Dritter Theil - Achtes Hauptstück
Vom siebenten Gebote - Du sollst nicht stehlen.
.
I. Wie gross die Vortrefflichkeit dieses Gebotes sey, und in welchem Zusammenhange es mit den zwei vorhergehenden stehe.
1) Nutzen dieser Lehre. 2) Wie sehr Gott besorgt sey, damit die
Menschen ein ruhiges und von allen Unbilden freies Leben führen.
I. Dass es eine alte Sitte der Kirche war, die Bedeutung und den
Inhalt dieses Gebotes den Zuhörern einzuschärfen, beweiset jene Zurechtweisung
des Apostels an die, welche andere besonders von jenen Lastern abschrecken
sollten, mit denen sie selbst überhäuft waren. Denn, sagte er, wie belehrest du einen andern, und dich selbst belehrest du nicht,
predigest nicht zu stehlen, und stiehlst? [Röm.
2,21] Durch den Nutzen dieser Lehre verhüteten sie nicht allein eine
gewöhnliche Sünde jener Zeiten, sondern sie stillten auch Aufruhr und
Streitigkeiten, und andere Ursachen von Uebeln, welche der Diebstahl
hervorzubringen pflegt. Da auch unser Zeitaller an denselben Sünden sowohl, als
auch den Nachtheilen und Drangsalen dieser Sünden jammervoll leidet: so sollen
nach dem Beispiele der heiligen Väter und Lehrer der christlichen Zucht, die
Seelsorger diesen Gegenstand sehr eifrig behandeln, und beständig und sorgfältig
den Inhalt und die Bedeutung dieses Gebotes erklären.
II. Vor Allem sollen sie ihr Ansehen und ihren Fleiss darauf
verwenden, die unendliche Liebe Gottes gegen das Menschengeschlecht darzulegen,
da er nicht nur durch jene zwei Verbote, Du Solist nicht tödten . . Nicht
ehebrechen, unsern Leib und unser Leben, unsern Ruf und unsere Ehre, gleichsam
mit Schutzwehren umgibt, sondern auch durch dieses Gebot, Du sollst nicht
stehlen, die äussern Güter und das Vermögen gleichsam durch eine Wache beschützt
und vertheidigt.
II. Was dieses Gebot für eine Bedeutung habe.
Was soll nun dieses Gebot anders bedeuten, ausser das, was wir oben
sagten, als wir von den andern Geboten sprachen? Nämlich Gott verbiete, dass
diese unsere Güter, die unter seinem Schuze stehen, von irgend Jemanden
entwendet oder verletzt werden. Je grösser diese Wohlthat des göttlichen
Gesetzes ist, desto dankbarer müssen wir gegen Gott den Urheber
dieser Wohlthat
für uns seyn. Und weil unsere grösste Dankbarkeit darin besteht, dass wir nicht
nur seine Gebote gerne vernehmen, sondern sie auch durch die That billigen; so
sollen die Gläubigen zur Beobachtung dieser gebotenen Pflicht aufgemuntert und
angeeifert werden.
Dieses Gebot aber zerfällt, wie die vorigen, in zwei Theile, von
denen der eine deutlich ausspricht, was der Diebstahl verbiete; die Bedeutung
und der Inhalt des andern, wodurch uns befohlen wird, gegen die Nebenmenschen
gütig und freigebig zu seyn, ist im ersten verborgen enthalten. Vom ersten nun
soll zuerst gesprochen werden: Du sollst nicht stehlen
III. Was der Gesetzgeber durch das Wort Diebstahl ausdrücken wolle.
Hiebei ist zu beachten , dass man unter dem Ausdrucke Diebstahl
nicht nur das verstehe, wenn etwas heimlich wider den Willen des Herrn entwendet
wird, sondern auch wenn man ein fremdes Gut gegen den Willen des Herrn, der es
weiss, besitzt; ausser man müsste etwa der Meinung seyn, dass der, welcher den
Diebstahl verbietet, den mit Gewalt und Unrecht vollbrachten Raub nicht
missbillige; da doch der Apostel sagt: Räuber werden das
Reich Gottes nicht besitzen; [1. Cor. 6,10]
derselbe Apostel schreibt, dass man allen Umgang und alle Gemeinschaft
mit solchen fliehen soll. [1.
Cor. 5,11] Jedoch Räubereien sind ein grösseres Verbrechen, als der
Diebstahl, da sie ausser der Sache, die sie Jemandem wegnehmen, auch noch
Gewalttätigkeit zufügen, und mit grösserer Schande brandmarken.
