Vaters, wie jener verlorne Sohn, durch ein
schwelgerisches Leben verschwenden, [Luk. 15,13]
unsern Leidenschaften folgend. Desswegen können wir sagen, was der
Apostel vom Gesetze gesagt hat: Es fand sich, dass das
Gebot, welches zum Leben gegeben war, zum Tode gereichte. [Röm. 7,10] Ein passendes Beispiel hievon ist Jerusalem,
welches, wie Ezechiel bezeugt, der Herr mit aller Art von Zierden überhäuft
hatte, so dass Gott durch den Mund dieses Propheten sprach: Du warst vollkommen durch meinen Schmuck, welchen ich dir
angelegt; [Ezech. 16,14] und doch war jene
mit göttlichen Gütern überhäufte Stadt weit entfernt, gegen diesen, um sie so
wohl verdienten, Gott sich dankbar zu bezeigen, und die himmlischen Wohlthaten
zur Erlangung der Seligkeit, um derenwillen sie dieselben erhalten hat,
anzuwenden, dass sie vielmehr äusserst undankbar gegen Gott den Vater, die
Hoffnung und den Gedanken an die himmlischen Früchte von sich warf, und nur den
gegenwärtigen Üeberfluss in Schwelgeiei und Verschwendung genoss; was Ezechiel
in demselben Hauptstücke weitläufiger darstellt. Desshalb sind ebenso diejenigen
Menschen undankbar gegen Gott, welche die ihnen von Gott verliehenen Gaben zum
Reichthum, mit seiner Zulassung, zum Bösen missbrauchen.
XIII. Wie die Worte der Schrift zu verstehen seyen, wenn man sagt, die Menschen versuchen Gott.
Man muss aber den Ausdruck der heiligen Schrift sorgfaltig
beachten, da sie bisweilen mit denselben Worten die Zulassung Gottes bezeichnet,
welche, wenn man sie im eigentlichen Sinne nimmt, gleichsam eine Handlung in
Gott anzeigen. Im Exodus heisst es: Ich will das Herz des
Pharao verhärten; [Ex. 7,2] und beim Isaias:
Verblende das Herz dieses Volkes; [Isai. 6,10] und der Apostel schreibt an die Römer: Darum überliess sie Gott den schändlichen Lüsten, und dem
verderblichen Sinne. [Röm. 1,26.28] Bei
diesen und andern ähnlichen Stellen muss man verstehen, Gott habe diess nicht
gethan, sondern zugelassen.
XIV. In dieser Bitte verlangt man nicht, dass wir gänzlich von aller Versuchung frei seyen, sondern dass wir von Gott in der Versuchung nicht verlassen werden möchten.
Nutzen der Versuchungen.
Nach obiger Erklärung wird es nicht schwer seyn, zu wissen, was wir
in diesem Theile der Bitte begehren. Wir bitten nicht, dass wir gar nicht
versucht werden sollen; denn das Leben der Menschen auf Erden ist eine
Versuchung. Diess ist aber dem Menschengeschlechte nützlich und fruchtbringend,
weil wir in den Versuchungen uns selbst, das heisst, unsere Stärke kennen
lernen; desswegen demüthigen wir uns auch unter der mächtigen Hand Gottes, und
männlich kämpfend, erwarten wir die unverwelkliche Krone der Herrlichkeit: Denn wer auch im Wettkampfe streitet, wird nicht gekrönet, wenn er
nicht gesetzmässig gekämpft hat; [II. Tim. 2,5]
und wie der h. Jakobus sagt: Selig der Mann, der die
Anfechtung aushält; denn wenn er ist bewähret worden, wird er die Krone des
Lebens empfangen, welche Gott denen, die ihn lieben, verheissen hat.
[Jak. 1,12] Wenn wir auch bisweilen von den
Versuchungen der Feinde gedrängt werden, so wird uns jener Gedanke eine grosse
Erleichterung gewähren, dass wir zum Helfer haben einen
Hohenpriester, der mit unsern Schwachheiten Mitleiden haben kann, und in allen
Stücken, ähnlich wie wir, versucht worden ist. [Hebr. 4,15] Um was bitten wir also hier? Wir möchten
nicht verlassen vom göttlichen Schutze, entweder betrogen den Versuchungen
beistimmen, oder niedergeschlagen ihnen nachgeben; dass Gottes Gnade mit uns
sey, die uns, wenn unsere eigenen Kräfte uns verlassen, erquicken und aufrichten
möge.
