Dritter Theil - Fünftes Hauptstück
Vom vierten Gebote
Ehre deinen Vater und deine Mutter, [Exod. 20,12] auf dass du lange
lebest im Lande, das der Herr dein Gott dir geben wird.
I.Welches die Würde dieses Gebotes sey, und wie es mit den vorhergehenden zusammenhänge.
Es leuchtet ein Zeichen der Liebe Gottes aus der Liebe der Eltern
hervor.
Da die vorhergehenden Gebote äusserst wichtig und erhaben sind, so
verdienen die, welche jetzt folgen, weil sie besonders nothwendig sind, mit
Recht den nächsten Platz. Jene zielen immer auf den Endzweck, der Gott ist ab,
diese unterweisen uns in der Liebe gegen den Nächsten, obschon auch sie endlich
zu Gott, das ist, jenen höchsten Endzweck, wesswegen wir den Nächsten lieben,
hinleiten. Daher sagte auch Christus, Matth.22.39. jene zwei Gebote von der
Liebe Gottes und des Nächsten seyen unter sich gleich [Matth. 22,39.] [Marc. 12,31.] . Welchen Nutzen
aber diese Stelle habe, kann kaum ausgesprochen werden, da sie sowohl ihre
Früchte bringt, und zwar reichliche und herrliche Früchte, als auch gleichsam
ein Zeichen ist, aus welchem der Gehorsam und die Achtung gegen das erste Gebot
hervorleuchtet. Der heilige Johannes, sagt: Wer seinen
Bruder, den er siehet,
nicht liebet, wie kann er Gott lieben, den er nicht
sieht? [I. Joh. 4,20.] Ebenso, wenn wir die
Eltern, welche wir nächst Gott lieben müssen, nicht ehren und lieben, da wir sie
fast beständig vor Augen haben: welche Ehre, welche Achtung werden wir Gott dem
höchsten und besten Vater, den wir nie sehen, erweisen? Hieraus ist klar, dass
beide Gebote miteinander übereinstimmen.II. Wie Weit sich die Kraft dieses Gebotes erstrecke, und wie sehr die Eltern durch dieses Gebot unterstützt werden.
Die Ausübung dieses Gebotes aber hat einen sehr weiten Umfang; denn
ausser jenen, die uns erzeugt haben, gibt es noch Viele, welche wir wie die
Eltern ehren müssen, entweder wegen ihrer Macht, oder Würde, oder des Vortheiles
oder eines besondern Amtes und Dienstes wegen. Ueberdiess erleichtert es die
Mühe der Eltern und aller Vorgesetzten. Denn da ihre Obsorge besonders darin
besteht, dass die, welche unter ihrer Gewalt stehen, recht und dem göttlichen
Gesetze gemäss leben, so wird diese ihre Sorge sehr erleichert werden, wenn alle
Menschen erkennen, man müsse, aus Auftrag und Befehl Gottes, den Eltern die
grösste Ehrfurcht erweisen. Um aber diess leisten zu können, müssen wir den
Unterschied, der zwischen den Geboten der ersten und zweiten Tafel besteht,
kennen.
III. Warum die Gebote des Gesetzes in zwei Tafeln abgetheilet wurden.
Dieses also soll der Seelsorger zuerst erklären, und besonders
daran erinnern, die göttlichen Gebote des Dekaloges seyen auf zwei Tafeln
eingegraben gewesen, auf deren erster, wie uns die heiligen Väter berichten,
jene drei enthalten waren, die wir schon erkläret haben; die übrigen aber
standen auf der zweiten Tafel. Und diese Eintheilung kömmt uns sehr zu Statten,
weil durch die Ordnung selbst das Verhältniss der Gebote bezeichnet wird; denn
was immer in den heiligen Schriften durch das göttliche Gesetz geboten oder
verboten wird, das entspringt aus einer der beiden Arten; die Liebe richtet sich
bei allem unserm Thun und Lassen entweder auf Gott oder auf die Menschen. Die
Liebe gegen Gott lehren die drei vorhergehenden Gebote; was sich aber auf die
Verbandung und Gesellschaft der Menschen bezieht, ist in den übrigen sieben
Geboten enthalten. Desswegen ist nicht ohne Ursache diese Unterscheidung gemacht
worden, dass einige Gebote zur ersten, andere zur zweiten Tafel gerechnet
werden.