IV. Warum hat hier Gott vielmehr des Diebstahles als des Raubes Erwähnung gethan, da er jede ungerechte Anmassung einer fremden Sache verbietet?
Man darf sich nicht wundern, warum dieses Gebot des göttlichen
Gesetzes mit dem mildern Namen Diebstahl, und nicht mit Raub, bezeichnet ist;
diess geschah aus einem wichtigen Grunde, weil der Diebstahl eine weitere
Bedeutung hat, und mehreres betrifft, als der Ausdruck Raub, den nur jene
unternehmen können, die an Macht und Stärke andere übertreffen. Jedoch sieht
jedermann, dass durch das Verbot der geringern Vergehungen dieser Art, auch
schwerere Verbrechen verboten seyen.
V. Es werden die Arten des Diebstahls, im weitern Sinne genommen, aufgezählt.
Der ungerechte Besitz und Gebrauch fremder Sachen wird mit
verschiedenen Namen bezeichnet, je nach der Verschiedenheit dessen, was wider
Willen und Wissen der Eigenthümer entwendet wird; denn wenn einem Privatmanne
heimlich etwas genommen wird, heisst es Diebstahl; wird es aus einer Staatskasse
gestohlen, so heisst es Unterschlagung, Kassadiebstahl; Menschenraub, Plagiat
nennt man es, wenn ein freier Mensch, oder ein fremder Sklave, in die Sklaverei
abgeführt wird; wenn aber eine heilige Sache entwendet wird, so heiss man diess
Gottesraub, welches abscheuliche und lästerliche Verbrechen so zur Gewohnheit
wurde, dass man Güter, welche nur allein zum heiligen Dienste und für die Diener
der Kirche und zum Gebrauche der Armen fromm und weise bestimmt waren, zur
Befriedigung eigener Begierden und schändlicher Lust verwendet.
VI. Dieses Gebot übertreten nicht blos jene, die wirklich fremdes Eigenthum besitzen.
Ausser dem Diebstahle selbst, d. h. der äussern Handlung, ist auch
die Neigung und der Wille zu stehlen durch das göttliche Gesetz verboten. Denn
es ist ein geistiges Gesetz, das sich auf die Seele, die Quelle der Gedanken und
Entschlüsse bezieht. Denn aus dem Herzen, spricht der Herr,
kommen die bösen Gedanken, Todschläge, Ehebrüche, Hurereien, Diebstähle, falsche
Zeugnisse, Gotteslästerungen. [Matth. 15,19]
VII. Wornach man vorzüglich die Grösse eines Diebstahls bemessen könne.
Welch ein schweres Verbrechen der Diebstahl sey, zeigt deutlich der
Begriff und die Art seiner Natur; denn er ist der Gerechtigkeit entgegengesetzt,
welche Jedem das Seinige zutheilt. Die Verteilungen und Zuweisungen von Gütern,
die schon vom Anfange her durch das Völkerrecht festgesetzt, und sogar von
göttlichen und menschlichen Gesetzen bestätigt wurden, müssen geachtet werden,
so dass, wenn wir nicht die menschliche Gesellschaft aufheben wollen, jeder das
behält, was ihm von Rechtswegen zugefallen ist. Der Apostel sagt: Weder Diebe, noch Geizige, noch Säufer, noch Lästerer, noch Räuber
werden das Reich Gottes besitzen. [1. Cor. 6,10]
Die Ungerechtigkeit und Grausamkeit dieses Lasters beweisen auch die
vielen Folgen des Diebstahles. Denn es werden über Viele manche freventliche und
unüberlegte Urtheile gesprochen, es entstehen Hass, Feindschaften, bisweilen die
härtesten Verurteilungen unschuldiger Menschen.
VIII. Wie das Gestohlene nothwendig zurückgegeben werden müsse.
Notwendigkeit und Schwierigkeit der Zurückgabe.
