Vierter Teil - Zehntes Hauptstück - Von der ersten Bitte des Gebetes des Herrn
Geheiliget werde dein Name.
I. Warum wir unsere Wünsche mit der Heiligung des göttlichen Namens beginnen.
1) Die Ordnung der Bitten muss sich nach der Ordnung dessen richten,
wornach man verlangen soll. 2) Vor Allem muss man bitten um das, was eigentlich
zum Ruhme Gottes gehört.
I. Um was man Gott bitten, und in welcher Ordnung diess geschehen
müsse, hat unser Aller Lehrmeister und Herr selbst gelehret. Denn da das Gebet
unsere Meinung und unser Verlangen kund macht und ausspricht, so beten wir dann
recht und vernünftig, wenn die Ordnung der Bitten sich nach der Ordnung dessen
richtet, was wir begehren sollen. Es ermahnet uns aber die wahre Liebe, all
unser Sinnen und Streben auf Gott zu richten, den wir, weil er allein an sich
selbst das höchste Gut ist, mit Recht auf eine vorzügliche und besondere Weise
lieben müssen. Aber man kann Gott nicht von Herzen und allein lieben, wenn man
nicht seine Ehre und seinen Ruhm allen Dingen und Geschöpfen vorzieht.
II. Alle Güter, sowohl die unsrigen, als auch die fremden, und kurz
Alles, was man mit dem Namen Gut belegt, kommen von ihm, und stehen ihm, dem
höchsten Gute, nach. Damit daher unser Gebet in Ordnung fortschreite, so hat
unser Heiland diese Bitte vom höchsten Gute als die erste und vorzüglichste vor
allen übrigen aufgestellt, uns belehrend, dass wir, ehevor wir das, was uns oder
dem Nächsten nöthig ist, verlangen, erst bitten um das, was Gottes Ruhm
betrifft, und Gott selbst unsern Eifer und unser Verlangen nach seiner Ehre
vortragen sollen. Hiedurch erfüllen wir die Pflicht der Liebe, die uns
anweiset,
Gott mehr als uns selbst zu lieben, und zuerst um das zu bitten, was wir für
Gott wünschen, hernach um das, was wir für uns begehren.II. Da die göttliche Natur durch nichts bereichert werden und an nichts Mangel leiden kann, warum war es dann nothwendig, hier um die Heiligung des Namens Gottes zu bitten.
Da wir solche Dinge wünschen und bitten, die uns mangeln, und bei
Gott, das heisst, bei seiner Natur, kein Zuwachs möglich ist, und die göttliche
Wesenheit, welche auf Unbegreifliche Weise mit aller Vollkommenheit erfüllet
ist, durch nichts bereichert werden kann; so muss man wissen, dass das, um was
wir Gott für Gott selbst bitten, äusserlich sey, und die äussere Verherrlichung
Gottes betreffe. Wir verlangen und bitten dadurch, dass Gottes Name bei allen
Nationen bekannter, dass sein Reich ausgebreitet werde, und dass täglich mehrere
dem göttlichen Wesen gehorchen; und diese drei, Name, Reich, Gehorsam, sind
nicht in dem innersten Gut Gottes, sondern werden änsserlich angenommen.
III. Wie man diese erste Bitte verstehen müsse, und welche Wünsche wir nach dem Willen Christi Gott dem Vater darbringen sollen.
Allein damit man deutlicher erkenne, was diese Bitten enthalten und
bedeuten, soll der Seelsorger das gläubige Volk lehren, dass jene Worte: Wie im
Himmel, also auch auf Erden, auf jede einzelne der drei ersten Bitten bezogen
werden können; nämlich Geheiliget werde dein Name, wie im Himmel, also auch auf
Erden; ebenso: Zukomme uns dein Reich, wie im Himmel, also auch auf Erden; und:
Dein Wille geschehe, wie im Himmel, also auch auf Erden. Wenn wir aber bitten,
dass der Name Gottes geheiliget werde, so denken wir dabei, dass die Heiligkeit
und der Ruhm des göttlichen Namens vermehrt werden möchte. Hier soll der
Seelsorger bemerken, und die andächtigen Zuhörer belehren, der Heiland sage
damit nicht, dass der Name Gottes auf Erden auf die nämliche Weise geheiliget
werden soll, wie im Himmel, das heisst, dass die Heiligung auf Erden der
himmlischen an Grösse gleichkomme; denn das ist jedenfalls unmöglich; sondern er
will sagen, es soll diess aus Liebe, aus dem innigsten Seeleneifer
geschehen.