IV. Auf welche Weise die Liebe gegen Gott in den drei ersten Geboten, und die Liebe gegen den Näclisten in den übrigen enthalten sey, und welcher Unterschied zwischen beiden obwalte.
Den vorhergehenden drei Geboten, von welchen schon geredet worden
ist, liegt gleichsam als Stoff, den sie behandeln, Gott zu Grunde, d. h. das
höchste Gut; den übrigen aber das Wohl des Nächsten. Jenen ist die höchste,
diesen die nächste Liebe zur Aufgabe gemacht; jene zielen auf den Endzweck ab,
diese aber auf das, was sich auf den Endzweck bezieht.
Ueberdiess hängt die Liebe Gottes von Gott selbst ab; denn Gott
muss wegen sich selbst, nicht irgend einer andern Sache wegen, über alles
geliebet werden; die Liebe des Nächsten aber entspringt aus der Liebe Gottes,
und muss nach ihr, als nach einer bestimmten Regel gerichtet werden. Denn wenn
wir die Eltern lieb haben, wenn wir den Herren gehorchen, wenn wir, die uns an
Würde übertreffen, ehren: so muss diess hauptsächlich desswegen geschehen, weil
Gott ihr Urheber ist, und sie über andere gesetzt hat, um durch sie die übrigen
Menschen zu lenken und zu beschützen; da nun Gott es ist, der bewirkt, dass wir
vor solchen Personen Ehrfurcht haben, so müssen wir diess desswegen thun, weil
sie von Gott dieser Ehre gewürdiget werden. Hieraus folgt, dass die Ehre, die
wir den Eltern erweisen, vielmehr Gott, als den Menschen erwiesen zu werden
scheint. So heisst es beim h. Matthäus, da von der Hochachtung gegen die
Vorgesetzten gehandelt wird: Wer euch aufnimmt, der nimmt
mich auf; und wer mich aufnimmt, der nimmt denjenigen auf, der mich gesandt hat;
[Matth. 10,40] und der Apostel sagt in seinem
Briefe an die Epheser, die Dienstbothen unterrichtend: Knechte, gehorchet den leiblichen Herren mit Furcht und Zittern,
in der Einfalt eures Herzens, gleich wie Christo: nicht als Augendiener, um
Menschen zu gefallen, sondern als Diener Christi, die den Willen Gottes thun von
Herzen. [Eph. 6,5. 6.]
V. Wie die Liebe Gottes ohne Grenzen sey, die Liebe des Nächsten aber Gränzen habe.
Dazu kömmt, dass Gott niemals genug Ehre, genug Liebe, genug
Verehrung bezeiget wird, da die Liebe gegen ihn in's Unendliche gesteigert
werden kann, und desswegen unsere Liebe zu ihm täglich feuriger werden muss. Wir
müssen ihn, nach seinem Befehle, aus ganzem Herzen, aus ganzer Seele, aus allen
Kräften lieben. [Deut. 6,5]
[Luc. 10,27] Aber
die Liebe, mit des wir den Nächsten umfassen, hat ihre Gränzcn; denn der Herr
befiehlt, den Nächsten zu lieben, wie uns selbst. [Matth. 23,39] Wenn Jemand
diese Gränzen überschreitet, so dass er Gott und dem Nächsten gleiche Liebe
zollet, der begeht grössste Sünde. Der Herr sagt: Wenn
Jemand zu mir kommt, und hasset nicht seinen Vater, und Mutter, und Weib, und
Kinder, und Brüder, und Schwestern, ja sogar auch seine eigene Seele, der kann
mein Jünger nicht seyn. [Luc. 14,26] Ebenso
sprach er: Lass die Todten ihre Todten begraben;
[Luc. 9,60] da Jemand zuerst seinen Vater
begraben, und hernach Christo nachfolgen wollte. Diese Sache wird noch
deutlicher durch jene Erklärung bei Matthäus: Wer Vater und
Mutter mehr liebet, als mich, ist meiner nicht werth, [Matth. 10,37]