Was sollen wir über die Notwendigkeit sagen, welche von Gott Allen
aufgelegt ist, dem Ersatz zu, leisten, welchem etwas entwendet worden ist? Der
heil. Augustin sagt: Es wird die Sünde nicht nachgelassen, wenn das Gestohlene
nicht zurückgegeben wird. Wie schwer aber diese Zurückgabe sey, wenn sich Jemand
angewöhnet hat, sich mit fremdem Gute zu bereichern, kann man ausserdem, dass
Jeder aus dem Umgange mit andern und aus eigenem Urtheile es bemessen mag, aus
dem Zeugnisse des Propheten Habakuk kennen lernen; denn er sagt: Wehe dem, der aufhäuft, was nicht sein ist! Auf wie lange! Er
häuft dichten Koth für sich [2,6]
Er nennt den Besitz fremder Sache dichten Koth, woraus sich die
Menschen schwerlich hinausarbeiten und befreien können. Es gibt aber so viele
Arten von Diebstahl, dass ihre Aufzahlung sehr schwer ist. Daher mag es genug
seyn, hier von den zwei Arten, dem Diebstahle und Raube, gesprochen zu haben,
auf welche sich, als auf die Hauptarten, alle übrigen, von denen wir reden
werden, beziehen. Um ihre Abscheulichkeit zu zeigen, und das glaubige Volk von
dieser Lasterthat abzuschrecken, sollen die Seelsorger alle Mühe und Sorgfalt
aufwenden. Doch wir wollen die Abtheilungen dieser Art durchgehen.
IX. Welches die Hauptarten von Diebstählen seyen, und wer unter die Diebe gerechnet werden müsse.
Diebe sind also auch jene, die gestohlene Sachen kaufen, oder auf
irgend eine Weise gefundene, unrechtlich in Besitz genommene, oder weggenommene
Sachen zurückbehalten. Der h. August in sagt: [Lib. 50. hom. 9. et de verb. Apost. serm. 109.] Wenn du
etwas gefunden hast, und nicht zurückgibst, so hast du einen Raub begangen. Kann
man aber den Eigenthümer der Sachen auf keine Weise erforschen, so soll man jene
Güter für die Armen verwenden. Wer nicht dazugebracht werden kann, das
Gestohlene zurückzugeben, beweist dadurch deutlich, dass er allenthalben alles
stehlen würde, wenn er könnte. Des nämlichen Verbrechens machen sich schuldig,
welche beim Kaufe und Verkaufe von Sachen betrügen und lügen; der Herr wird ihre
Betrügereien rächen. Grösser und schwerer versündigen sich bei dieser Art von
Diebstählen jene, welche falsche und verdorbene Waaren für ächte und frische
verkaufen, oder durch Gewicht, Maass, Zahl und Elle die Käufer betrügen. Im
Deuteronnmium heisst es: Du sollst nicht zweierlei Gewicht
in deinem Sacke haben, ein grösseres und ein kleineres; [Deut. 25,13] und im Leviticus: Ihr
sollt kein Unrecht thun im Gericht, in der Elle, im Gewicht, im Maass. Richtige
Wage, richtige Gewichte, richtiges Schäffel, und richtiges Maass. [Lev. 19,35.36.] Und anderswo: Ein
Gräuel ist bei dem Herrn doppeltes Gewicht; eine falsche Wage ist nicht gut.
[Prov. 26,23] Es stehlen auch offenbar die
Handwerker und Künstler, die von denen den ganzen und ungeschmälerten Lohn
fordern, denen sie nicht die bedungene und schuldige Arbeit geleistet haben.
Auch unterscheiden sich nicht von den Dieben ungetreue Diener ihrer Herren und
ungetreue Verwalter von Gütern; ja sie sind um so verabscheuungswürdiger, als
andere Diebe, vor denen man zusperrt, weil vor einem diebischen Diener nichts im
Hause verschlossen werden kann. Einen Diebstahl begehen ferner die, welche durch
erdichtete oder geheuchelte Reden und Lügen Geld erpressen; und ihre Sünde ist
um so schwerer, weil sie zum Diebstahle auch die Lüge häufen. Auch jene sind
unter die Diebe zu rechnen, welche zu einem Privat- oder öffentlichen Dienste
gedungen sind, und sich keine oder nur geringe Mühe geben, ihren Dienst
vernachlässigen, und nur den Lohn und Nutzen geniessen. Die übrige Menge von
Diebstählen, welche der geschäftige Geiz, der alle Wege, sich Geld zu
verschaffen, weiss, ausgedacht hat; aufzuzählen wäre, wie wir schon sagten, zu
lange und sehr schwierig.