IV. Wie der Name Gottes, der an sich heilig ist, von uns geheiliget werden könne.
Obwohl es ganz wahr ist, dass der göttliche Name an sich keiner
Heiligung bedürfe, da er heilig und schrecklich ist, gleichwie Gott selbst
seiner Natur nach heilig ist, und ihm keine Heiligkeit zuwachsen kann, die er
nicht schon von Ewigkeit her besass: weil aber Gott doch auf Erden weit minder
geehret wird, als es seyn sollte, ja weil er manchmal sogar durch Fluchen und
gotteslästerliche Reden beleidiget wird, so wünschen und bitten wir desswegen ,
dass er durch Lob, Ehre und Ruhm gepriesen werde, nach dem Beispiele der
Lobpreisungen, der Ehre und des Ruhmes, die ihm im Himmel erwiesen werden, das
heisst, dass seine Verehrung und Anbetung so im Herzen, im Gemüthe und im Munde
herrsche, dass wir ihm mit aller innern und äussern Verehrung anhangen, und den
erhabenen, reinen und glorreichen Gott gleich den höhern und himmlischen
Geistern lobpreisend verherrlichen. Denn wie die Himmelsbewohner innigst vereint
Gott loben und preisen, ebenso bitten wir, diess möge auch auf Erden geschehen,
und alle Völker möchten Gott erkennen, anbeten und verehren; es mag da kein
Sterblicher sich finden, der nicht die christliche Religion annähme, sich ganz
Gott weihe, und glaube, dass aus ihm alle Heiligkeit ausströme, und dass nichts
rein und heilig sey, was nicht aus der Heiligkeit des göttlichen Namens seinen
Ursprung hat.
V. Wie es möglich sey, dass der Name Gottes bei den Ungläubigen heilig seyn könne.
Der Apostel bezeugt, die Kirche sey gereinigt
in der Wassertaufe durch das Wort des Lebens. [Ephes. 5,26] Das Wort des Lebens aber bedeutet den Namen
des Vaters, und des Sohnes und des heiligen Geistes, in dem wir getauft und
geheiliget werden. Weil demnach keiner ausgesühnet, gereinigt und schuldlos
gemacht werden kann, über den nicht der göttliche Name angerufen worden ist, so
wünschen wir und bitten Gott, dass das ganze Menschengeschlecht die Finsternisse
der unreinen Unglaubigkeit verlassen, und von den Strahlen des göttlichen
Lichtes erleuchtet, die Kraft dieses Namens so anerkennen möchte, dass es darin
die wahre Heiligkeit suche, im Namen der heiligen und untheilbaren Dreieinigkeit
das Sakrament der Taufe durch die Hand Gottes selbst empfange, und vollkommene
Heiligkeit erlange.
VI. Wie der Name Gottes an den Sündern geheiliget werden könne.
Es betrifft aber unser Wunsch und Verlangen nicht minder auch die,
welche von Sünden und Lastern befleckt, die Reinheit der Taufe und das Kleid der
Unschuld verloren haben; woher geschah, dass in diesen Unglückseligen der
unreine Geist wiederum seinen Wohnsitz aufschlug. Wir wünschen also und bitten
Gott, dass auch an ihnen sein Name geheiliget werde; dass sie sich im Herzen
bekehren, zur Heiligkeit zurückkehren, durch das Sakrament der Busse ihre vorige
Heiligkeit wieder herstellen, und sich Gott als ein reiner und heiliger Tempel
und Wohnort darbringen.