VI. Wie die Eltern geliebt werden müssen; und aus welchem Grunde ihnen hernach nicht allemal zu gehorchen sey.
Es obwaltet kein Zweifel, dass die Eltern sehr geliebt und in Ehren
gehalten werden müssen; aber zur Frömmigkeit ist es besonders nothwendig, Gott,
welcher der Vater und Schöpfer Aller ist, die vorzüglichste Ehre und Verehrung
zu erweisen; desswegen müssen wir die sterblichen Eltern so lieben, dass sich
die ganze Kraft der Liebe auf den himmlischen und ewigen Vater bezieht. Wenn
daher bisweilen die Befehle der Eltern den Geboten Gottes zuwider seyn sollten,
so ist kein Zweifel, dass die Kinder dem Verlangen der Eltern den Willen Gottes
vorziehen müssen, eingedenk jenes göttlichen Ausspruches: Man muss Gott mehr gehorchen als den Menschen. [Act. 5,29]
VII. Was in diesem Gebote das Wort ehren eigentlich bedeute.
Nach dieser Darlegung soll der Seelsorger die Worte des Gebotes
auslegen, und zwar zuerst, was ehren heisse. Es heisst von Jemanden ehrenvoll
denken, und alles, was ihn angeht, sehr hoch schätzen. Mit dieser Ehre ist alles
folgende verbunden: Liebe, Achtung, Gehorsam uud Verehrung. Schicklich aber ist
im Gesetze das Wort Ehre gebraucht, nicht Liebe oder Furcht, obschon auch die
Eltern sehr geliebt und gefürchtet werden sollen; denn wer liebet, gehorchet und
ehret nicht immer, wer fürchtet, liebt nicht immer; wen aber Jemand von Herzen
ehret, den liebet und fürchtet er auch. Wenn diess der Seelsorger erkläret hat,
soll er nachgehend handeln von den Vätern, wer sie seyen, und wer so genannt
werde.
VIII. Wer unter dem Namen Vater hier verstanden werde.
1) Es gibt Väter dem Fleische nach. 2) Vorsteher der Kirche uud
Priester. 3) Obrigkeiten. 4) Vormünder, Aufseher, Meister und Lehrer. 5) Greise.
I. Obwohl das Gesetz vorzüglich von jenen Vätern spricht, die uns
gezeuget haben, so erstreckt sich dieser Name doch auch auf andere, welche das
Gesetz ebenfalls in sich zu begreifen scheint, wie wir leicht aus mehreren
Stellen der heiligen Schrift entnehmen.
II. Ausser denen also, die uns gezeugt haben, finden sich auch noch
andere Arten von Vätern in den heiligen Büchern, welchen, wie wir oben
erwähnten, jedem seine Ehre erwiesen werden mnss. Zuerst nun werden die
Vorsteher, die Hirten und Priester der Kirche Väter genannt; wie aus dem Apostel
bekannt ist, da er an die Korinther schreibt: Nicht euch zu
beschämen, schreibe ich diess, sondern als meine geliebtesten Kinder ermahne ich
euch. Denn wenn ihr zehntausend Lehrmeister hättet in Christo, so habt ihr doch
nicht viele Väter. Denn in Christo Jesu habe ich euch durch das Evangelium
gezeugt. [I. Cor. 4,14] Und im Ecclesinsticus
steht geschrieben: Lasset uns loben die berühmten Männer und
unsere Vorfahren in ihren Geschlechtem. [Eccl. 44,1]
III. Hernach werden jene, welchen entweder die Herrschaft oder eine
obrigkeitliche Stelle, oder Gewalt anvertraut ist, die den Staat regieren, Väter [4. Regg. 44,1] genannt.
So wurde Naaman von seinen Dienern Vater genannt.
IV. Ferner nennen wir jene Väter, deren Obsorge, Treue,
Rechtschaffenheit und Weisheit andere anbefohlen werden; dergleichen sind
Vormünder und Pflegeväter der Kinder, Lehrer und Meister. Dess
halb nannten die Söhne der Propheten den Elias und Elisäus Vater.