X. Welches die Arten von Raub seyen, und welche Räuber genannt werden.
Ehevor aber von dem Raube, welcher die zweite Hauptart dieser
Sünden ist, geredet wird, soll der Seelsorger das christliche Volk ermahnet,
jenes Ausspruches des Apostels eingedenk zu seyn: Die reich
werden wollen, fallen in Versuchung und Fallstriche des Teufels. [1. Tim. 6,9] Auch soll er ihnen nirgends dieses Gebot
entfallen lassen: Alles, was ihr wollet, das euch die Leute
thun, das sollt ihr ihnen thun. [Matth. 7,12]
Ferner sollen sie beständig daran denken: Siehe, dass
du niemals einem andern thust, was du nicht willst, dass dir von einem andern
widerfahre. [Tob. 4,16] Der Raub hat also
einen weitern Umfang; denn wer den Taglöhnern den schuldigen Lohn nicht
ausbezahlt, ist ein Räuber; diese ermahnt, der h. Jakobus mit folgenden Worten
zur Busse: Wohlan nun ihr Reichen, weinet und heulet über
euer Elend, das über euch kommen wird. [Jak. 5,1]
Diesem fügt er die Ursache der Busse bei: Siehe, der
Lohn der Arbeiter, die eure Felder eingeerndtet haben, welcher von euch
vorenthalten worden, schreiet; und ihr Geschrei ist zu den Ohren des Herrn der
Heerschaaren ackommen. [Jak. 5,4] Diese Art
von Raub wird im Levitikus [19,13] , Deuteronomium [24,14] , beim Malachias [3,15] und Tobias [4,15] heftig gerügt. In dieses Verbrechen des Raubes sind
auch jene verwickelt, welche den Vorstehern von Kirchen und den Obrigkeiten die
schuldigen Zölle, Steuern, Zehenten und das übrige dergleichen nicht bezahlen,
oder unterschlagen, oder an sich ziehen.
XI. Wucher treiben heisst einen Raub begehen, und wie schwer dieses Laster sey.
Hieher gehören auch die Wucherer, die ärgsten und widerlichsten
unter den Räubern, welche das arme Volk durch Wucher ausplündern und zu Grunde
richten. Wucher aber ist, was man über die Summe und das Kapital, das man
gegeben hat, annimmt; sey es um Geld, oder was man um Geld kaufen und darnach
schätzen kann. Denn beim Ezechiel steht geschrieben: der
Wucher und Daraufgabe nicht nimmt, [18,17]
und der Herr sagt bei Lukas: Leihet, ohne etwas dafür
zu hoffen. [6,35] Dieses Laster hielt man
immer für sehr gross, auch bei den Heiden sogar war es sehr verhasst. Daher sagt
Ambrosius: Was heisst wuchern? Was einen Menschen morden. Denn die wuchern,
verkaufen das nämliche zweimal, oder sie verkaufen, was nicht ist.
XII. Bestechliche Richter und Betrüger der Gläubiger begehen Raub.
Ebenso begehen Raub feile Richter, welche ihre Richtersprüche
verkaufen, und durch Geld und Geschenke bestochen, die gerechteste Sache der
Schwächern oder Armen verkehren. Die Betrüger der Gläuhiger, und die die Schuld
wegläugnen, und die eine Frist zum Zahlen bestimmen, und auf ihren oder fremden
Credit Waaren einkaufen, aber nicht Wort halten, sind ebenfalls des Verbrechens
des Raubes schuldig; ihr Vergehen ist sogar grösser, weil die Kaufleute,
veranlasst durch ihre Wortbrüchigkeit und Betrügerei, aum grossen Nachtheile der
Bürgerschaft, alles theurer verkaufen. Auf solche scheint jener Ausspruch Davids
zu passen: Es wird borgen der Sünder, und nicht bezahlen.
[Ps. 36,21]
XIII. Die Reichen, welche durch Auspfändung die Armen unterdrücken, werden unter die Räuber gezählt.
Was sollen wir von jenen Reichen sagen, welche von denen, die nicht
im Stande zu zahlen sind, was sie zu leihen genommen haben, mit Strenge
eintreiben, und gegen das Verbot Gottes sogar pfandweise ihnen wegnehmen, was
zur Erhaltung ihres Leibes nothwendig ist? Der Herr spricht: Wenn du von deinem Nächsten das Oberkleid zum Pfände genommen,
sollst du es ihm vor Sonnenuntergang wieder zurückgeben. Denn es ist sein einzig
Kleid, damit sein Leib bedeckt wird, und er hat kein anderes, darin er schlafe;
wird er zu mir schreien, so will ich ihn erhören, denn ich bin barmherzig.
[Exod. 22,26.27] Die Strenge solcher Menschen
bei Eintreibung von Schuld-Forderungen nennen wir mit Recht Raubsucht, und daher
Raub.