XV. Wie wir Gott in unsern Versuchungen um Beistand anflehen sollen.
Desswegen müssen wir überhaupt Gottes Beistand anflehen in allen
unsern Versuchungen, und namentlich, wenn wir in besondere Versuchungen
gerathen, zum Gebet unsere Zuflucht nehmen; diess lesen wir von David, der diess
fast in jeder Art von Versuchung gethan hat. Bei einer Lüge betete er so: Nimm aus meinem Mund der Wahrheit Wort niemals. [Ps. 118,43] Beim Geize so: Neige mein
Herz zu deinen Zeugnissen, und nicht zum Geize. [Ib.
36] Bei eitlen Dingen aber dieses Lebens, und bei den Lockungen der
Begierden gebrauchte er dieses Gebet: Wende ab meine Augen,
auf dass sie nicht Eitelkeit sehen. [Ib. 37]
Wir begehren also, dass wir den Begierden nicht Folge leisten, und nicht
ermatten in Ertragung der Versuchungen, auf dass wir nicht abweichen vom Wege
des Herrn; dass wir sowohl bei Unannehmlichkeiten, als auch im Glücke,
Gleichmuth der Seele, und Standhaftigkeit bewahren; und dass Gott keinen Theil
von uns seines Schutzes entblösse. Wir bitten endlich, dass
er den Satan zertrete unter unsern Füssen. [Röm.
16,20]
XVI. Wie wir die Versuchung besiegen, und durch wen wir sie besiegen können.
Durch Vertrauen auf Gott können wir die Versuchung besiegen.
Es erübriget noch, dass der Seelsorger das gläubige Volk anmahne zu
dem , was in dieser Bitte vorzüglich bedacht und betrachtet werden soll. Hiebei
wird das Beste seyn, wenn wir einsehen, wie gross die Schwachheit der Menschen
sey, auf unsere Kräfte mistrauen, alle Hoffnung unsers Heiles auf die Güte
Gottes bauen, und auf diesen Schutz gestützt auch bei den grössten Gefahren
hohen Muth besitzen; besonders wenn wir bedenken, wie viele, die mit dieser
Hoffnung und diesem Muthe begabt waren, Gott aus dem offenen Rachen des Satans
befreiet hat. Entriss er nicht den Joseph, der allenthalben von den
Liebesflammen eines geilen Weibes umgeben war [Gen. 39] , der grössten Gefahr, und erhob ihn zu Ehren?
Hat er nicht die Susanna, die von den Trabanten des Satans umlagert war, gerade
da ihr nichts näher stand, als durch ungerechtes Urtheil getödtet zu werden,
unbeschädigt erhalten? Und es war auch kein Wunder; denn ihr
Herz, [Dan. 13,38] heisst es, hatte Vertrauen
auf den Herrn. Ausgezeichnet ist das Lob und der Ruhm des Hiob, der über die
Welt, das Fleisch und den Satan triumphiret hat. Es gibt sehr viele solche
Beispiele, wodurch der Seelsorger das gläubige Volk sorgfältig zu dieser
Hoffnung und diesem Vertrauen ermuntern soll?
XVII. Unser Anführer beim Kampfe ist Christus, Gefährten sind alle Heiligen, und wer ihnen nicht nachfolgt, ist thöricht.
Die Gläubigen sollen auch bedenken, wen wir zum Anführer haben bei
den Versuchungen der Feinde, nämlich Christus den Herrn, der in jenem Kampfe
obsieget hat. Er besiegte den Teufel. Er ist jener Stärkere, der den
Starkbewaffneten besiegte, und ihm seine ganze Waffenrüstung und die Beute
entriss [Luc. 11,22] .
Von seinem Siege, den er über die Welt erkämpft hat, steht beim h. Johannes:
Vertrauet, ich habe die Welt überwunden. [Joh. 16,33] Und in der geheimen Offenbarung heisst er der
siegende Löwe: [Off. 5,5]
und er sei ausgezogen siegend, um zu siegen,
[Off. 6,2] weil er im Siege auch seinen
Anhängern die Macht zu siegen verlieh. Der Brief des Apostels an die Hebräer ist
voll von Siegen heiliger Menschen, welche durch den Glauben
Königreiche bezwangen, ... der Löwen Rachen verstopften, [Hebr. 11,33] u. d. ü. Aus diesen Thatsachen aber, die wir
hier lesen, können wir auf jene Siege schliessen, welche Menschen, die sich
durch Glaube, Hoffnung und Liebe auszeichnen, täglich in den innerlichen und
äusserlichen Kämpfen mit den bösen Geistern erringen; diese sind so zahlreich
und herrlich, dass wir, wenn wir sie sehen könnten, nichts für häufiger, nichts
für herrlicher halten würden; über die Niederlage dieser Feinde schrieb der
heilige Johannes, wie folgt,: Ich schreibe euch, Jünglinge,
weil ihr stark seyd, und das Wort Gottes in euch bleibt, und ihr den Bösewicht
überwunden habet. [1. Joa. 2,14]