[4. Regg. 2,12. 13,14.]
V. Endlich nennen wir Väter die Alten und Greise, welchen wir
ehrfurchtsvoll begegnen müssen. Die Seelsorger haben es als eine ihrer
wichtigsten Vorschriften auf sich, zu lehren, man müsse die Väter, welcher Art
sie immer seyen, besonders aber die, welche uns gezeugt haben, und von denen das
göttliche Gesetz hauptsächlich spricht, ehren.
IX. Warum die Kinder der Christen besonders die leiblichen Eltern ehren sollen.
Sie sind gleichsam Ebenbilder des unsterblichen Gottes, und wir
sehen in ihnen das Bild unserer Entstehung; von ihnen ist uns das Leben gegeben
worden; ihrer hat sich Gott bedient, um uns eine Seele und Verstand
mitzutheilen; von ihnen sind wir zu den Sakramenten hingeführt, in der Religion,
in menschlicher und bürgerlicher Bildung unterwiesen, und in Unbescholtenheit
der Sitten und Heiligkeit unterrichtet worden. Auch soll der Seelsorger lehren,
mit Recht sey in diesem Gebote der Name Mutter ausdrücklich genannt, auf dass
wir ihre Wohlthaten und ihre Verdienste um uns betrachten; mit welcher Sorgfalt
und Kümmerniss sie uns im Schoose getragen, mit welcher Mühe und Schmerz sie uns
geboren und aufgezogen hat.
X. Auf welche Weise die leiblichen Eltern geehret werden.
Man muss den Eltern so ehrfurchtsvoll begegnen, dass die Verehrung,
die wir ihnen erweisen, aus Liebe und aus dem innersten Gefühle des Herzens zu
kommen scheint; diese Liebe gebührt ihnen vorzüglich desswegen, weil sie so
gesinnt gegen uns sind, dass sie unsertwegen keine Anstrengung, keine Arbeit,
keine Gefahr scheuen, und weil ihnen nichts angenehmeres zu Theil werden kann,
als das Gefühl, dass ihre Kinder, die sie selbst so sehr lieben, sie lieb haben.
Als Joseph in Aegypten [Gen.
46,29] an Ehre und Ansehen dem Könige zunächst stand, nahm er seinen
Vater, der nach Aegypten gekommen war, ehrenvoll auf, und Salomon stand, als
seine Mutter hereinkam, auf, ging ihr entgegen, ehrte sie und setzte sie auf
einen königlichen Thron zu seiner Rechten. [3. Regg. 2,19] Es gibt überdiess noch andere
Ehrenbezeigungen, die man den Eltern erweisen muss. Denn wir ehren sie auch
dann, wenn wir Gott flehentlich bitten, dass ihnen alles gut und glücklich von
Statten gehe; dass sie bei den Menschen in höchster Gnade und Ansehen stehen;
dass sie Gott und den Heiligen, die im Himmel sind, wohlgefällig seyn möchten.
Ebenso ehren wir die Eltern, wenn wir unsere Handlungen nach ihrem Rathe und
Willen einrichten. Diess räth Salomon, und sagt: Höre mein
Sohn auf die Lehredeines Vaters; und verlass nicht das Gesetz deiner Mutter:
damit Zierde auf dein Haupt komme, und eine Kette an deinen Hals. [Prov. 1,8.9.] So lauten auch die Ermahnungen des h.
Paulus: Kinder, gehorchet euren Eltern; denn das ist recht.
Ihr Kinder, gehorchet den Eltern in Allem, denn das ist wohlgefällig im Herrn.
[Ephes. 6,1] [Coloss. 22,9] Auch durch die Beispiele der heiligsten
Menschen wird es bestätigt. Als Isaak von seinem Vater zum Opfer gebunden wurde,
[Gen. 22,9] gehorchte er
bescheiden und willig; und die Rechabiten enthielten sich beständig vom Weine,
um nie vom Rathe der Väter abzuweichen. Gleichfalls ehren wir die Eltern, wenn
wir ihre guten Thaten und Sitten nachahmen. Denn jene scheinen wir am meisten zu
ehren, denen wir am ähnlichsten seyn wollen. Ferner ehren wir die Eltern, wenn
wir ihren Rath nicht nur einholen , sondern auch befolgen.