XIV. Welche bei einer Hungersnoth das Getreide zurückhalten, sind Räuber.
In die Zahl derjenigen, die von den heiligen Vätern Räuber genannt
werden, gehören die, welche bei einem Fruchtmangel das Getreide zurückhalten,
und bewirken, dass durch ihre Schuld der Getreidepreis höher und drückender
werde; diess gilt auch von allen zur Nahrung und zum Leben nothwendigen Sachen;
solche trifft der Fluch Salomons: Wer Korn verbirgt, wird
verflucht unterm Volk. [Prov. 11,26] Die
Seelsorger sollen sie über ihre Verbrechen zur Rede stellen, freimüthig
anklagen, und ihnen die auf ihre Sünden gesetzten Strafen weitlläufiger
auseinander setzen. So viel nun von dem, was verboten ist; jetzt kommen wir zu
dem, was geboten ist, worin die Genügthuuug oder Zurückerstattung den ersten
Platz einnimmt. Denn die Sünde wird nicht nachgelassen, wenn das Gestohlene
nicht zurückgegeben wird.
XV. Welche zur Zurückgabe verbunden seyen.
Aber weil nicht nur der, welcher einen Diebstahl begangen hat, dem,
welchem er gestohlen hat, das Gestohlene zurückerstatten muss, sondern überdiess
alle, welche am Diebstahle Theil genommen haben, durch dieses Gesetz zur
Rückerstattung verbunden sind, so muss dargelegt werden, wer jene seyen, welche
der Notwendigkeit Ersatz zu leisten und zurückzuerstatten nicht entgehen können.
Dergleichen Menschengattungen sind mehrere. Die erste ist jene, welche zu
stehlen befehlen, und diese sind nicht nur selbst Theilnehmer und Urheber der
Diebstähle, sondern sie sind die abscheulichsten aller Diebe. Die zweite Gattung
ist der vorigen an Willen gleich, an Macht aber ungleich, jedoch zum nämlichen
Grade von Dieben zu zählen, und dazu gehören jene, welche, da sie nicht befehlen
können, zu Diebstählen rathen und antreiben. Der dritten Gattung sind jene,
welche mit den Dieben übereinkommen. Zur vierten Gattung gehören die, welche an
Diebstählen theilnehmen, und daraus Gewinn ziehen; wenn man das Gewinn nennen
kann, was ihnen, wenn sie sich nicht bekehren, die ewige Pein zuzieht. Von
solchen spricht David: Sähest du einen Dieb, so liefest du
mit ihm. [Ps. 49,18] Die fünfte Gattung von
Dieben sind die, welche, da sie Diebstähle verhindern könnten, weit entfernt
sind, ihnen entgegenzutreten und zu widerstehen, dass sie vielmehr denselben
volle Freiheit lassen und sie gestatten. Die sechste Gattung ist die derjenigen,
welche, obgleich sie sowohl vom geschehenen Diebstahle, als auch wo er geschehen
ist, gewiss wissen, die Sache doch nicht anzeigen, sondern sich stellen, als
wüssten sie nichts davon. Die letzte Gattung umfasst alle Mithelfer zu
Diebstählen, Hehler, Beschützer, und welche ihnen Aufenthalt und Wohnung
verschaffen; alle diese müssen denen, welchen etwas entzogen worden ist, Ersatz
leisten, und sind zu dieser unerlässlichen Pflicht dringend anzumahnen. Von
diesem Laster sind nicht einmal jene gänzlich frei, welche den Diebstahl
gutheissen und loben. Auch sind dieser Sünde nicht fremd Söhne, und Eheweiber,
die ihren Vätern und Männern heimlich Geld nehmen.
XVI. Was von den Almosen, welche hier stillschweigend ebenfalls vorgeschrieben werden, zu denken sey.
Von den Werken der Barmherzigkeit durch Almosen gegen die Armen.
Nothwendigkeit des Almosengehen.
In diesem Gebote liegt auch der Auftrag, dass wir uns der Armen und
Dürftigen erbarmen sollen, und ihrer Noth und Bedrängniss durch unser Vermögen
und unsere Hilfeleistung abhelfen. Weil dieser Gegenstand sehr oft und
weitläufig behandelt zu werden verdient, sollen die Seelsorger aus den Büchern
der heiligen Männer, des Cyprian, Johannes, Chrysostomus, Gregor von Nazianz und
anderer, welche über das Almosen wunderschön geschrieben haben, dasjenige
entnehmen, wodurch sie dieser Amtspflicht Genüge leisten. Denn die Gläubigen
müssen zum Eifer und zur Bereitwilligheit angefeuert werden, dass sie denen zu
Hilfe kommen, welche von fremder Barmherzigkeit leben müssen. Sie sollen aber
auch belehret werden, wie nothwendig das Almosengeben sey, nämlich dass Wir
wirklich und in der That gegen die Dürftigen freigebig seyen, aus jenem sehr
wahren Grunde, weil am Tage des jüngsten Gerichtes Gott diejenigen verfluchen,
und in's ewige Feuer Verstössen wird, welche die Pflichten des Almosengebens
unterlassen und vernachlässigt haben; aber jene beloben und in's himmlische
Vaterland einführen wird, welche den Armen Wohlthaten erwiesen haben. Beide
Aussprüche hat Christus der Herr selbst gethan: Kommet, ihr
Gesegneten meines Vaters, besitzet das Reich, welches seit Grundlegung der Welt
euch bereitet ist, [Matth. 25,34.41] und:
Weichet von mir, ihr Verfluchten, in das ewige Feuer.