XVIII. Wie der Teufel von uns besiegt werden könne.
Der Teufel aber wird besiegt, nicht durch Müssiggang, Schlafen,
Wein, Gastereien und Geilheit; sondern durch Gebet, Arbeit, Wachen,
Enthaltsamkeit, Mässigung der Begierden, Keuschheit. Wachet
und betet, [Matth. 26,41] spricht der Herr,
wie schon gesagt, damit ihr nicht in Versuchung fallet. Die sich solcher Waffen
zu diesem Kampfe bedienen, schlagen die Widersacher in die Flucht; die dem
Teufel widerstehen, vor denen wird er fliehen. [Jak. 4,7]
Doch soll sich in diesen Siegen heiliger Menschen, die wir
anführten, niemand selbst Wohlgefallen, niemand sich zu übermüthig erheben, und
vertrauen, er vermöge durch seine eigenen Kräfte, die feindlichen Versuchungen
und Angriffe der bösen Geister auszuhalten. Das vermag unsere Natur nicht; nicht
die menschliche Schwachheit; sondern allein die Kraft Gottes.
XIX. Wie uns die Kraft zum Siege von Gott verliehen werde.
Diese Stärke, wodurch wir die Gehilfen des Satans niederwerfen,
verleihet uns Gott; der unsere Arme zurichtet, wie einen
ehernen Bogen, durch den der Bogen der Starken überwunden ward, und der die
Schwachen gürtete mit Kraft; [Ps. 171,35]
[1. Reg. 2,4] der
uns den Schutz des Heiles gibt, dessen Rechte uns aufrecht erhält: der unsere Hände den Streit lehret und unsere Finger den Krieg,
[Ps. 17,35] [Ps. 143,1] so dass man Gott allein für den Sieg danken
muss, durch dessen Leitung und Beistand allein wir siegen können. Diess that der
Apostel, da er sprach: Gott aber sey Dank, der uns den Sieg
verliehen hat durch Jesus Christus, unsern Herrn. [I. Cor. 15,57] Den nämlichen Urheber des Sieges preiset
jene himmlische Stimme in der geheimen Offenbarung: Jetzt
ist das Heil und die Kraft und das Reich unsers Gottes und die Macht seines
Gesalbten geworden; denn hinausgeworfen ist der Ankläger unserer Brüder, . . .
und sie haben ihn überwunden durch das Blut des Lammes. [Off. 12,10.11] Das nämliche Buch bezeugt den von Christus
dem Herrn über das Fleisch und die Welt errungenen Sieg: Sie
werden mit dem Lamme streiten, aber das Lamm wird sie überwinden. [Off. 17,14] Dieses nun von der Ursache und Art des
Sieges.
XX. Welche Belohnungen in diesem geistigen Kampfe die Sieger erlangen.
Nach dieser Erklärung sollen die Seelsorger dem gläubigen Volke die
von Gott bereiteten Siegeskronen und die Grösse der den Siegern bestimmten
ewigen Belohnungen vorstellen. Hierüber sollen sie aus der nämlichen geheimen
Offenbarung göttliche Zeugnisse anführen: Wer überwindet,
der soll vom zweiten Tode nicht beschädiget werden; [Apoc. 2,11] und anderswo: Wer
überwindet, wird so mit weissen Kleidern bekleidet werden, und seinen Namen will
ich nicht austilgen aus dem Buche des Lebens, und seinen Namen bekennen vor
meinem Vater und vor seinen Engeln; [Apoc. 3,5]
und kurz hernach spricht Gott unser Herr selbst so zu Johannes: Wer überwindet, den mache ich zu einem Pfeiler im Tempel meines
Gottes, und er wird nicht mehr hinauskommen. [12]
Ferner sagte er: Wer überwindet, dem will ich geben
mit mir auf meinem Throne zu sitzen; gleichwie auch ich überwunden, und mit
meinem Vater auf seinen Thron mich setzte. [21]
Endlich, nachdem er die Herrlichkeit der Heiligen und jene ewige Fülle
der Güter, welche sie im Himmel geniessen werden, aufgezählt hatte, fügte er
bei: Wer überwindet, wird dieses erhalten. [Apoc. 21,7]
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