XI. Wie wir den Eltern, wenn sie in Unglück gerathen, zu Hilfe kommen sollen, besonders in Todesgefahr.
Ferner ehren wir die Eltern, wenn wir ihnen zu Hilfe kommen, und
ihnen Nahrung und Unterhalt verschaffen. Diess wird durch das Zeugniss Christi
bewiesen, welcher, die Pharisärer tadelnd, sprach: Warum
übertretet ihr selbst das Gebot Gottes um eurer Uebergabe willen? Denn Gott hat
gesagt: Du sollst Vater und Mutter ehren, und: Wer seinem Vater oder seiner
Mutter fluchet, soll des Todes sterben. Ihr aber saget: Wenn Einer zum Vater
oder zur Mutter spricht: Alles, was von mir geopfert wird, gereicht dir zum
Nutzen, so mag er immer seinen Vater oder seine Mutter nicht ehren: und habt
also Gottes Gebot aufgehoben um eurer Uebergabe willen. [Matth. 15,3. -7] Wir müssen zwar die Eltern allezeit
ehren, aber besonders dann, wenn sie gefährlich krank sind; man muss sich
bemühen, nichts zu verabsäumen, was entweder die Beicht ihrer Sünden betrifft,
oder die übrigen Sakramente, welche die Christen empfangen sollen, wenn der Tod
herannahet; und wir sollen Sorge tragen, dass sie oft von frommen und
gottesfürchtigen Menschen besucht werden, welche sie in ihrer Schwäche stärken
und durch Rath unterstützen, oder sie trösten und aufrichten zur Hoffnung der
Unsterblichkeit; so dass sie ihr Herz von irdischen Dingen losreissen und sich
ganz Gott in die Arme werfen. Auf diese Weise werden sie, im himmlischen Geleite
des Glaubens, der Hoffnung und Liebe und mit den Schutzmitteln der Religion
versehen, den Tod, da er ja doch unvermeidlich ist, nicht für furchtbar halten,
sondern vielmehr sich nach ihm sehnen, da er den Eintritt zum ewigen Leben
eröffnet.
XII. Wie wir die verstorbenen Eltern ehren sollen.
Endlich ehren wir die Eltern nach ihrem Tode, wenn wir ihr
Leichenbegängniss anordnen, Seelenmessen veranstalten, ihnen eine ehrenvolle
Begräbniss besorgen; wenn wir Jahrmessen halten lassen, und das, was sie
letztwillig verordnet haben, sorgfältig entrichten.
XIII. Wie die Bischöfe und Priester geehrt werden müssen.
Es sollen nicht nur die geehret werden , welche uns gezeugt haben,
sondern auch andere, die Väter genannt werden, wie die Bischöfe und Priester,
die Könige, Fürsten, Obrigkeiten, die Vormünder und Pfleger, die Lehrer,
Meister, die Greise und andere dergleichen; denn sie sind würdig, aus unserer
Liebe, aus unserm Gehorsam und unserm Beistande Früchte zu ziehen; jedoch einet'
mehr als der andere. Von den Bischöfen und andern geistlichen Hirten heisst es:
Priester, die gut vorstehen, halte man doppelter Ehre werth;
besonders solche, die in Wort und Lehre sich abmühen. [1. Tim. 5,17] Wie grosse Beweise der Liebe gegen den
Apostel gaben nicht die Galater, wofür er ihnen jenes herrliche Zeugniss des
Wohlwollens ertheilte: Ich gebe euch das Zeugniss, dass ihr,
wenn es hätte geschehen können, eure Augen ausgerissen und mir gegeben hättet.
[Galat. 4,15]
XIV. Wie man den Priestern den nöthigen Unterhalt verschaffen soll.
Auch den Priestern muss man das reichen, was zu den
Lebensbedürfnissen erfordert wird. Desshalb sagt der Apostel: Wer dient je auf eigene Kosten im Kriege? [I. Cor. 2,7] Und im Ecclesiasticus ist geschrieben: Ehre die Priester, und entsündige dich durch die Schulterstücke.