XVII. Wie das Volk zum Almosengeben angeeifert werden soll.
Die Priester sollen überdiess jene zur Ueberredung geeigneten
Stellen anwenden: Gebet, und es wird euch gegeben werden.
[Luc. 6,38] Sie sollen vorbringen die
Verheissung Gottes, das ausführlichste und herrlichste, das nur gedacht werden
kann: Niemand ist, der verlässt ... der nicht
Hundertfältiges dafür erhält, jetzt in dieser Zeit ... und in der zukünftigen
Welt das ewige Leben. [Marc. 16,29.30] Sie
sollen beifügen, was Christus der Herr gesagt hat? Machet
euch Freunde mittelst des ungerechten Reichthums, damit, wenn es mit euch zu
Ende geht, sie euch in die ewigen Wohnungen aufnehmen. [Luc. 16,9]
Sie sollen auch die Theile dieser nothwendigen Pflicht auslegen,
dass die, welche den Dürftigen nichts reichen können, um ihnen Unterhalt zu
verschaffen, doch nach der Vorschrift Christi des Herrn den Armen darleihen
sollen: Leihet, ohne etwas dafür zu hoffen. [Luc. 6,35] Die Glückseligkeit dieser Sache drückte der
heilige David so aus: Glückselig der Mann, der Mitleiden
hat, und leihet. [Ps. 111,5]
XVIII. Um Almosen zu geben, und den Müssiggang zu meiden, muss man arbeiten.
Es ist eine Pflicht der christlichen Frömmigkeit, wenn man sonst
kein Vermögen hat, sich um jene wohl verdient zu machen, die zu ihrer Erhaltung
fremder Barmherzigkeit benöthiget sind, auch den Müssiggang zu meiden, und durch
Anstrengung, Arbeit und Handlohn das zu erwerben, wodurch man die Dürftigkeit
der Armen erleichtern kann. Dazu ermahnet Alle durch sein Beispiel der Apostel
im Briefe an die Thessaloniker mit den Worten: Denn ihr
selbst wisset, wie ihr uns nachahmen sollet. [II.
Tess. 3,7] Ferner an dieselben: Bestrebet euch, ein
stilles Leben zu führen, euer eigen Geschäft zu treiben, mit euren eigenen
Händen zu arbeiten, wie wir es euch befohlen haben. [I. Tess. 4,11] Und an die Epheser: Wer gestohlen hat, stehle nicht mehr, sondern arbeite vielmehr,
und wirke mit seinen Händen Gutes, damit er habe, um dem, der Mangel leidet,
mitzutheilen. [Eph. 4,28]
XIX. Man muss sparsam leben, um die Noth Anderer zu erleichtern.
Man muss auch für Mässigkeit Sorge tragen, und fremde Güter
schonen, damit wir Andern nicht beschwerlich und lästig sind; diese Mässigkeit
leuchtet wahrlich bei allen Aposteln hervor, aber insbesondere zeichnet sich der
heilige Paulus aus, der an die Thessaloniker schrieb: Ihr
erinnert euch, Brüder, unserer Mühe und Beschwerde, wie wir Tag und Nacht
arbeiteten, um Keinem von euch beschwerlich zu fallen, da wir euch das
Evangelium Gottes predigten. [i. Tess. 2,9]
Der nämlicehe Apostel schreibt an einer andern Stelle: Wir haben gearbeitet Tag und Nacht, um Niemanden unter euch lästig
zu seyn. [II. Tess. 3,8]
XX.Durch welche Gründe das christliche Volk zur Verabscheuung der Diebstähle, und zum Eifer in der Wohlthätigkeit bewogen werden soll.
1) Wie abscheulich Diebstahl und Raub sey. 2) Diebstähle und Räubereien
sind die nicht geringsten Ursachen öffentlicher Drangsale.