VII. Wie alle Mengchen an sich den Namen Gottes heiligen können.
Endlich beten wir, dass Gott mit seinem Lichte Aller Herzen
erleuchten möge, damit sie erkennen, dass jede gute Gabe und
jedes vollkommene Geschenk von Obenherab sey,vom Vater der Lichter; [Jak. 1,17] dass sie Mässigkeit, Gerechtigkeit, Leben,
Heil, endlich alle äussern, zum Leben gehörigen und heilsamen Güter des Leibes
und der Seele Ihm verdanken, von dem, wie die Kirche ausruft, alles Gute
ausfliesst. Wenn die Sonne durch ihr Licht, wenn die übrigen Gestirne durch ihre
Bewegung und ihren Lauf dem Menschengeschlecht einen Nutzen verschaffen, wenn
wir durch die ausströmende Luft erhalten werden, wenn die Erde durch Ueberfluss
an Getreide und Früchten das Leben aller Menschen nähret, wenn wir durch die
Bemühung der Obrigkeiten Ruhe und Sicherheit gemessen, so ist es Gottes
unendliche Güte, die uns diese und dergleichen zahllose Güter verleihet. Ja
sogar, was die Philosophen untergeordnete Ursachen nennen, müssen wir als
wunderbar gebildete und zu unserem Gebrauche eingerichtete Hände Gottes
erklären, mit welchen er uns seine Güter austheilet und weit und breit
spendet.
VI. Wie vorzüglich durch die Anerkennung und Verehrung der katholischen Kirche der Name Gottes geheiliget werde.
Der vorzüglichste Inhalt dieser Bitte aber besteht darin, dass alle
Menschen die heiligste Braut Jesu Christi, und unsere Mutter die Kirche
anerkennen und verehren möchten; denn in ihr allein ist jene herrliche und ewige
Quelle zur Abwaschung und Austilgung alles Unrathes der Sünden, aus ihr werden
alle Sakramente des Heiles und der Heiligmachung geschöpft, durch welche
gleichsam mit himmlischen Röhren uns von Gott jener Thau und jene Flüssigkeit
eingegossen wird; welcher allein, und denen, die sie in ihrem Busen und Schoosse
umfasst, es zusteht, jenen göttlichen Namen anzurufen, der
allein unter dem Himmel den Menschen gegeben ist, wodurch wir selig werden.
[Act. 4,12]
IX. Wie heutzutage von den Christen der Name Gottes geschändet werde.
1) Von den Christen , welche durch Thnten den Namen Gottes schänden und
herabwürdigen. 2) Man soll die Menschen durch Tugenden aufmuntern, den Namen
Gottes zu heiligen.
I. Die Seelsorger sollen besonders diess nachdrücklich einschärfen:
es sey die Pflicht eines guten Kindes, Gott Vater nicht blos mit Worten
anzubeten, sondern sich auch wirklich und durch Handlungen zu bestreben, dass an
ihm die Heiligung des göttlichen Namens hervorleuchte. Möchte es nicht solche
geben, welche beständig um diese Heiligung des Namens Gottes bitten, ihn aber
durch Thaten, soviel sie können, beleidigen und verunehren; aus deren Schuld
manchmal sogar Gott selbst gelästert wird! Von diesen sagte der Apostel: Der Name Gottes wird euerthalben gelästert unter den Heiden.
[Röm. 2,24] Und beim Ezechiel lesen wir:
Und sie kamen unter die Heiden, zu denen sie gezogen waren,
und entheiligten meinen heiligen Namen, weil man von ihnen sagte: das ist das
Volk des Herrn, sie sind aus seinem Lande gezogen. [Ezech. 36,20] Denn wie der Lebenswandel und die Sitten
derjenigen beschaffen sind, welche eine Religion bekennen , so pflegt die
unerfahrene Menge über die Religion selbst, und den Stifter dieser Religion zu
urtheilen. Die demnach nach der christlichen Religion leben, und ihr Gebet und
ihre Handlungen nach ihren Vorschriften einrichten, geben anderen eine grosse
Veranlassung, den Namen des himmlischen Vaters zu loben, und mit aller Ehre und
allem Ruhme zu preisen.
II. Uns hat der Herr selbst diese Pflicht auferlegt, dass wir durch
leuchtende Tugendübungen die Menschen zum Lobe und Preise des göttlichen Namens
aneifern sollen. Daher redet, uns der Herr beim Evangelisten so an: So leuchte euer Licht vor den Menschen, auf dass sie eure guten
Werke sehen, und euren Vater preisen, der im Himmel ist. [Matth. 5,16] Und der Apostelfürst: Führet einen guten Wandel unter den Heiden , damit sie eure guten
Werke sehen, und Gott preisen. [I. Petr. 2,12]
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