Gib ihnen, wie es dir befohlen ist, ihren Theil von den Erstlingen, und von den
Opfern der Reinigung. [Eccl. 7,33] Dass man
ihnen auch gehorsam seyn müsse, lehrt der Apostel: Gehorchet
euren Vorstehern, und seyd ihnen unterthänig; denn sie wachen über eure Seelen
als solche, die Rechenschaft geben werden. [Hebr.
13,17] Ja es ist sogar von Christus dem Herrn befohlen worden, auch bösen
Seelenhirten zu gehorchen, da er sagt: Auf dem Stuhle des
Moses sitzen die Schriftgelehrten und Pharisäer. Darum haltet und thut alles,
was sie sagen; nach ihren Werken aber sollt ihr nicht thun, denn sie sagen es
wohl, thun es aber nicht. [Matth. 23,2.3.]
XV. Es wird die den weltlichen Obrigkeiten zu erweisende Ehre gezeigt.
Das nämliche muss von den Königen, Fürsten, Obrigkeiten und den
übrigen, deren Gewalt wir untergeben sind, gesagt werden. Welche Art von Ehre,
Achtung und Ehrerbietung ihnen erwiesen werden soll, erklärt der Apostel
weitläufig an die Römer [Röm.
13] ; auch ermahnt er sie, für sie zu beten. Und der h. Petrus sagt:
Seyd daher unterthan jeder menschlichen Kreatur um
Gotteswillen, sey es dem Könige, welcher der höchste ist, oder den Statthaltern,
als solchen, welche von ihm abgeordnet sind. [I.
Tim. 2.] [I. Petr. 2,13.]
Denn die Verehrung, die wir ihnen erweisen, fällt auf Gott zurück, da ein
hoher Grad der Würde die Verehrung der Menschen geniesst, weil sie gleich einer
göttlichen Gewalt ist; hierin verehren wir auch Gottes Vorsehung, der ihnen die
Verwaltung eines öffentlichen Amtes verliehen hat, und sich ihrer als Diener
seiner Macht bedient.
XVI. Warum den weltlichen Obrigkeiten, auch wenn sie böse sind, Gehorsam geleistet werden müsse, und wann man ihnen gehorchen dürfe.
Wir verehren nicht die Bosheit und Schlechtigkeit der Menschen,
wenn die Obrigkeiten solche sind, sondern das göttliche Ansehen, das in ihnen
ist, so dass, was vielleicht ganz wunderlich scheinen mag, obschon sie gegen uns
feindselig und böse gesinnt sind, obschon sie unversöhnlich sind, diess doch
keine hinlängliche Ursache gibt, wesswegen wir ihnen nicht ganz gewissenhaft
gehorchen sollen. Die grossen Dienstleistungen des David gegen Saul sind
bekannt, obwohl dieser sehr feindselig gegen ihn war, was er mit diesen Worten
ausspricht: Mit denen, welche den Frieden hassen, bin ich
friedlich. [Ps. 119,7] Sollten sie aber etwas
Unrechtes oder Böses, befehlen, so darf man ihnen keineswegs gehorchen, da sie
diess nicht aus ihrer Vollmacht, sondern aus Ungerechtigkeit und Verkehrtheit
des Gemüthes thun. Wenn diess der Seelsorger einzeln erkläret hat, soll er
betrachten, welcher entsprechende Lohn denen aufbewahrt ist, die diesem
göttlichen Gebote gehorchen.
XVII. Welchen Lohn Gott für den Gehorsam gegen die Eltern bestimmt hat.
Der grösste Lohn besteht darin, dass sie lange leben, desswegen,
weil sie würdig sind, einer Wohlthat solange als möglich zu gemessen, deren
Andenken sie immer bewahren. Da nun diejenigen, welche die Eltern ehren, denen
dankbar sind, von welchen sie Licht und Leben erhalten haben, so leben sie mit
Recht und billig bis in's höchste Greisenaltcr. Dann soll auch damit eine
glänzende Darstellung der göttlichen Verheissung verbunden werden; denn es wird
nicht blos der Genuss des ewigen und seligen, sondern auch dieses Lebens, das
wir auf Erden zubringen, verheissen; diesen Ausspruch erkläret der h. Paulus ,
da er sagt: Die Gottseligkeit ist zu allem nützlich, und hat
die Verheissung dieses und des zukünftigen Lebens. [I. Tim. 4,8]