I. Damit aber das gläubige Volk vor jeder Art dieser Lasterthaten
einen Abscheu fasse, so sollen die Seelsorger aus den Propheten und den übrigen
göttlichen Büchern die Verwünschungen von Diebstählen und Räubereien entnehmen,
und die furchtbaren von Gott gegen jene ausgesprochenen Drohungen, die solche
Laster begehen. Der Prophet Amos ruft: Höret das, die ihr
die Armen zertretet, und aussauget die Dürftigen des Landes, sprechend: Wann ist
der Neumond vorüber, dass wir unsere Waaren verkaufen, und der Sabbath, dass wir
Getreid aufthun? Dass wir das Maas verkleinern, und den Seckel vergrössern, und
falsches Gewicht unterschieben? [Amos. 8,4.5]
II. Vieles von demselben Inhalte findet sich beim Jeremias, in den
Sprüchwörtern und beim Ecclesiastikus. Auch darf man nicht zweifeln, dass diese
Samen Von Uebeln, wodurch unser Zeitalter gedrückt wird, grossentheils aus
diesen Ursachen entstehen. Damit sich aber die Christen gewöhnen, Dürftigen und
Bettlern Freigebigkeit und Güte zu erzeigen, was zum zweiten Theile dieses
Gebotes gehört, so sollen die Seelsorger die grossen Belohnungen vorstellen,
welche Gott den Wohlthätigen und Freigebigen sowohl in diesem, als auch im
andern Leben geben zu wollen verspricht.
XXI. Was von jenen zu halten sey, die ihre Diebstähle und Kirchenraub mit leerem Vorwande entschuldigen.
Diebstahl und Raub lässt sich bei Gott auf keine Weise
entschuldigen.
Weil es nicht an solchen fehlt, welche sogar ihre Diebstähle
entschuldigen; so sind sie zu erinnern, dass Gott keine Entschuldigung ihrer
Sünde annehmen werde; es werde vielmehr durch solche Entschuldigungen die Sünde
ausserordentlich vergrössert, statt dass sie verringert würde. Siehe, so sind
die Schwelgereien vornehmer Leute nicht zu gedulden, welche glauben, ihre Schuld
zu vermindern, wenn sie behaupten, sie lassen sich nicht aus Leidenschaft oder
Geiz verleiten, einem andern das Seinige zu entziehen, sondern um das Ansehen
ihrer Familie und Ahnen zu schützen, deren Hochachtung und Würde zu Grunde
ginge, wenn sie nicht durch Erwerbung fremden Gutes gestützt würde. Diesen muss
ihr verderblicher Irrthum genommen, und zugleich gezeigt werden, es gebe nur
eine Weise, Ueberfluss und Schätze und den Ruhm der Ahnen zu erhalten und zu
vermehren, wenn sie nämlich dem Willen Gottes gehorchen, und seine Gobote
halten; wenn man diese verachtet, so gehen die noch so fest begründeten
Reichthümer zu Grunde; Könige werden von ihrem königlichen Throne und von der
höchsten Stufe der Ehre herabgestürzt, und an ihre Stelle werden zuweilen
Menschen vom gemeinsten Stande, die sie bitter hassten, von Gott berufen. Es ist
unglaublich, wie sehr auf diese Gott zürne; ein Zeuge hievon ist Isaias, bei
welchem jene Worte Gottes stehen: Deine Fürsten sind
ungläubig und Diebsgesellen; alle lieben die Gaben, und gehen der Belohnung
nach; dem Waisen schaffen sie nicht Recht, und die Sache der Wittwen kömmt nicht
vor sie. Darum spricht der Herr, der Gott der Heerschaaren, der Starke in
Israel: Wehe, ich werde mich trösten an meinen Feinden, und Rache nehmen an
meinen Widersachern. Ich werde meine Hand gegen dich wenden, und deine Schlacken
rein ausschmelzen. [Isai. 1,23-26]
XXII. Wie man denen antworten müsse, welche behaupten, sie werden angetrieben, um der Bequemlichkeit willen fremdes Gut zu rauben.
Es fehlt nicht an solchen, die nicht den Glanz und Ruhm als Ursache
angeben, sondern eine bequemere und ausgesuchtere Weise, sich Nahrung und
Lebensunterhalt zu verschaffen; diese sollen widerlegt und belehret werden, wie
gottlos ihr Grund und ihre Rede sey, da sie ihre Bequemlichkeit dem Willen und
der Ehre Gottes vorziehen, welchen wir durch Vernachlässigung seiner Gebote
furchtbar beleidigen. Und welche Bequemlichkeit kann der Diebstahl geben, da er
die grössten Nachtheile nach sich zieht? Der Ecclesiastikus sagt: Auf den Dieb wartet Reue und Schande. [Eccl. 5,17] Aber es sey, dass es ihnen so übel nicht,
ginge; so schändet doch der Diebstahl den göttlichen Namen, er widerstreitet
seinem heiligsten Willen, und verachtet dessen heilsame Gebote. Aus dieser
Quelle entströmt aller Irrthum, alle Bosheit und Gottlosigkeit.
XXIII. Was man denen sagen müsse, welche ihre Diebstähle durch Beraubung der Reichen, oder durch ihre Gewohnheit entschuldigen.
Wie aber, was man bisweilen von Dieben hören kann, welche
behaupten, sie sündigen darin nicht, wenn sie reichen und vermöglichen Menschen
etwas entziehen, da sie durch diese Entziehung keinen Schaden erleiden, ja es
nicht einmal merken? Wahrlich eine elende und unheilvolle Entschuldigung.
Ein Anderer glaubt, es müsse als Entschuldigung gelten, weil er an
das Stehlen so gewöhnt sey, dass er dieser Gesinnung und Handlungsweise nicht
leicht mehr entsagen könne; ein solcher wird sich wohl, er mag wollen oder
nicht, auch an die ewige Höllenpein gewöhnen müssen, wenn er nicht auf den
Ausspruch des Apostels merkt: Wer gestohlen hat, der stehle
nicht mehr. [Ephes. 4,28]
XXIV. Was hinwiederum jenen zu sagen sey, welche zur Entschuldigung anführen, sie werden entweder durch die Gelegenheit oder Rachgierde zum Stehlen verleitet
Es gibt einige, welche als Entschuldigung anführen, sie hätten
einem andern etwas gestohlen, weil sich Gelegenheit darbot; denn es gebe ein
altes Sprichwort: Gelegenheit zügelt Diebe, die es vorhin nicht waren. Solche
müssen von dieser gotteslästerlichen Meinung durch den Grund abgebracht werden:
Man müsse den bösen Begierden widerstehen. Dehn wenn man immer das thun müsste,
wozu uns die Begierlichkeit anreizt, wo wäre ein Maass und Ziel der Verbrechen
und Lasterthaten? Eine solche Verteidigung ist also abscheulich, ja ein
Bekenntniss der äussersten Unenthaltsamkeit und Ungerechtigkeit. Denn wer sagt,
er sündige desswegen nicht, weil er keine Gelegenheit zum Sündigen habe, der
gesteht beinahe, er wolle, wenn ihm Gelegenheit sich darbiete, immer sündigen.
Es gibt solche, die sagen, sie stehlen, um sich zu rächen, weil sie von andern
auch bcstohicn worden scyen. Diesen entgegne man: Erstlich sey es Niemanden
erlaubt, Unbilden zu rächen; ferner, es könne Niemand Richter in seiner eigenen
Sache seyn; dann könne noch viel weniger zugegeben werden, dass man andere
strafe für das, was sie gegen uns begangen haben.
XXV. Was jenen geantwortet werden müsse, welche stehlen, um ihre Schulden zu bezahlen.
Endlich halten einige dafür, der Diebstahl sey durch jenen Grund
hinlänglich entschuldigt und gedeckt, weil sie sich, von Schulden gedrängt,
nicht anders helfen können, wenn sie nicht stehlen, um zu bezahlen; diese muss
man belehren, es gebe keine schwerere Schuld, wodurch das Menschengeschlecht
mehr gedrückt würde, als jene, deren wir täglich im Gebete des Herrn gedenken:
Vergib uns unsere Schulden ; [Matth. 6,12] desshalb sey es das Zeichen eines ganz
verzückten Menschen, Gott mehr schuldig seyn zu wollen, d. h. mehr zu sündigen,
um, was man den Menschen schuldet, zu bezahlen; und es sey viel besser, in das
Gefängniss geworfen, als in die ewige Höllenpein verstossen zu werden; auch sey
es weit härter, durch das Urtheil Gottes, als der Menschen, verdammet zu werden;
ferner aber sollten sie flehentlich zu Gottes Beistand und Barmherzigkeit ihre
Zuflucht nehmen, von dem sie alles, was sie nöthig haben, erlangen können. Es
gibt noch andere Entschuldigungsarten, welche kluge und diensteifrige Seelsorger
leicht widerlegen können, um einst ein Volk zu haben , das guten Werken
nachstrebt.
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