XVIII. Wie hoch die Verheissung eines langen Lebens zu schätzen sey.
Dieser Lohn ist nicht gering, noch verächtlich, wenn auch den
heiligsten Männern, wie dem Hiob, dem David, dem Paulus der Tod wünschenswerth
war, und unglücklichen und elenden Menschen die Verlängerung des Lebens
unangenehm ist; denn der Anhang jener Worte, das der Herr dein Gott dir geben
wird, verspricht nicht blos eine lange Dauer des Lebens, sondern auch Musse,
Ruhe, Wohlstand, um gut zu leben. Im Deuteronomium spricht der Herr nicht nur,
dass du lange lebest, [5,16]
sondern er fügt auch bei, dass es dir wohlergehe,
[Ephes. 6,2] was später der Apostel
wiederholt hat.
XIX. Wie die, welche die Eltern ehren, auch wenn sie frühe sterben, den Lohn dieses Gebotes erlangen.
Wir behaupten, diese Güter verleihe Gott denen, deren frommen Sinn
er belohnen will. Denn auf eine andere Weise würde die Treue und Beharrlichkeit
der göttlichen Verheissung nicht erfüllet werden, da bisweilen jene, die den
Eltern die grösste Ehrfurcht erwiesen haben, frühe sterben. Diess widerfährt
ihnen darum, entweder weil es zu ihrem Besten gereicht, dass sie früher sterben,
ehevor sie vom Wege der Tugend und Pflicht abweichen; denn sie werden
hinweggenommen, damit die Bosheit ihren Verstand nicht verkehre, noch ersonnene
Lehre ihre Seele betrüge: oder weil das Verderben und die Verwirrung aller Dinge
bevorsteht, werden sie aus dem Körperleben abgerufen, um der Bitterkeit
betrübter Zeiten zu entgehen. Der Prophet sagt: Vor dem
Bösen wird weggenommen der Gerechte. [Sam. 4,11]
Diess geschieht, damit ihre Tugend oder ihr Seelenheil nicht in Gefuhr
gerathe, wenn Gott die Laster der Menschen straft; oder damit sie nicht in
jammervollen Zeiten wegen der Drangsale ihrer Verwandten und Freunde die
bitterste Trauer empfinden. Desshalb muss es uns sehr ängstlich machen, wenn
fromme Männer frühzeitig sterben.
XX. Wie diejenigen gestraft werden, welche dieses Gebot übertreten.
Gleichwie jenen, welche gegen ihre Eltern dankbar sind, Belohnung
und Vortheil für ihre Pflichterfüllung angekündiget ist; ebenso werden die
undankbaren und gottlosen Kinder den schwersten Strafen verfallen. Es steht
geschrieben: Wer seinem Vater oder seiner Mutter flucht,
soll des Todes sterben. [Exod. 21,17] Und:
Wer seinen Vater betrübt, und seine Mutter verjagt, ist ein
schändlicher und unseliger Mensch. [Prov. 19,26]
Und: Wer seinem Vater und seiner Mutter flucht,
dessen Leuchte wird ausgelöscht in der dicksten Finsterniss. [Prov. 20,20] Und: Ein Auge, das
seinen Vater verspottet, und die Geburt seiner Mutter verachtet, das sollen die
Bachraben aushacken, und die jungen Adler fressen. [Prov. 30,17] Gegen viele von denen, die ihre Eltern
misshandell haben, lesen wir, sey der Zorn Gottes zur Rache entbrannt. Er liess
den David nicht ungerochen, sondern Absalon büsste für sein Verbrechen die
schuldige Strafe; Gott bestrafte ihn dadurch, [2.Regg. 18,14] dass er wegen seines Verbrechens mit drei
Lanzen durchbohrt wurde. Von jenen aber, welche den Priestern nicht gehorchen,
steht schrieben: Wer aber hoffärtig ist, und dem Gebote des
Priesters nicht gehorchen will, der zu selber Zeit dem Herrn, deinem Gott,
dienet, noch dem Urtheile des Richters; der Mensch soll sterben, und du sollst
das Böse aus Israel thun. [Deut. 17,12]
XXI. Auf welche Weise sich die Eltern vorzüglich jener von Gott befohlenen Verehrung würdig machen können.
Gleichwie durch das göttliche Gesetz vorgeschrieben ist, dass die
Kinder ihre Eltern in Ehren halten, ihnen gehorchen und Achtung bezeigen; ebenso
haben auch die Eltern ihre eigenen Pflichten und Leistungen, nämlich sie sollen
die Kinder in den heiligsten Grundsätzen und Sitten unterweisen, und ihnen die
besten Lebensvorschriften ertheilen, auf dass sie in Gottesfurcht erzogen,
bereit sind, Gott in Heiligkeit und Unschuld zu verehren; was wir von den Eltern
der Susanna lesen. [Dan. 13,3]
Es soll also der Seelsorger die Eltern erinnern, dass sie ihre
Kinder in Tugend, Gerechtigkeit, Enthaltsamkeit, Bescheidenheit und Heiligkeit
unterweisen; besonders sollen sie drei Dinge vermeiden, worin sie oft sich
verfehlen; erstens sollen sie die Kinder nie mit zu rauhen Worten anfahren, oder
zu hart bestrafen; diess befiehlt der Apostel im Briefe an die Kolosser mit
folgenden Worten: Ihr Väter, erbitert eure Kinder nicht,
damit sie nicht muthlos werden, [3,21] denn
es ist zu befürchten, dass sie muthlos und gleichgültig werden, wenn sie alles
fürchten müssen. Desshnlb befiehlt er jenes, dnmit sie zu grosse Strenge
vermeiden, und die Kinder lieber bessern, als bestrafen sollen.
XXII. Wie die Eltern gegen ihre Kinder nicht nachsichtig seyn, und sich nicht übermässig anstrengen sollen, um ihnen ein grosses Vermögen zu hinterlassen.
Wenn die Kinder etwas verschuldet haben, und eine Züchtigung und
Zurechtweisung nothwendig ist, so sollen, sie nicht nachsichtig seyn; denn gar
oft werden die Kinder durch zu grosse Nachsicht und gelinde Behandlung der
Eltern verdorben. Von übermässiger Nachgiebigkeit soll sie abschrecken das
Beispiel des Hohenpriesters Heli, welcher sehr hart gestraft wurde, weil er
gegen seine Söhne zu nachsichtig war. [1. Regg. 4,18]
Endlich, was das schändlichste ist, sollen sie bei Erziehung und
beim Unterrichte der Kinder nicht verkehrte Grundsätze anwenden. Gar Viele gehen
nur darauf um, und haben keinen andern Gedanken, als wie sie den Kindern
Schätze, Geld, ein prächtiges und grosses Erbtheil hinterlassen; sie ermahnen
dieselben nicht zur Gottesfurcht nicht zur Frömmigkeit, nicht zur Erlernung
schöner Künste, sondern zum Geize und zur Vergrösserung des Hauswesens; sie
bekümmern sich nicht um den guten Ruf und das Seelenheil
ihrer Kinder; wenn sie nur Geld haben und sehr reich sind. Kann wohl etwas
schändlicheres gesagt und gedacht werden, als dieses? Also geschieht, dass die
Eltern auf ihre Kinder nicht nur ihren Reichthum, sondern auch ihre Laster und
Schandthaten übertragen, wodurch sie dieselben nicht zum Himmel, sondern zu den
ewigen Strafen der Hölle hinführen. Der Priester soll daher die Eltern in
heilsamen Vorschriften unterweisen, und sie zur Nachahmung des Beispieles und
der Tugend des Tobias ermuntern, und darauf hinweisen, dass sie, wenn sie ihre
Kinder zur Verehrung Gottes und zu einem heiligen Leben herangebildet haben, von
ihnen auch die reichlichsten Früchte der Liebe, der Hochahtung und Folgsamkeit
erlangen.
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